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South Stream soll Gas aus Russland nach Europa bringen

7. August 2009

Russland und die Türkei sind handelseinig. Die Gaspipeline "South Stream" kann durch türkisches Gebiet führen. Booten die Russen damit das Europäische Pipeline-Projekt "Nabucco" aus? Bernd Riegert kommentiert:

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Symbolbild Kommentar DW
Bild: DW

Russland und die europäischen Abnehmerstaaten liefern sich ein unerbittliches Wettrennen beim Bau von Gaspipelines am Schwarzen Meer. So könnte es scheinen nach dem Vertragsabschluss des russischen Chefverkäufers und Ministerpräsidenten Wladimir Putin mit dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan. Doch das ist nur die halbe Wahrheit.

Für beide Pipelines, sowohl die russische South Stream als auch die europäische Nabucco-Leitung, gibt es Bedarf, denn der Gashunger der Kunden in Europa wird in den nächsten Jahrzehnten ansteigen. Politisch und wirtschaftlich gesehen ist Russland allerdings mit seinem Projekt im Moment im Vorteil. Die Russen werden früher anfangen zu bauen und sie können die geschätzten 20 Milliarden Euro Baukosten mit ihrem Staatskonzern Gazprom leichter aufbringen. Die EU-Pipeline Nabucco baut ein privates Konsortium für rund 10 Milliarden Euro. Nabucco muss am Ende wirtschaftlich arbeiten, während Gazprom zunächst auch riesige Verluste in Kauf nehmen kann.

Bernd Riegert

Europäische Staaten haben eigene Interessen

An beiden Gasleitungsprojekten sind europäische Staaten, wie Griechenland, Italien, Bulgarien und Österreich sowie die Türkei beteiligt. Das zeigt zwei Dinge: Bei der Energiesicherheit ist sich jeder selbst der nächste. Ein einheitliches EU-Vorgehen ist nicht zu erkennen und es ist auch nicht gewollt, denn die Energieversorgung fällt in die Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten. Von einer einheitlichen Energiepolitik gegenüber dem größten Lieferanten Russland ist die Europäische Union noch weit entfernt, denn die 27 Mitgliedsstaaten sind sich nicht einig, was sie eigentlich wollen.

Die baltischen Staaten und Polen, Tschechien und die Slowakei wollen nach ihren Erfahrungen im ehemaligen Ostblock jedwede Abhängigkeit von Russland vermeiden. Italien, Griechenland und Österreich sind hingegen treue Partner der Russen in Energiefragen. Die größte Gruppe in der EU, zu der Deutschland und Frankreich zählen, sind willige Kunden, die wissen, dass sie noch lange vom russischen Gashahn abhängig sein werden.

Viele Transportwege, wenige Quellen

Im Prinzip ist es richtig, dass mit North Stream in der Ostee, South Stream und Nabucco im Süden Alternativen zu den bisherigen Leitungen durch die Ukraine und Weißrussland entstehen. Verlierer ist zunächst vor allem die Ukraine, die ihren Status als wichtiges Transitland an die Türkei verlieren wird.

Eine Schlüsselrolle im großen Gas-Krimi spielt die Kaukasus-Region. Wichtige Gas- und auch Erdölleitungen, gebaut mit US-amerikanischer Hilfe, verlaufen durch Georgien, das sich ja im Dauerstreit mit Russland befindet. Ohne ein stabiles Georgien, Aserbaidschan und Armenien können weder South Stream noch Nabucco richtig funktionieren. Und noch wichtiger als die Frage der Trassenführung, ist die Frage der Gaslieferanten. Wer soll denn das Gas für die Pipelines liefern? Russland und die EU bemühen sich um zentralasiatische Staaten, vor allem Turkmenistan, den Irak und Iran als Lieferanten. Da herrscht die eigentliche Konkurrenz.

Russland fördert auf seinen eigenen Feldern nicht genug, um die Lieferverträge erfüllen zu können und braucht deshalb neue Quellen. Die Europäische Union bemüht sich auch um verstärkte Lieferungen aus dem Mittelmeerraum und Norwegen, auch hier braucht man noch neue Transportwege.

Um Energiesicherheit zu schaffen, müsste die EU auch ihre Hausaufgaben auf eigenem Territorium machen. Europa braucht dringend Nord-Süd-Pipelines und West-Ost-Pipelines, um Lieferengpässe durch den Gastransport zwischen den Mitgliedsstaaten ausgleichen zu können.

Russen als Partner?

Frankreich plädiert dafür, die Russen nicht nur als Konkurrenz zu sehen, die man unbedingt aus dem europäischen Markt heraushalten müsse, was gar nicht funktioniert. Vielmehr sollten die EU, Russland und die Türkei sämtliche Pipelines gemeinsam betreiben. Glückliche Gewinnerin ist dank ihrer geostrategischen Lage im Moment die Türkei. Sie wird wichtigstes Transitland und ist über die dritte Pipeline Blue Stream noch einmal direkt mit Russland verbunden. Die Türkei konnte auch gar nicht anders, als die Verträge mit Putin zu unterzeichnen, schließlich liefert Russland Zwei Drittel des Gases für den türkischen Markt und besitzt damit nahezu ein Liefermonopol.

Autor: Bernd Riegert

Redaktion: Andreas Ziemons