IOC-Präsident Thomas Bach geht 2025 - und dann?
12. August 2024Thomas Bach wirkte gerührt, als er bei der Abschlussfeier im Stade de France die 33. Olympischen Sommerspiele der Neuzeit für beendet erklärte. Zum einen sicherlich, weil die Spiele in Paris außergewöhnlich gelungen waren, ein weltweit gefeiertes Fest des Sports. Zum anderen aber wohl auch, weil ihm in diesem Moment bewusst war, dass er letztmals als Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) einer solchen Feier vorstand. Es war das dritte Mal, dass Bach Sommerspiele für beendet erklärte. Dazu kamen drei Winterspiele, seitdem er 2013 in Buenos Aires zum neunten Chef des olympischen Dachverbands gewählt worden war. 2025 endet Bachs Amtszeit. Mehr als zwölf Jahre lässt die Olympische Charta seit 1999 nicht zu. Damit soll das IOC vor Korruption geschützt werden.
Bach: "Neue Zeiten brauchen neue Anführer"
Zahlreiche IOC-Mitglieder hatten Bach im vergangenen Jahr gedrängt, eine weitere Amtsperiode anzuhängen und dafür die Olympische Charta ändern zu lassen. Der IOC-Chef hatte sich zunächst bedeckt gehalten und gesagt, er werde sich erst nach Paris 2024 entscheiden. Am Samstag, dem vorletzten Tag der Spiele in der französischen Hauptstadt, verkündete Bach dann jedoch mit bewegter Stimme, dass er nicht weitermachen werde. Für das digitale Zeitalter "bin ich in meinem Alter nicht mehr der beste Kapitän. Neue Zeiten brauchen neue Anführer", sagte der 70-Jährige zum Ende der IOC-Generalversammlung. "Unserer Organisation hilft ein Führungswechsel am meisten." Die neue Chefin oder der neue Chef des IOC müsse tief in die digitale Welt eintauchen, so Bach. "Sonst kann man unsere olympische Bewegung nicht durch die hohen Wellen dieses Tsunamis steuern."
Manche empfanden diese Worte als Seitenhieb auf den Briten Sebastian Coe. Der einstige Weltklasse-Mittelstreckenläufer, Präsident des mächtigen Leichtathletik-Weltverbands World Athletics, ist 67 und damit nur drei Jahre jünger als Bach. In den vergangenen Jahren waren die beiden Funktionäre in einigen wichtigen Fragen unterschiedlicher Meinung. So beschloss das IOC auf Betreiben seines Chefs Bach, in Paris auch Aktive aus Russland und Belarus unter strengen Auflagen als "neutrale" Athletinnen und Athleten starten zu lassen - trotz des weiter andauernden russischen Angriffskriegs in der Ukraine. Coes Verband World Athletics lehnte dies jedoch ab und erhielt das strikte Startverbot aufrecht.
Für viele gilt Coe seit Langem als Kronprinz für den Posten des IOC-Präsidenten. "Natürlich werde ich darüber nachdenken", antwortete der Brite auf die Frage, ob er für den Posten des ranghöchsten Sportfunktionärs der Welt kandidieren wolle.
Erstmals eine Frau als IOC-Chefin?
Die Nachfolgerin oder der Nachfolger Bachs wird im kommenden Jahr bei der nächsten IOC-Generalversammlung in Athen (18. bis 21. März 2025) gewählt. Am 24. Juni 2025 wird die oder der Neue dann den Posten von Bach übernehmen. Möglicherweise rückt ja auch erstmals in der 130-jährigen Geschichte des IOC eine Frau an die Spitze der Organisation.
Als aussichtsreiche Kandidatinnen gelten die 60 Jahre alte IOC-Vizepräsidentin Nicole Hoevertsz von der niederländischen Karibik-Insel Aruba - oder auch die 40 Jahre alte Sportministerin von Simbabwe, Kirsty Coventry. Die frühere zweimalige Schwimm-Olympiasiegerin ist seit 2013 IOC-Mitglied und gehört seit 2023 zum Executive Board, einem Schlüsselgremium des IOC.
Weichen für die Zukunft gestellt
Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist, sagt der Volksmund. Wenn man dies als Kriterium anlegt, hat Thomas Bach den Zeitpunkt gut gewählt. Die Sommerspiele in Paris waren die ersten, die nach den Vorgaben der "Agenda 2020" ausgetragen wurden. Bach hatte die Reform-Agenda zu Beginn seiner Zeit als IOC-Chef angestoßen. Das Ziel: Die Spiele sollten wieder bescheidener und vor allem nachhaltiger werden. Der große Erfolg von Paris 2024 lässt Bach zufrieden abtreten.
Nach eigener Einschätzung hinterlässt er ohnehin ein bestelltes Feld. Bach verwies auf die Milliardenverträge mit Sponsoren und Medienpartnern, die bis weit ins nächste Jahrzehnt abgeschlossen seien. Bis 2034 sind Sommer- und Wintergastgeber für Olympia bereits ausgewählt. Und für die Spiele 2036 und 2040 gebe es bereits eine zweistellige Zahl an Bewerbern, sagte Bach.
Zu diesen Kandidaten, so verkündete Bundesinnenministerin Nancy Faeser während der Spiele in Paris, soll auch Deutschland gehören. Der Rückzug Bachs könnte die Chancen für eine deutsche Olympia-Bewerbung erhöhen, da dann niemand mehr über eine mögliche Bevorzugung durch einen deutschen IOC-Präsidenten spekulieren kann. "Wir werden nach den Spielen mit dem IOC in Lausanne sprechen und natürlich die Tipps und die Ratschläge abholen, wie wir das [eine Olympia-Kandidatur für 2036 oder 2040 - Anm. d. Red.] am besten gestalten", sagte Thomas Weikert, Chef des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB).
Für Bach gilt normale IOC-Altersgrenze nicht
Der scheidende IOC-Präsident Bach wird wohl auch in den kommenden Jahren im IOC bei wichtigen Entscheidungen an den Strippen ziehen. Die Altersgrenze für IOC-Mitglieder von 70 Jahren gilt für ihn nämlich nicht. Als das IOC im Jahr 1999 das Alterslimit beschloss, gestand es allen damaligen IOC-Mitgliedern zu, bis zum 80. Lebensjahr auf ihren Posten zu verbleiben. Bach gehörte damals schon zu dem illustren Kreis - der frühere Fecht-Olympiasieger war bereits 1991 ins IOC berufen worden. Er könnte also noch zehn weitere Jahre IOC-Mitglied bleiben.
In den USA wird ein Präsident, der noch im Amt ist, aber nicht zur Wiederwahl antritt, "lame duck" genannt. Eine "lahme" Ente wird Thomas Bach im IOC mit Sicherheit nicht sein.