Die Welt investiert verhalten in Afrika
30. Juni 2014"Erst kamen nur die Chinesen, Türken und Inder. Jetzt kommen so viel mehr Investoren: Europäer und Amerikaner investieren hier, weil sie unser großes Potenzial erkannt haben", freut sich Mulu Solomon in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba. Die Unternehmerin beobachtet den Einzug internationaler Investoren in ihr Land ganz genau. Bis vor Kurzem war Solomon Vorsitzende der äthiopischen Handelskammer in Addis Abeba. In dieser Funktion hat sie sich auch dafür eingesetzt, dass die Regierung Investoren den Weg nach Äthiopien erleichtert und Hemmnisse wie komplizierte bürokratische Vorschriften vereinfacht. Denn die Vorteile von Investitionen liegen für sie auf der Hand: "Arbeitsplätze entstehen, das Land wird in die Wertschöpfungskette eingebunden. Das sind große Vorteile." Sie nennt Beispiele aus der Textilindustrie: "Hier gibt es zum Beispiel ein einziges Unternehmen, das etwa 10.000 Angestellte hat. Eine andere Firma hat etwa 8000. Das ist eine große Chance für unseren Arbeitsmarkt.
Mehr Geld in den Süden, weniger in den Norden
Äthiopien gehört zu den afrikanischen Ländern, in die im vergangenen Jahr deutlich mehr ausländische Direktinvestitionen geflossen sind als im Vergleichsjahr 2012. Als Direktinvestition gilt es, wenn Geschäftsleute ihr Geld nicht nur als reine Vermögensanlage ins Ausland bringen, sondern mit dem Ziel, dort unternehmerisch tätig zu sein und Einfluss auf diese Tätigkeit auszuüben. Dazu zählen beispielsweise die Beteiligung an einem Unternehmen in einem anderen Land, die Eröffnung einer Betriebsstelle oder eines Tochterunternehmens dort.
Laut dem Welt-Investitionsbericht, den die UNCTAD am Dienstag (24.06.2014) veröffentlichte, verzeichnete Ostafrika in 2013 einen Zuwachs von 15 Prozent Direktinvestitionen, ein großer Teil davon floss nach Äthiopien und Kenia. Im afrikanischen Vergleich hat das südliche Afrika 2013 den höchsten Zuwachs an ausländischen Direktinvestitionen verzeichnet: fast doppelt so viel wie im Jahr davor. Die Lieblingsprojekte der Investoren: Infrastruktur in Südafrika und Mosambik.
Doch nicht alle Länder schneiden im UNCTAD-Bericht gut ab: Die anderen Subregionen auf dem afrikanischen Kontinent haben im Vergleich zum Vorjahr weniger ausländisches Investitionsgeld erhalten. Hauptsächlich führt die UNCTAD das auf politische Instabilität und Krisen zurück: Die Unruhen in Nordafrika machen sich hier ebenso bemerkbar wie die unsichere Situation im westafrikanischen Wirtschaftsriesen Nigeria und der Bürgerkrieg in der Zentralafrikanischen Republik.
Investoren suchen Stabilität
Gerade auf den Rückgang der Investitionen in Nordafrika führt Masakata Fujita von der UNCTAD auch das mäßige Abschneiden Afrikas im internationalen Vergleich zurück: Weltweit sind die Investitionen in Infrastruktur und Unternehmen um neun Prozent gestiegen, in ganz Afrika um vier Prozent. "Das ist weniger als der weltweite Durchschnitt. Aber dafür gibt es ja auch einen spezifischen Grund: Nordafrika leidet noch immer unter den geopolitischen Krisen dort."
Robert Kappel vom Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien (GIGA) bestätigt diese Einschätzung: "Investoren kommen nicht in Länder, in denen es Bürgerkriege oder politische Unruhen gibt. Aber sie gehen dorthin, wenn die Lage stabil ist." Investoren müssten darauf vertrauen, dass sie länger bleiben können. Langfristige Stabilität sei laut Kappel daher gefragt, um Investoren anzuziehen. Einige Länder hätten dafür in den letzten Jahren viel getan, zum Beispiel Ruanda und Uganda. "Auch die autoritären Regime Äthiopien und Angola haben es geschafft, durch ihre Stabilitätspolitik Investoren anzulocken, die auch in den industriellen Bereich gehen."
Verarbeitende Industrie und Dienstleistungen auf dem Vormarsch
Gerade der Bereich der verarbeitenden Industrie und auch die Dienstleistungen gewinnen bei den Direktinvestitionen in afrikanische Länder größere Bedeutung, während die Investitionen im Rohstoffsektor zurückgehen, erklärt Masakata Fujita von der UNCTAD. 2004 hätten die Investitionen im primären Sektor, zu denen auch die Förderung von Rohstoffen gehört, noch mehr als die Hälfte aller Investitionen in Afrika ausgemacht. Im aktuellen Bericht ist es nur noch ein Zehntel. "Das ist sehr ermutigend", so Fujita. "Verarbeitende Industrie und Dienstleistungen lassen Jobs entstehen und die Ländern an der Wertschöpfungskette teilnehmen – stärker als im primären Sektor."
Ein weiterer Trend, der sich im UNCTAD-Bericht abzeichnet: Auch die Investitionen von afrikanischen Staaten auf ihrem Kontinent nehmen zu. Führende Geldgeber: Südafrika, Angola und Nigeria. Doch auf diesen Erfolgen kann sich der Kontinent nicht ausruhen, mahnt Robert Kappel vom GIGA-Institut, denn der Nachholbedarf Afrikas sei groß: Straßen, Kommunikationsnetze und die Ausbildungssituation müssten vielerorts verbessert werden, um die Grundlagen für nachhaltige Investitionen zu schaffen, so Kappel. "Vor allem müssen auch die lokalen Unternehmen in ihren eigenen Ländern viel stärker investieren. Wenn die nämlich vorangehen, dann kommen auch zusätzliche ausländische Investitionen."