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Optimismus bei Unternehmen kehrt zurück

27. Juli 2020

Trotz wieder steigender Infektionszahlen und der Angst vor einer zweiten Corona-Welle hellt sich die Stimmung in den Chefetagen der deutschen Wirtschaft weiter auf. Für eine Entwarnung ist es jedoch zu früh.

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Coronavirus -  Deutschland Wirtschaft Konjunktur Produktion
Bild: picture-alliance/dpa/F. Kästle

Der Ifo-Geschäftsklimaindex für Juli legte auf 90,5 Zähler von 86,3 Punkten im Juni zu, wie das Münchner Ifo-Institut am Montag mitteilte. Es ist der dritte Anstieg in Folge. "Die deutsche Wirtschaft erholt sich schrittweise", sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest. Die vom Institut befragten Manager schätzten die Geschäftsaussichten und auch die aktuelle Lage ihrer Unternehmen günstiger ein als im Vormonat.

Die deutlich verbesserte Stimmung verspricht im Sommerquartal eine Rückkehr zum Wachstum. "Das ist ein guter Start ins dritte Quartal", sagte Ifo-Konjunktur-Experte Klaus Wohlrabe der Nachrichtenagentur Reuters. "Der Optimismus kommt so langsam wieder zurück." Für das dritte Quartal gehe das Ifo-Institut von einem Wirtschaftswachstum von 6,9 Prozent aus, nach einem voraussichtlich zweistelligen Rückgang im zweiten Quartal.

Überraschend gut laufe die Binnenwirtschaft, sagte Wohlrabe. "Einzelhändler und Großhändler berichten von deutlich besseren Geschäften." Das gelte vor allem für Baumärkte, Möbelhäuser und Unterhaltungselektronik: "Der Konsument ist schon vorgeprescht mit Einkaufen, die Industrie hinkt noch ein bisschen hinterher." Dafür habe eventuell auch die von Juli bis Jahresende befristete Mehrwertsteuersenkung einen Impuls gegeben.

Für die exportorientierte deutsche Volkswirtschaft ist die Pandemie eine große Herausforderung
Für die exportorientierte deutsche Volkswirtschaft ist die Pandemie eine große HerausforderungBild: picture-alliance/dpa/G. Wendt

Düstere BIP-Zahlen am Donnerstag erwartet

Die Industrie brauche ein bisschen länger, um aus der Krise zu kommen. Während die Zuversicht steige, werde die aktuelle Lage weiter deutlich unterhalb des langfristigen Mittelwertes eingeschätzt. "Da ist noch einiges an Nachholbedarf", sagte Wohlrabe. Deutlich verbessert hätten sich die Erwartungen der Automobilhersteller: "Man ist zuversichtlich, dass man in der nächsten Zeit deutlich mehr Autos verkaufen kann." Der Maschinenbau hingegen sei "noch ein bisschen das Sorgenkind".

Wichtige Konjunkturbarometer zeigten zuletzt wieder Wachstum an. Die Erholung folgt auf einen beispiellosen Konjunktureinbruch im Frühjahr. Ökonomen gehen davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal um mindestens 9,0 Prozent geschrumpft ist. Die Zahlen veröffentlicht das Statistische Bundesamt am kommenden Donnerstag.

Für den Geschäftsklimaindex befragt das Institut monatlich rund 9000 Unternehmen. Dabei werden sie gebeten, ihre gegenwärtige Geschäftslage zu beurteilen und ihre Erwartungen für die nächsten sechs Monate einzuschätzen. Im April war der Index auf ein historisches Tief von 74,2 Punkten gestürzt und hatte sich dann im Mai angesichts der Lockerungen in der Corona-Krise bereits wieder etwas erholt, im Juni dann einen Sprung gemacht. Im Juli kletterte der Index nun um 4,2 Punkte.

"Für jedwede Entwarnung zu früh"

"Wie die Erholung weitergehen wird, hängt maßgeblich vom Infektionsgeschehen ab", betonte der Chef der Wirtschaftsweisen, Lars Feld, im Gespräch mit dem Handelsblatt. Wenn die Zahlen der Neuinfektionen stark steigen würden, könnten erneute Lockdowns die Erholung bremsen. "Was mich nachdenklich stimmt, sind die härteren Maßnahmen etwa in der Schweiz, Österreich und Frankreich, wo die Öffnung teilweise zurückgenommen wird", sagte Feld. Wirklich besorgniserregend sei aber die Entwicklung in den USA, wo der Kongress angesichts einer Welle von Neuinfektionen gerade ein neues Corona-Hilfspaket schnürt. Die Folgen der Corona-Krise in den Vereinigten Staaten könnten auf die Exportwirtschaft durchschlagen, erklärte der Freiburger Ökonom: "Ich rate deshalb weiter zur Vorsicht bei Konjunkturprognosen."

"Die Erholung schreitet voran, doch es ist weiterhin Sand im Getriebe", urteilt Andreas Scheuerle von der Deka-Bank. Darauf deute die nur zähe Verbesserung bei der Lagebeurteilung in den letzten Monaten hin. "Die Produktionstätigkeit wird Stück für Stück wieder hochgefahren, aber infolge der Gesundheitsschutzmaßnahmen, des Kostendrucks und der geschwächten globalen Nachfrage lässt die Normalität noch auf sich warten."

Für Thomas Gitzel von der VP-Bank spricht der dritte Anstieg in Folge für eine wirtschaftliche Trendwende. "Im zweiten Halbjahr werden wieder positive Wachstumsraten zu vermelden sein. Der wirtschaftliche Tiefschlag ist vorerst beendet." Trotz der wirtschaftlichen Aufhellung solle man Demut walten lassen. "Solange kein Impfstoff verteilt wird, kann sich die globale Konjunktur nicht nachhaltig erholen."

Fritzi Köhler-Geib von der Kfw-Bank prognostiziert ein außergewöhnlich kräftiges Wachstum des Bruttoinlandsprodukts im dritten Quartal, "das allerdings, nachdem die Wirtschaft im Frühling infolge der Corona-Maßnahmen historisch kollabiert war." Für jedwede Entwarnung sei es aber zu früh: "Das Vorkrisenniveau bleibt noch auf absehbare Zeit in weiter Ferne, und das unverändert heftige Wüten der Pandemie in großen Teilen der Welt ist ein enormes Risiko für die Exportnation Deutschland."

hb/bea (rtr,afp)