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Internationale Energieagentur sieht Comeback der Atomkraft

16. Januar 2025

Die Produktion von Atomstrom ist auf Rekordkurs - so die Prognose der Internationalen Energieagentur. Neue Reaktoren sollen ans Netz. Aber es gibt mehrere Probleme.

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China | Blick auf die Reaktorkuppeln des AKW-Zhangzhou (01.01.2025)
Neues Atomkraftwerk in Zhangzhou: China derzeit führendBild: Lin Shanchuan/Xinhua/IMAGO

Der weltweite Strombedarf steigt enorm - so gelten Rechenzentren für Künstliche Intelligenz als extrem energiehungrig, um nur ein Beispiel zu nennen. Doch angesichts der Klimakrise ist eine emissionsarme Versorgung gefragt. Deshalb sagt die Internationalen Energieagentur (IEA) in Paris eine Renaissance der Atomkraft voraus.

Die Stromproduktion aus der weltweiten Flotte von fast 420 Reaktoren wird nach Einschätzung der IEA in diesem Jahr einen neuen Rekordstand erreichen. Das hat eine jetzt veröffentlichte Studie der Energieagentur ergeben.

Stromerzeugung aus Atomkraft wächst

Insgesamt werde die Atomstromproduktion 2025 einen Umfang von rund 2900 Terawattstunden erreichen, prognostiziert die IEA. Dies bedeute einen Anteil von knapp zehn Prozent an der gesamten Stromproduktion. Im Jahr 2023 hatten Atommeiler der Energieagentur zufolge noch 2742 Terawattstunden erzeugt und 2024 nach vorläufigen Zahlen 2843.

In diesem Jahr werde die Produktion von Atomstrom "die höchste in der Geschichte sein", sagte IEA-Chef Fatih Birol der Nachrichtenagentur AFP. "Wir treten in eine neue Ära der Kernenergie ein."

Weltweit seien Reaktoren mit Kapazitäten in Höhe von 70 Gigawatt im Bau. Das Interesse an Atomkraft sei so groß wie seit der Ölkrise in den 1970er-Jahren nicht mehr. Über 40 Länder strebten nach einem Ausbau der Kernenergie, teilte die IEA mit. Zum Anstieg des Elektrizitätsbedarfs komme es nicht nur in klassischen Sektoren wie der Industrie, sondern auch in neuen Bereichen wie dem Betrieb von Elektroautos und Datenzentren.

Nachdem sich die Atomkraft nach dem GAU 2011 im japanischen Reaktorkomplex Fukushima international noch auf dem Rückzug befunden hatte, wird die aktuelle Entwicklung insbesondere von China angeführt. Von den 52 Reaktoren, mit deren Bau seit 2017 weltweit begonnen wurde, sind 25 chinesische Konstruktionen.

Fatih Birol in Paris (15.12.2023)
IEA-Chef Birol (Archivbild): "Neue Ära der Kernenergie"Bild: Sarah Meyssonnier/File Photo/REUTERS

"Die globale Geografie der Atomindustrie ändert sich", so IEA-Chef Birol. Seit 1970 sei die globale Atomindustrie von den USA und Europa dominiert worden. In Europa stammten in den 1990er-Jahren noch 35 Prozent des Stroms aus Atomkraft. Derzeit sind es weniger als 25 Prozent und in zehn Jahren wird ein Rückgang auf weniger als 15 Prozent erwartet. In den USA ist die Lage ähnlich.

Doch Japan nehme die Produktion wieder auf, in Frankreich seien die Wartungsarbeiten an AKW abgeschlossen und neue Reaktoren unter anderem in China, Indien und Europa gingen in Betrieb. Der Ausbau der Kernkraft stütze sich allerdings stark auf chinesische und russische Technik und Ressourcen wie Uran, was das Risiko künftiger Abhängigkeiten beinhalte, führt die IEA weiter aus.

Private Investoren nötig

China lege erheblich zu, während klassische Atomstromländer wie die USA und Frankreich mit Verzögerungen und Kostensteigerungen bei der Modernisierung ihrer AKW kämpften. Auch wenn die Kernkraft sich klassischerweise auf eine staatliche Finanzierung stütze, seien für einen schnellen Ausbau der Atomenergie zusätzlich private Investoren nötig, so die IEA. Ein schneller Ausbau bedeute, dass sich die Investitionen in Kernkraft bis 2030 weltweit auf rund 117 Milliarden Euro verdoppeln müssten.

Renaissance der Atomenergie in Europa?

Der IEA-Bericht befasst sich auch mit der nach wie vor in den meisten Staaten offenen Entsorgungsfrage. Nur wenige Länder haben bereits Standorte für Atommüll-Endlager gefunden. Konkrete Planungen zum Bau oder zur Erweiterung bestehender Endlager laufen laut IEA in Kanada, Schweden, Finnland, Frankreich und der Schweiz.

Aufgrund der wenigen Erfahrungen mit dem Rückbau von ausgedienten Meilern sei es zudem schwierig, die voraussichtlichen Kosten für die Stilllegung von Anlagen vorherzusehen. Die IEA geht davon aus, dass dafür 15 Prozent der Gesamtinvestition für ein AKW nötig sind.

Die Internationale Energieagentur wurde Mitte der 1970er-Jahre von 16 Industrienationen gegründet - als Reaktion auf die damalige Ölkrise. Die IEA gilt traditionell als eher atomfreundlich.

AR/sti (dpa, afp, IEA)