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Deutsche Industrie kommt wieder in Schwung

6. August 2020

Gute Nachrichten aus der Wirtschaft sind derzeit rar - hier ist eine: Die deutsche Industrie hat im Juni wieder deutlich mehr Aufträge eingesammelt. Schlechte Nachricht: Rückschläge sind nicht ausgeschlossen.

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Der Wandel der Arbeitswelt in der Autoindustrie
Bild: picture-alliance/dpa/O. Spata

Die Auftragsbücher der deutschen Industrie füllen sich nach dem Ende der harten Corona-Beschränkungen in Rekordgeschwindigkeit. Die Bestellungen stiegen im Juni um 27,9 Prozent im Vergleich zum Vormonat, wie das Bundeswirtschaftsministerium am Donnerstag mitteilte. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Volkswirte hatten nur mit einem Plus von 10,1 Prozent gerechnet. Im Mai hatte es bereits ein Plus von 10,4 Prozent gegeben, das allerdings auf einen Einbruch von 26,1 Prozent im April folgte.

Die Erholung komme "einen großen Schritt voran", betonte das Ministerium. Die Auftragseingänge hätten bereits wieder ein Niveau von 90,7 Prozent der Bestellungen vor Ausbruch der Pandemie im vierten Quartal 2019 erreicht. "Allerdings hinken die Aufträge aus dem Ausland der Entwicklung im Inland hinterher", so das Ministerium. "Dies zeigt auf, warum der weitere Erholungsprozess langsamer voranschreiten wird." Die Aufträge aus Deutschland kletterten im Juni um 35,3 Prozent, die aus dem Ausland um 22,0 Prozent. Dabei legten die Aufträge aus der Euro-Zone um 22,3 Prozent zu, die aus dem restlichen Ausland um 21,7 Prozent.

Das Bruttoinlandsprodukt ist wegen der Maßnahmen im Kampf gegen die Ausbreitung der Corona-Pandemie im zweiten Quartal in Rekordtempo eingebrochen. Es fiel um 10,1 Prozent niedriger aus als im Vorquartal. Für das laufende Sommerquartal rechnen die meisten Experten aber mit einer deutlichen Belebung.

Aufholjagd bekommt Schwung

Den kräftigsten Anstieg gab es in der Automobilindustrie mit einem Plus von 66,5 Prozent zum Vormonat. Trotzdem liegen die Aufträge noch um 12,2 Prozent niedriger als im Februar.

Auch die Hersteller von Investitionsgütern verzeichneten einen kräftigen Anstieg um 45,7 Prozent. Im Bereich der Konsumgüter lag der Zuwachs nur bei 1,1 Prozent.

"Hoppla! Jetzt bekommt die konjunkturelle Aufholjagd mächtig Schwung", lautet das Urteil von Jens-Oliver Niklasch von der LBBW. Der Wert läge so deutlich über den Erwartungen, "dass man da schon fast von einem echten Durchbruch reden kann. Natürlich gelten die üblichen Vorbehalte bezüglich eines zweiten Lockdowns, aber diese Zahl macht wirklich Mut für die Konjunktur im zweiten Halbjahr."

Für Ralph Solveen von der Commerzbank untermauert das die Erwartung, dass die deutsche Wirtschaft im dritten Quartal nach dem Einbruch im zweiten Quartal wieder deutlich zulegen wird. "Allerdings ist der Abstand zur 'Normalität' immer noch beträchtlich, und wir gehen davon aus, dass es noch eine beträchtliche Zeit dauern wird, bis die deutsche Wirtschaft den coronabedingten Einbruch vollständig wettgemacht hat."

Auch Bastian Hepple vom Bankhaus Lampe verweist auf einen "steinigen Weg bis zum Gipfel. Die Corona-Krise ist noch nicht bewältigt, so dass konjunkturelle Unsicherheiten hoch bleiben und Rückschlaggefahren drohen." Viele Unternehmen würden in den kommenden Monaten weiter um ihr Überleben kämpfen, da coronabedingte Umsatzausfälle nicht aufgeholt werden und es ohne weitere staatliche Hilfszahlungen schwierig bleiben werde.

Skeptischer Industrieverbands-Präsident

Der Industrieverband BDI erwartet wegen der weiter schweren Folgen der Corona-Krise allerdings keine schnelle Erholung der Wirtschaft. "Ohne mehr und zielgerichtetere Hilfen befürchten wir einen deutlichen Anstieg der Insolvenzen ab Herbst", sagte Industriepräsident Dieter Kempf der Deutschen Presse-Agentur. "Die Liquidität muss verbessert werden, die Firmen brauchen Eigenkapital. Das kann zu einem großen Problem werden, wenn nicht gegengesteuert wird. Die Unternehmen sind sehr stark bankenfinanziert." Kempf sagte, er teile den Optimismus von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) nicht, dass es im Oktober wieder aufwärts gehe. "Ich gehe davon aus, dass es deutlich länger dauert." Das Wachstum werde 2021 und möglicherweise auch 2022 noch verhalten sein, wobei dies von Branche zu Branche unterschiedlich sei: "Aber einen Aufschwung im Herbst 2020 sehe ich beim besten Willen nicht." Altmaier rechnet damit, dass im Herbst die Wirtschaft in der ganzen Breite der Wirtschaft wieder wächst. "Es gibt Anzeichen für eine wirtschaftliche Erholung», sagte Kempf. «Die Grundstimmung in der Wirtschaft ist aber nach wie vor nicht gut."

hb/bea (rtr,afp,dpa)