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Bochum und die Krise

15. Mai 2009

Viele deutsche Städte haben mit akuten Geldproblemen zu kämpfen. Wegen anhaltender Turbulenzen in der Weltwirtschaft brechen ihnen vor allem bei der Gewerbesteuer die Einnahmen weg. Eine Bestandsaufnahme in Bochum.

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Industriebrache in Bochum (Foto: DW)
Industriebrache in BochumBild: Frank Gazon

Wer durch Bochum fährt, bemerkt schnell die vielen Industriebrachen, graue verfallene Überbleibsel aus besseren Zeiten. Auch viele Straßen und öffentliche Gebäude zeigen deutlichen Renovierungsbedarf. Ganz zu schweigen von der geradezu baufälligen Ruhruniversität. Tiefe Schlaglöcher und bröckelnde Fassaden laden nicht gerade zum Flanieren ein.

Dennoch hinterlässt die Ruhrgebietsmetropole nicht den Eindruck von Stillstand. Der angestrebte Wandel von der Bergarbeiterstadt zum Zentrum für neue Technologien und Exportwirtschaft ist deutlich zu spüren. So haben sich in den letzten Jahren in den umliegenden Industriegebieten viele neue Unternehmen angesiedelt. Auch die Innenstadt ist wesentlich attraktiver geworden.

Die Krise ist bei den Verbauchern angekommen

Trotzdem überwiegt in den Köpfen vieler der rund 380.000 Bochumer eine negative Stimmung. Fragt man die Menschen auf der Straße nach ihren persönlichen Eindrücken von der Wirtschaftskrise, erhält man häufig Antworten wie diese: "Das spürt man ganz schön, wenn man Einkaufen geht. Die Leerstände in vielen Läden sind erschreckend."

Manfred Busch, Stadtkämmerer von Bochum (Foto: DW)
Manfred Busch, Stadtkämmerer von Bochum, macht sich ernsthaft SorgenBild: Frank Gazon

Weniger aus dem Bauch heraus, als viel mehr durch nackte Zahlen belegt, ist hingegen das Unwohlsein von Manfred Busch. Der 54-Jährige hat die in diesen Zeiten unangenehme Aufgabe des Stadtkämmerers. Dementsprechend düster fällt seine finanzielle Bestandsaufnahme aus: "Die Einnahmeausfälle aufgrund der allgemeinen Wirtschaftskrise sind beträchtlich. Wir haben unsere Gewerbesteuererwartung von 170 auf 127 Millionen Euro reduziert." Außerdem sei längst nicht sicher, das diese auch eingehalten werden könne, schließlich seien weitere Einnahmekürzungen von der Landesebene zu erwarten, gibt er zu bedenken.

Wenig Linderung durch das Konjunkturpaket

Und das alles in Zeiten, in denen auf der Stadt allein an öffentlichen Gebäuden und Einrichtungen ein Sanierungsbedarf von 350 Millionen Euro lastet. Die 44 Millionen Euro aus dem Konjunkturpaket des Bundes sind da nur eine kleine Hilfe. Das Defizit belastet den Kämmerer auch, weil Bochum 2010 Teil der Kulturhauptstadt Europas ist. "Das ist ein ganz katastrophaler Rückschlag für das Ruhrgebiet und eine Blamage ohnegleichen, wenn wir einerseits den Titel Kulturhauptstadt 2010 bekommen aber andererseits aufgrund der landesrechtlichen Vorgaben die Projekte nicht umsetzen können", klagt er.

Diese Situation könnte sich noch verschlechtern, wenn einer der wichtigsten Arbeitgeber der Stadt, das Opelwerk, seine Tore schließen müsste, prophezeit Busch weiter. Neben dem Verlust der rund 5000 Arbeitsplätze bei Opel rechnet der Kämmerer im Falle einer Werksschließung mit bis zu 30.000 weiteren Beschäftigten im vor- und nachgelagerten Bereich, die auf der Straße stünden. "Das ist absolut nicht zu kompensieren durch irgendeine Wirtschaftspolitik vor Ort oder des Landes", macht er deutlich.

Viel hängt von Opel ab

Tilmann Neinhaus von der IHK (Foto: DW)
Sieht alles nicht ganz so schwarz: Tilmann Neinhaus von der IHKBild: Frank Gazon

Das Überleben des Opelwerkes ist für die ehemalige Bergarbeiterstadt von zentraler Bedeutung. Diese Meinung teilt auch der Hauptgeschäftsführer der Industrie und Handelskammer (IHK) mittleres Ruhrgebiet, Tilmann Neinhaus. Darüber hinaus sieht der Vertreter der Bochumer Unternehmerschaft aber weitere wichtige Baustellen: "Der Schuh drückt erstens bei den Auftragseingängen und zweitens bei der Finanzierung", erklärt Neinhaus. Allerdings seien nicht alle Branchen gleichermaßen betroffen, das zeige eine aktuelle Unternehmensumfrage der IHK. Neinhaus warnt vor übertriebener Schwarzmalerei. Was man jetzt brauche, sei eine "Blutauffrischung für die Region". Und genau da sieht der IHK-Hauptgeschäftsführer den berühmten Silberstreif am Horizont: "Der Mut zur Existenzgründung ist ungebrochen."

Autor: Frank Gazon

Redaktion: Kay-Alexander Scholz