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Im Schatten des Mondes

Marcus Bösch20. August 2002

Die Charts sind voll damit: Neue Versionen altbekannter Hits. Den Interpreten bieten solche Coverversionen eine Chance auf schnellen Ruhm. Einmal erlangt, ist dieser allerdings oft nur von kurzer Dauer.

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Gerne gecovert: "Moonlight Shadow" von Mike Oldfield

Im Auto, im Badezimmer und an der Supermarktkasse: "...carried away by a moonlight shadow". Aus den Radios dieser Welt schallt im Moment eine weitere altbekannte Melodie im neuen Gewand. "Das kenn` ich doch. Da war doch was. Nee? Doch! Das Original war auf jeden Fall besser." So oder so ähnlich mag der Popmusikfreund denken, der schon 1983 zu Mike Oldfields Hit "Moonlight Shadow" schwofte.

Novus wie neu

Die aufgefrischte Version des Popklassikers läuft derweil im Radio 'rauf und 'runter. Ein DJ mit dem programmatischen Namen Novus (lat. "neu") hat die romantische Ballade wiederentdeckt und neu produziert. Kein Einzelfall. In den vergangenen Monaten waren zeitweilig acht Titel der deutschen Top Ten zweitverwertet, sprich "gecovert". Mit dabei Originale der Bee Gees (I.O.I.O), von Patti Smith ("Because the night") oder eben von Mike Oldfield.

Während mancher nun das Radio in nostalgischer Erinnerung lauter dreht oder entrüstet den Sender wechselt, drängen sich Fragen auf: Warum gibt es so unglaublich viele Coverversionen? Fällt den Bands, den Produzenten und DJs nichts neues mehr ein? Marc Pendzich hat Antworten darauf. Seit 1994 beschäftigt sich der Komponist und Musikwissenschaftler aus Hamburg wissenschaftlich mit dem Thema. Der 31-jährige Experte schreibt auch die erste Doktorarbeit zum Thema "Coverversionen".

Covern wie die Beatles

"Coverversionen sind ein Symptom dafür, dass heutzutage kein oder nur noch kaum Künstleraufbau betrieben wird", sagt Pendzich im Gespräch mit DW-WORLD. "Inzwischen ist es der Song, der einen Act als Anhängsel mit in die Charts bringt", stellt der Wissenschaftler fest. Und das Prinzip "Coverversion" rechnet sich. Schließlich kurbeln die "neuen" Versionen neben den Plattenverkäufen der "Cover-Bands" auch die der Originalkünstler noch einmal an.

Trotz der relativ neuen Coverversionenflut in den Charts, ist das Phänomen keineswegs eine Entwicklung der letzten Jahre. "In der Frühzeit der Rock- und Popmusik war die Coverversion absolut üblich", erklärt Pendzich. Die frühen Beatles spielten beispielsweise nahezu ausschließlich Coverversionen von Rythm´n Blues und bereits bekannten Rock´n Roll Stücken. Neben einem gewissen Reiz bei der Auseinandersetzung mit bereits bestehendem musikalischen Material ging es jedoch auch damals hauptsächlich um den wirtschaftlichen Aspekt.

Kurzlebige Künstlerkarrieren

Während die Coverversion in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts meist nur den Karrierestart erfolgreicher Musiker vereinfachte, steht das Phänomen heute meist für kurzlebige Künstlerkarrieren. Die Stars und Sternchen mit ihren - mehr oder minder kreativen - "Plagiaten" sind nahezu austauschbar geworden. Eine Fan-Gemeinschaft kann ein Künstler jedoch nur mit beständiger Kreativität aufbauen. Wem dies mißlingt, von dem wendet sich das Publikum bald gelangweilt ab.

Diese Gefahr droht vielleicht auch DJ Novus und seinem Projekt Groove Coverage. Vorerst dürfte er daran jedoch kaum denken. Seine Version von "Moonlight Shadow" hat in Europa eingeschlagen wie eine Bombe. Im Moment steht der Hit auf Platz 4 der deutschen Charts, genau wie das Original vor 19. Jahren. Die Single von Mike Oldfield fehlt übrigens in der Plattensammlung von DJ Novus. Auf die Idee zur Coverversion brachte ihn ein Lied von Juliane Werding. Es war die deutsche Coverversion von "Moonlight Shadow": "Nacht voll Schatten".