Iran: Kooperation mit Taliban bei Abschiebung von Afghanen
28. Januar 2025Zum ersten Mal seit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 reiste am 26. Januar ein iranischer Außenminister nach Afghanistan. Nach offiziellen Angaben war das Ziel des eintägigen Besuchs des gegenwärtigen Amtsinhabers Abbas Araghchi, diplomatische Gespräche über die Spannungen entlang der rund 950 Kilometer langen gemeinsamen Grenze, die Situation afghanischer Flüchtlinge im Iran und die Nutzung der Wasserressourcen des Helmand-Flusses zu führen.
Der Iran hat die Taliban zwar bisher nicht offiziell anerkannt, unterhält jedoch diplomatische Beziehungen. Die iranische Botschaft in Kabul ist geöffnet, und die afghanische Botschaft in Teheran wurde an die Taliban übergeben. Vor allem im Hinblick auf die verschärfte Migration aus Afghanistan sucht die iranische Regierung seit 2023 verstärkt die Kooperation mit den Taliban. Der Iran schiebt derzeit täglich bis zu 3000 Flüchtlinge ab.
Furcht vor Abschiebung in die Hände der Taliban
"Afghanen werden willkürlich verhaftet, zum Teil geschlagen und anschließend abgeschoben", berichtet Marzia Rahimi im Gespräch mit der DW. Sie ist vor zwei Jahren mit ihrer Familie aus Afghanistan geflohen. "Ich bin Journalistin und habe zehn Jahre lang diesen Beruf ausgeübt. Nach der Rückkehr der Taliban wurde ich arbeitslos. Mein Leben stand plötzlich auf dem Kopf. Ich hatte Angst um mich und meine Familie. Dann wurden die weiterführenden Schulen für Mädchen ab der sechsten Klasse verboten. Daraufhin bin ich mit meinem Mann und meinen fünf Kindern in den Iran geflohen, weil ich meine Kinder retten wollte. Aber hier können sie auch nicht zur Schule gehen."
Marzia hat derzeit keine Dokumente. Aus Angst vor einer Abschiebung hat sie sich nicht als Flüchtling registrieren lassen. Für einen Asylantrag müsste sie zur Ausländer- und Einwanderungsbehörde gehen. "Wer versucht, dort einen Antrag zu stellen, wird sehr schlecht und von oben herab behandelt und sogar beschimpft. Am Ende gibt es auch kaum Chance aufgenommen zu werden."
Wie viele afghanische Staatsbürger aktuell im Iran leben, ist unklar. Seit 40 Jahren fliehen Afghanen vor Bürgerkrieg, Armut und nun vor den Taliban in den Iran. Nach Schätzungen des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) leben etwa drei Millionen Afghanen im Iran. Rund 750.000 von ihnen sind offiziell als Flüchtlinge registriert. Etwa 500.000 sind Einwanderer mit kurzfristiger Aufenthalts- und eingeschränkter Arbeitserlaubnis. Viele andere verfügen über keinerlei Papiere und gelten als illegal. Diese Menschen arbeiten meist als billige Arbeitskräfte auf Baustellen oder in Unternehmen am Rande der Großstädte und werden aufgrund ihres rechtlosen Status oft rücksichtslos ausgebeutet.
Hetze gegen Flüchtlinge im Iran
Mit "mehr als sechs Millionen Afghanen im Iran" gab Amir Saeed Iravani, Irans Botschafter und Ständiger Vertreter bei den Vereinten Nationen, im Dezember eine noch höhere Zahl an. Das belaste die begrenzten Ressourcen des Landes. Der Iran gebe jährlich mehr als zehn Milliarden Dollar für sie aus, erhalte jedoch nicht genug Unterstützung von der internationalen Gemeinschaft, beklagte Iravani.
Die Stimmung gegenüber Geflüchteten im Iran ist seit langem angespannt. Sowohl im Internet als auch in den traditionellen Medien erscheinen nahezu täglich Berichte über vermeintlich "kriminelle Flüchtlinge" oder angebliche Belastung des Gesundheitssystems durch diese. Auch wird ihnen die Schuld an der Knappheit subventionierter Lebensmittel wie Brot gegeben. Dabei leidet der Iran seit Jahren unter einer anhaltenden Wirtschaftskrise, die durch Missmanagement, Korruption und internationale Sanktionen weiter verschärft wurde.
Marzia und ihre Familie erhalten keinerlei Unterstützung von der iranischen Regierung. Sie und ihr Mann müssen schlecht bezahlte Jobs suchen, um ihre Familie zu ernähren.
"Wir setzen uns für die Afghanen im Iran ein", verspricht Abdul Rahman Rashid, der Taliban-Minister für Flüchtlinge und Rückführung, im Gespräch mit der DW. "Flüchtlinge, die gültige Dokumente besitzen, müssen Zugang zu Bildung und legalen Arbeitsmöglichkeiten im Iran haben. Das haben wir den iranischen Behörden mitgeteilt. Rückkehrer, die nach Afghanistan kommen, werden von uns unterstützt."
Afghanistan laut NGO nicht auf Rückkehrende vorbereitet
Welche Ressourcen und Möglichkeiten für diese Unterstützung zur Verfügung stehen, ist nicht bekannt. Afghanistan sei auf die Rückkehr der zahlreichen Flüchtlinge aus dem Iran und auch Pakistan nicht vorbereitet, warnt Jan Egeland, Generalsekretär des Norwegischen Flüchtlingsrats. Der Norwegische Flüchtlingsrat (Norwegian Refugee Council, NRC) ist eine unabhängige humanitäre Organisation, die sich weltweit für den Schutz und die Unterstützung von Menschen einsetzt und zu den noch wenigen aktiven NGOs in Afghanistan gehört.
"Jan Egeland traf sich in Afghanistan mit Familien mit kleinen Kindern, die aus dem Iran zurückgekehrt waren, ohne zu wissen, wie sie in Afghanistan überleben sollen", schreibt der Norwegische Flüchtlingsrat auf Anfrage der DW. Wirtschaftliche Unsicherheit und fehlende Beschäftigungsmöglichkeiten stellten für viele Rückkehrer die größte Sorge dar und führten bei ihnen und ihren Familien zu großer Ungewissheit über ihre zukünftigen Lebensbedingungen.
Flüchtlinge, die gültige Dokumente besitzen, seien im Iran auch nicht sicher, sagt das NRC. "Einige von ihnen wurden abgeschoben, andere haben aus Angst vor einer unvermeidlichen Abschiebung den Iran verlassen. Manche reisten als Familien mit Kindern, die im Iran geboren wurden, und nun in ein Land zurückkehren, das sie nicht kennen."