Intelligente Beete für gestresste Städter
9. Mai 2019Noch braucht es viel konventionellen Strom für all die Akkuschrauber, mit denen die Schüler der Waldorfschule in Bonn Tannenbusch in ihrer Gartenbau-Doppelstunde arbeiten. Zwischen Schulranzen und Blumenkübeln knien sie auf dem Boden des Pavillons in ihrem Schulgarten und verschrauben Holzleisten mit Leichtmetallträgern zu einem Hochbeet, das es in sich hat: Es soll sich nicht nur weitgehend selbst regulieren, sondern auch der Erforschung nachhaltigen urbanen Gärtnerns dienen.
Garten ohne Gärtner
Ausgerüstet mit viel umweltfreundlicher Technik wird das Hochbeet, wenn alles gut geht, seinem Gärtner allerlei Arbeit abnehmen. Das geht beim Gießen los: Regenwasser, das aufs Dach fällt, wird abgeleitet und in Tanks am Boden des Beetes gesammelt. Gleichzeitig messen Sensoren Boden-, und Luftfeuchtigkeit sowie die Temperatur des Beetes. Ein kleiner Computer, ebenfalls am Boden untergebracht, liest aus diesen Daten, wann das Beet Wasser braucht und schaltet dementsprechend eine Pumpe an, die das Regenwasser übers Beet verteilt. Muss ich als Gärtner also nur noch aussähen und dann mein Hochbeet an die Steckdose anschließen? Nicht mal das. Auf dem Dach wird ein Solarpanel angebracht, das die Elektronik im Boden mit Strom versorgt. Derweil halten Fliegengitter an den Seiten ungebetene Gäste fern. So soll das Beet einmal für Städter attraktiv werden, die zwar den Willen, aber nicht viel Zeit zum Gärtnern haben.
Kohlrabi im Stundenplan
Aber noch ist es nicht so weit. Die Schüler testen gerade noch ihre Heimwerkertalente beim Verschrauben der Außenwände. Schon Ende dieser Woche wollen sie unter der Leitung ihrer Gartenbau-Lehrerin Carmen Klein unter anderem Salat, Möhren, Mangoldt, Kohlrabi und einige Kräuter aussähen. Insgesamt werden rund 80 Jungen und Mädchen aus den Jahrgängen sechs bis acht an dem Projekt mitarbeiten. "Es geht darum, den Jugendlichen Zukunftsaufgaben nicht nur abstrakt sondern konkret zu vermitteln." sagt Klein. So werde Wassersparen durch wärmeres Klima immer wichtiger. Zu Hause angebautes Essen mache außerdem Fahrten zum Supermarkt überflüssig und senke so den CO2 Ausstoß. Jedoch geht es nicht nur um den Lerneffekt für die Kinder im Bonner Westen.
Forschung zum Klimaschutz
Das Hochbeet ist nämlich Teil des Forschungsprojektes SAIN (Städtische Agrikultur – Innovation Entwickeln), das das Bundesministerium für Bildung und Forschung mit 400.000 Euro fördert. Angelegt ist es als "Citizen-Science-Projekt", das die Bürger von Anfang an in den Forschungsprozess einbezieht. Im Rahmen dieses Projektes ist geplant, dass die Schüler bis zur Ernte des letzten Mangoldts im Oktober mehrmals pro Woche Arbeitsaufwand, Wasserverbrauch und Ertrag des neuen Beetes protokollieren. Gleichzeitig entstehen zwei weitere intelligente Hochbeete in Bonn und Oberhausen, bei denen die gleichen Daten erhoben werden. Die Unterlagen, auf denen die Daten protokolliert werden, hat das Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik entworfen. Die SAIN-Forschung wird koordiniert vom Wila (Wissenschaftsladen Bonn), einem Verein, der sich um mehr Vernetzung von Forschung und Gesellschaft bemüht. Gemeinsam wollen Fraunhofer und Wila die Daten aus Bonn und Oberhausen nutzen, um bessere Lösungen für den innerstädtischen Anbau von Lebensmitteln zu erforschen. Gartenbau-Lehrerin Klein hat dabei nicht nur deutsche Stadtbewohner im Blick, sondern hält auch den Einsatz des Beetes in Entwicklungsländern für möglich.
Für Kleins Achtklässler steht derweil Anderes im Vordergrund. Mona und Elena schätzen den Hochbeetbau vor allem als "coole Abwechslung" zum sonstigen Unterricht. Die beiden 14-Jährigen haben zwar im Physikunterricht den Klimawandel besprochen, aber beim Gartenbau muss die Theorie erstmal warten. Hier wollen sie erstmal "einfach machen".