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PolitikIran

Iran: Keine Moschee für Sunniten in der Hauptstadt

Veröffentlicht 7. April 2024Zuletzt aktualisiert 8. April 2024

Seit der Gründung der Islamischen Republik im Iran ist der Druck auf ethnische und religiöse Minderheiten gestiegen. Auch sunnitische Muslime beklagen systematische Unterdrückung.

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Beten
Bild: MIZAN

Am 9. April feiern Muslime weltweit das Ende des Fastenmonats Ramadan. Das Fest des Fastenbrechens oder Zuckerfest ist ein hoher islamischer Feiertag; gläubige Muslime beginnen ihn morgens früh mit einem gemeinsamen Gebet. "Auch 45 Jahre nach der Gründung der Islamischen Republik im Iran haben die Sunniten immer noch keine eigene Moschee in der Hauptstadt Teheran, um dieses Fest mit einem gemeinsamen Gebet feiern zu können", klagt die Frauenaktivistin Fariba Balouch. Sie wurde in eine sunnitischen Familie hineingeboren und ist in der ostiranischen Provinz Sistan und Belutschistan aufgewachsen.

Knapp die Hälfte der 3,2 Millionen Menschen in der Region an der pakistanisch-afghanischen Grenze sind Sunniten. Im schiitisch geprägten Iran gehören sie zu einer religiösen Minderheit. Geschätzt etwa zehn Prozent der Gesamtbevölkerung im Iran sind Sunniten. "Aufgrund unserer Religion werden wir unterdrückt", erklärt Fariba Balouch im Gespräch mit der DW. Die Frauenaktivistin lebt seit vier Jahren im Exil in London und versucht, den Unterdrückten in ihrem Heimatland eine Stimme zu geben.

Iran Dorf
Die Provinz Sistan und Belutschistan ist eine der ärmsten im IranBild: tasnimnews

Sie fügt hinzu: "Sunniten im Iran dürfen keine wichtigen politischen Ämter bekleiden; sie können weder Präsident noch Chef der Justiz werden noch Mitglied des Wächterrats sein oder politische Parteien gründen oder Zeitungen oder Zeitschriften besitzen. Wir sind nicht einmal Bürger zweiter Klasse: Wir haben so gut wie keine Rechte", betont Balouch.

Systematische Benachteiligung der Sunniten

Die Provinz Sistan und Belutschistan ist eine der ärmsten im Iran. Von den Einnahmen aus der Förderung von Bodenschätzen wie Öl und Gas gelangt kaum etwas dorthin. Kleine Städte und Dörfer der Provinz haben keine Schulen, keinen Strom und auch keine Wasserversorgung. Aufgrund anhaltender Dürre und schlechtem Wassermanagement in der Landwirtschaft ist Wasser sehr knapp. Die Provinz sowie andere Regionen an den Grenzen des Landes, in denen viele Sunniten leben, werden systematisch benachteiligt. Zu den sunnitischen Minderheiten im Iran zählen die Turkmenen im Nordosten, die Kurden im Westen, Araber im Südwesten und Belutschen im Südosten.

Karte Iran mit der Provinz Sistan und Baluchestan
Provinz Sistan und Belutschistan im Südosten

Von den rund 1,6 Milliarden Muslimen weltweit sind schätzungsweise 85 bis 90 Prozent Sunniten. Nur im Irak, Aserbaidschan, Bahrain und im Iran bilden Schiiten die Mehrheit. Im Iran ist das Schiitentum seit dem 16. Jahrhundert Staatsreligion. Aus machtpolitischen Gründen und im Konflikt mit dem sunnitischen Osmanischen Reich hatte damals Schah Ismail, Begründer der Safawiden-Dynastie im Iran, das Schiitentum zur Staatsreligion erklärt. Um die Verteidigung des Landes gegen die Osmanen zu stärken, nutze er den ideologisch-konfessionellen Konflikt und stellte sich als Schutzherr der Schiiten dar.

Druck seitens der schiitischen Machthaber

"Die schiitischen Machthaber im Iran verlangen von den sunnitischen Minderheiten des Landes absoluten Gehorsam und Loyalität", schreibt der Theologe Hassan Yussefi Eshkevari auf Anfrage der DW. Der schiitische Geistliche mit dem religiösen Titel Hodschatoleslam gehört zu den bekanntesten Islamforschern des Iran.

Aufgrund seiner kritischen Haltung gegenüber dem Klerus im Iran wurde Eshkevari im Jahr 2000 in einem geheimen Prozess vom "Sondergericht für Geistliche" zum Tode verurteilt. Das Urteil wurde ein Jahr später vom Berufungsgericht aufgehoben. 2005 wurde er aus dem Gefängnis freigelassen; er verließ daraufhin das Land, um im Exil in Deutschland zu leben.

"Seit der Revolution von 1979 bekämpfen und unterdrücken die Machthaber jegliche Art von Meinungsvielfalt", erklärt Eshkevari und betont: "Betroffen sind davon religiöse Minderheiten wie Sunniten, Sufi-Orden und Bahai und auch Schiiten mit abweichenden Ansichten, deren Überzeugungen in der Islamischen Republik als antischiitisch interpretiert werden. Neben den politisch-religiösen Autoritäten im Zentrum der Islamischen Republik Iran gibt es weitere schiitische Gelehrte, die die Einschränkungen für Sunniten im Iran unterstützen. Die Weigerung, eine sunnitische Moschee in der Hauptstadt zu errichten, ist hauptsächlich auf den oft verborgenen Druck der religiösen Autoritäten aus dem schiitischen Zentrum des Landes in der Stadt Ghom zurückzuführen. Sie nutzen inoffiziell und heimlich ihren Einfluss, um dies zu verhindern."

Massaker an gläubigen Muslimen

Der Druck auf sunnitische Minderheiten ist in den vergangenen beiden Jahren weiter gewachsen. Im Zuge landesweiter Proteste nach dem Tod von Jina Mahsa Amini in Polizeigewahrsam entwickelte sich Zahedan, die Hauptstadt der Provinz Sistan und Belutschistan, zur Protesthochburg. Monatelang versammelten sich Protestierende nach jedem Freitagsgebet auf den Straßen. "Das Massaker vom 30. September 2022 werden wir nie vergessen", sagt Fariba Balouch.

Iran Proteste
Während der landesweiten Proteste 2022 entwickelte sich Zahedan, die Hauptstadt von Sistan und Belutschistan, zur Protesthochburg Bild: UGC/AFP

An diesem Tag wurden in Zahedan innerhalb mehrerer Stunden mehr als 80 Menschen von Sicherheitskräften erschossen. Einige von waren auf den Dächern in der Umgebung der Großmoschee der Stadt in Stellung gegangen und eröffneten das Feuer auf eine Menschenmenge, die sich nach dem Freitagsgebet auf den Straßen versammelt hatte. In Zahedan gibt es die einzige Großmoschee für Sunniten. "Vor dieser Moschee in einem islamischen Land wurden gläubige Muslime erschlossen, weil sie friedlich protestierten. Das allein zeigt, welche Bürgerrechte sunnitischen Minderheiten haben - nämlich gar keine", kritisiert die Aktivistin Balouch.

Nach den Protesten mit dem Slogan "Frau, Leben, Freiheit" ist die Zahl der Hinrichtungen im Iran drastisch gestiegen. Ein Fünftel der mindestens 834 Menschen, die im Jahr 2023 im Iran hingerichtet wurden, waren Angehörige der sunnitischen Minderheit der Belutschen. Überdurchschnittlich viele: Nur jeder zwanzigste iranische Staatsbürger gehört der Minderheit der Belutschen an.