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PolitikAsien

Iran: Keine Hoffnung auf Veränderung - Frust um Scheinwahlen

27. Februar 2024

Am 1. März wird im Iran ein neues Parlament gewählt. Die Prognosen deuten auf eine niedrige Wahlbeteiligung hin. Kaum jemand glaubt daran, durch eine Stimmabgabe etwas verändern zu können.

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Iran Tehran -  vor den Parlamentswahlen 2024
Wahlplakate in TeheranBild: Yuji Yoshikata/AP/picture alliance

Am ersten März finden im Iran Wahlen statt. Etwa 61 Millionen wahlberechtige Bürgerinnen und Bürger sind aufgerufen, ein neues Parlament zu wählen. Außerdem sollen sie ihre Stimmen abgeben für den sogenannten Expertenrat. Dieser wählt das geistliche und politische Oberhaupt des Landes.

Eine Umfrage, die ein regierungsnahes Institut im ganzen Land durchführte und von der iranischen Nachrichtenagentur Azar Qalam zitiert wird, prognostiziert eine Wahlbeteiligung von gerade einmal 30 Prozent. In der Hauptstadt Teheran wollen sich demnach lediglich 15 Prozent an der Wahl beteiligen. Als Gründe fürs Nichtwählen nannten die Befragten die Unfähigkeit des Parlaments, Korruption und die geringe Hoffnung auf eine bessere Zukunft als Hauptgründe.

Nach Angaben der amtlichen Nachrichtenagentur Irna sind rund 15.200 Kandidaten für die 290 Sitze der Legislative zugelassen. "Die meisten Kandidaten, vor allem in den kleinen Wahlkreisen, sind Ärzte, Ingenieure, Beamte und Lehrer, die keiner politischen Gruppierung angehören", sagte der Journalist Masiar Chosravi der Nachrichtenagentur AFP. Mit der Zulassung einer derart großen Anzahl von Kandidaten zur Wahl wolle die Regierung, "einen lokalen Wettbewerb schaffen und die Wahlbeteiligung erhöhen", fügte er hinzu.

Mit Musik und Party zum Wählen animieren

Der offizielle Wahlkampf hat am 22. Februar begonnen. In den sozialen Netzwerken sind Videos von Wahlkampfveranstaltungen in verschiedenen Teilen des Landes zu finden, oft begleitet von lauter Musik und einer festlichen Atmosphäre. Wie üblich vor Wahlen bleiben die Moralpolizei oder die Schlägertrupps der Basij-Milizen weitgehend unsichtbar.

"Als einfacher Soldat, der ausschließlich dem Volk dient, rufe ich die iranische Nation dazu auf, die bevorstehenden Wahlen als äußerst entscheidend zu betrachten", warb der Kommandeur der Revolutionsgarden, Hossein Salami, vor Journalisten für den Urnengang. "Wahlen sind nicht nur dazu da, für einen Kandidaten in einem bestimmten Teil des Landes zu stimmen. Ihr Wirkung ist global. Eine hohe Wahlbeteiligung zeigt, dass der Iran sich inmitten von Schwierigkeiten auf den Willen und die Stimmen der Menschen verlässt."

Salami und die gesamte Führung des Landes scheinen sich bewusst zu sein, dass die Kluft zwischen den Machthabern und der Bevölkerung im Iran größer ist als je zuvor. Nach der brutalen Niederschlagung der landesweiten Proteste mit dem Slogan "Frau, Leben, Freiheit" im Jahr 2022 glaubt kaum noch jemand an Veränderungen im politischen System.

Warum wollen viele nicht mehr ihre Stimme abgeben?

"Je erfolgreicher es der Führung der Islamischen Republik gelang, die Opposition zu unterdrücken und das islamische Vormundschaftssystem zu festigen, desto geringer wurde der Einfluss und die Bedeutung der Republik im politischen System, während die islamische Herrschaft an Stärke gewann", sagt der Soziologe Mehrdad Darvishpour, Professor an der Universität Mälardalen in Schweden.

Auf Nachfrage der DW erklärt er: "In der Geschichte der Islamischen Republik seit 1979 gab es Phasen, in denen die Bevölkerung an Reformen im Rahmen der Gesetze und Standards des Systems glaubte und die Wahlen als einfache Möglichkeit nutzte, um zu protestieren. Das Ziel war, die religiösen Führer zurückzudrängen und die demokratischen Elemente zu stärken. Das Ergebnis führte jedoch nie zu wirklichen Reformen, da das System dem Willen der Gesellschaft nicht folgte."

Sacharow-Preis für Iranerin Jina Mahsa Amini

Im Laufe der Zeit wurde das politische System im Iran immer radikaler und unversöhnlicher; zugleich wurde der Raum für Kritik immer enger. Vor der Parlamentswahl am ersten März wurden mehrere regierungskritische Kandidaten disqualifiziert. Das Wahlgremium schloss sogar derzeitige Abgeordnete aufgrund "mangelhafter ideologischer Qualifikation" von der bevorstehenden Wahl aus.

Bereits bei der letzten Parlamentswahl im Jahr 2020 wurden ohne plausible Erklärung zahlreiche reformorientierte und moderate Kandidaten abgelehnt. Nach den Angaben reformorientierter Politiker sind aus ihren Reihen nun gerade einmal 20 bis 30 Kandidaten zur Wahl zugelassen. Es wird erwartet, dass der Urnengang die Macht der regierenden Konservativen festigt.

"Wahlen in der Islamischen Republik dienen nicht der Möglichkeit politischer und sozialer Veränderungen oder Machtwechsel, die auf dem Willen der Mehrheit basieren und die Grundrechte der Minderheit wahren", sagt Ali Afshari. Der im US-Exil lebende Iran-Experte ist ein ehemaliger Studentenführer, der sich in den 90er-Jahren für Reformen im Iran eingesetzt hatte. "Die Wahlen im Iran sind ein Instrument zur Festigung der illegitimen Macht der herrschenden Minderheit und zur Aufrechterhaltung eines Systems der ungerechten Ressourcenverteilung – ein Spiel um Macht und Reichtum", urteilt Afshari.

Über 275 prominente politische Aktivisten und Vertreter des Zivilgesellschaft im Iran haben angekündigt, die bevorstehenden Parlamentswahlen zu boykottieren. Sie verweisen auf den "erbärmlichen" Zustand des Wahlsystems und verurteilen den "Stillstand der Reformen", die "vollständige Eliminierung von Kritikern" und die "weit verbreitete Disqualifikation von Kandidaten". Die Unterzeichner einer gemeinsamen Erklärung vom 25. Februar kritisieren, dass diese Faktoren zusammen mit dem Fehlen vielfältiger politischer Stimmen die Legitimität der Wahlen untergraben.

Die inhaftierte Friedensnobelpreisträgerin Narges Mohammadi hat sich diesem Boykott angeschlossen. "Ich stehe bei der Bevölkerung und boykottiere diese Scheinwahlen, um die Illegitimität der Islamischen Republik und die Kluft zwischen dem repressiven autoritären Regime und dem Volk zu betonen", teilte sie in einer Erklärung aus dem Gefängnis mit.