Indonesien: Sorge vor zunehmender Wahlmüdigkeit
28. November 20241550 Kandidaten für Führungsposten in über 500 Bezirken und Städten: Die Regionalwahlen in Indonesien waren ein logistisch anspruchsvoller Akt.
Dieses Mal fanden die Wahlen zeitlich gebündelt statt: Erstmals wurden die Regionalgouverneure, Direktoren von Verwaltungsregionen und Bürgermeister im gesamten Land an ein und demselben Tag gewählt. Die Auszählung der Stimmen dürfte bis voraussichtlich Mitte Dezember dauern.
Im weithin dezentralisierten politischen System Indonesiens spielen diese Beamten eine enorme Rolle. So sind sie etwa für die Bereitstellung lokaler öffentlicher Dienste und die Abwicklung regionaler Regierungs- und Haushaltsentscheidungen verantwortlich.
Angesichts der turbulenten Präsidentschafts- und Parlamentswahlsaison zu Beginn des Jahres fürchten die Wahlbeamten nun aber, bei der Bevölkerung könnte eine gewisse Wahlmüdigkeit Einzug halten. Die Bürgerinnen und Bürger, so die Sorge, könnten der andauernden Wahlen überdrüssig werden.
Einer Umfrage der Forschungsorganisation Litbang Kompas von Ende Oktober zufolge waren etwa 43 Prozent der Befragten in der bevölkerungsreichen Region Zentraljava noch unentschlossen, ob sie sich an den Regionalwahlen beteiligen würden oder nicht.
Daten der indonesischen Allgemeine Wahlkommission (KPU) bestätigen diesen Trend: Demnach lag die Wahlbeteiligung bei den Präsidentschaftswahlen im Februar, aus denen Prabowo Subianto als Sieger hervorging, unter 82 Prozent. Das ist exakt der Prozentsatz, den die Kommission als Mindestwert für die Regionalwahlen festgesetzt hat.
Müdigkeit nach Wahlserie?
Eine der größten Herausforderungen bei den bevorstehenden Regionalwahlen sei die Erschöpfung der Bevölkerung, erklärte Idham Holik von der KPU. "Dies ist ein wichtiges Thema, das wir angehen müssen", zitiert ihn die Nachrichtenagentur Antara. "Tritt eine solche Situation ein, droht eine geringere Beteiligung. Gleichzeitig haben wir den Auftrag, die Wahlbeteiligung zu erhöhen."
Bis zu einem gewissen Grad könnte manche es sogar vermeiden wollen, politische Nachrichten zur Kenntnis zu nehmen. Dem könnte dann ein Verzicht auf Teilnahme an den Wahlen folgen, fürchtet Holik. Dies wiederum könnte Fragen zur Legitimität der Wahlergebnisse aufwerfen.
"Junge Menschen sind von den politischen Diskussionen der letzten Wahl teils ermüdet. Und in diesem Zustand werden sie nun mit Regionalwahlen konfrontiert. Das lässt sie zögern, Informationen zu den Regionalwahlen zu suchen", hieß es kurz vor den Wahlen seitens des mit Wahl- und Demokratieforschung befassten indonesischen Thinktanks Perludem.
Zum geringen öffentlichen Interesse hätten auch Unterschiede in der politischen Bildung, beim Zugang zum Internet und Informationen in verschiedenen Regionen beigetragen. Für viele Wähler sei es zudem schwierig, Informationen zu den Programmen der einzelnen Kandidaten zu erhalten. Das könne sich negativ auf die Wahlbeteiligung auswirken.
Das das Engagement in der Bevölkerung abnimmt, könnte auch an der Gewohnheit der politischen Parteien liegen, Kandidaten zu nominieren, ohne auf die Wünsche der Bevölkerung zu achten, sagt Trubus Rahadiansyah von der Trisakti-Universität in Jakarta.
Viele der bei den Regionalwahlen angetretenen Kandidaten seien der Öffentlichkeit unbekannt und könnten von den Wählern darum als bloße Vertreter der zentralen Elite wahrgenommen werden.
Bedeutung der Regionalwahlen
Das abnehmende Interesse lässt sich auch daran ablesen, dass die Regionalwahlen nicht mit dem gleichen Enthusiasmus aufgenommen wurden wie die Präsidentschaftswahlen einige Monate zuvor.
Roni, ein Bürger aus Bogor in West-Java, konnte nicht einmal den genauen Monat der Regionalwahlen 2024 nennen. "September?", antwortete er, als ein DW-Reporter ihn nach dem Datum fragte.
Für die Studentin Sofi, die ihren Lebensunterhalt derzeit aus einem Stipendienprogramm der Regierung von Jakarta bezieht, geht es bei den Regionalwahlen nicht allein darum, die regionale Regierung zu wählen.
Ihre größte Sorge ist sehr konkret: Die nächste Regierung könnte das Stipendienprogramm abschaffen. Diese Unsicherheit darüber war der Hauptgrund, weshalb Sofi bis wenige Tage vor der Wahl noch keine Entscheidung getroffen hatte.
"Wenn sich die Regelungen bezüglich der Stipendien ändern, wird das mein Leben erheblich beeinflussen", sagt Sofi im Gespräch mit der DW.
Für junge Menschen wie Roni und Sofi geht es bei Regionalwahlen um mehr als nur um die Abgabe einer Stimme. Die Ergebnisse können ihr Leben zumindest für die kommenden fünf Jahre erheblich beeinflussen.
Dem Think Tank Perludem zufolge wirken sich die politischen Entscheidungen in den Regionen direkt auf die Einwohner aus. So etwa werden die Höhe des Mindestlohns in den Provinzen und den Städten (UMK) von den jeweiligen Regionalregierungen beschlossen.
Ähnlich sieht es der Politologe Rahardiansyah. Die in den Regionalregierungen getroffenen Entscheidungen wie etwa die zur Lebensmittelsicherheit hätten zum Teil unmittelbare Auswirkungen auf das Leben der Menschen. "So etwa können einige regionale Regelungen jungen Menschen es ermöglichen, anständige Arbeitsplätze zu erhalten."
Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp.