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Ayman Nour

23. März 2009

Ägyptens Politiker Ayman Nour wurde 2005 nach der Präsidentschaftswahl unter dem Vorwand der Wahlmanipulation inhaftiert und kam im Februar 2009 frei. Im Interview spricht er über die Zukunftsperspektiven seiner Partei.

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Ayman Nour, Foto: dpa
Ayman Nour wurde im Februar 2009 nach drei Jahren Gefängnis freigelassen - aus gesundheitlichen Gründen, wie es offiziell aus Justizkreisen hießBild: AP

Herr Nour, nach Meinung vieler Journalisten und politischer Beobachter ist Ihre Freilassung die Folge des US-amerikanischen Drucks auf die ägyptische Regierung. Teilen Sie deren Auffassung?

Der amerikanische Druck war sicherlich ein Faktor. Doch ich kenne einfach nicht genug Details, um diese Auslegung eindeutig zu bestätigen oder zu widerlegen. Aber ich bin mir natürlich sicher, dass viele Länder sich für mich eingesetzt haben. In diesem Zusammenhang freut es mich ganz besonders, dass sich als einer der Ersten auch der Deutsche Bundestag für mich verwendet hat, indem er bei der interparlamentarischen Union (IPU) mit einer Erklärung gegen meine Festnahme protestierte.

Wie erklären Sie sich denn, dass sie gerade jetzt freigelassen wurden?

Das frage ich mich auch! Offen gestanden weiß ich es selbst nicht, warum ich ausgerechnet jetzt aus der Haft entlassen wurde. Ich kann nur vermuten, dass das Regime vielleicht versuchte, dadurch sein Image aufzupolieren – wenn auch reichlich spät allerdings, denn von meiner regulären Haftstrafe hätte ich ohnehin nur noch vier Monate verbüßen müssen...

Wie steht es heute um Ägyptens liberale Opposition? Insbesondere nach der Niederlage bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen von 2005 sowie dem Niedergang auch der außerparlamentarischen Opposition?

Zunächst einmal muss man wissen, dass die liberale Opposition nicht etwa unterdrückt wurde, weil sie liberal war, sondern um zu verhindern, dass sie in Ägypten einen "dritten Weg" anbieten konnte – als Alternative zur Wahl zwischen dem autoritären Regime und den Muslimbrüdern. Ich glaube, dass wir diese Idee nun, nach meiner Freilassung, neu beleben können. Dafür müssen wir allerdings bereit sein, einen schweren und langen Kampf auf uns zu nehmen.

Welche Alternative wollen Sie denn den Ägyptern als "dritten Weg" anbieten?

Wir setzen uns vor allem für einen Rechtstaat ein. Wir wollen einfache, klare und pragmatische Lösungen anbieten und wir sind bereit, diese auch sofort umzusetzen – falls es dazu kommen sollte. Wenn das derzeitige Regime also morgen früh um acht Uhr bereit wäre, die Macht abzugeben, wären wir in der Lage, bis spätestens fünf Minuten nach acht Uhr dieses Vakuum zu füllen und die Staatsgeschäfte geordnet zu übernehmen. Wir haben ein sehr klares, detailliertes Programm – mit mehr als 1200 Seiten das Umfassendste, das je eine ägyptische Partei vorgelegt hat, und mit alltagstauglichen Lösungen, die die Menschen nicht verschrecken. Man muss nämlich wissen, dass die Ägypter Veränderungen generell eher misstrauisch gegenüber stehen.

Ihab El-Kholi zeigt Ayman Nour die Parteizentrale der Ghad Partei, Foto: dpa
Neuanfang und Auferstehung aus Ruinen? Ayman Nour besichtigt nach seiner Haftentlassung die niedergebrannte "Ghad"-Parteizentrale in KairoBild: AP
Ayman Nour wurde 2005 inhaftiert, Foto: ap
Nour hatte bereits im Gefängnis angekündigt, bei der nächsten Präsidentenwahl erneut antreten zu wollen.Bild: AP

Außerdem treten wir als eine "Partei der Jungen", der 20- bis 30-Jährigen, öffentlich in Erscheinung. Ich selbst bin zwar schon 44 Jahre alt, also wesentlich älter, aber damit immer noch nur halb so alt wie die alte Garde der über 80-jährigen. Ägyptische Oppositionsparteien, - und hier bilden die Muslimbrüder keine Ausnahme-, müssen sich ja den Vorwurf gefallen lassen, ihre Forderungen beschränkten sich auf politische Reformen, wohingegen es ihnen an klaren Vorstellungen für die Wirtschaft mangele. Gilt das auch für die "Ghad"-Partei? Wir stehen für die ganz eigenen Ideen einer "neuen Mitte", eines "dritten Weges", wie ihn einst Schröder, Blair und viele andere mit einer sozial-liberalen Reform-Agenda gingen. Dies darf uns jedoch nicht von unserem wichtigsten Ziel abhalten: Wir wollen vor allem die Korruption bekämpfen – und das geht nicht mittels wirtschaftlicher Ansätze, sondern nur mittels politischer Reformen und durch Kontrolle, Gewaltenteilung sowie durch die Stärkung der Justiz.

Welche politische Rolle können Sie in den kommenden Jahren für ihre Partei überhaupt übernehmen? Schließlich unterliegen Sie ja bestimmten Auflagen, die es Ihnen unmöglich machen, sich politisch frei zu betätigen und es Ihnen insbesondere verbieten, bei den kommenden Präsidentschaftswahlen zu kandidieren.

Auflagen hin oder her – wir haben Mittel und Wege, uns darüber hinwegzusetzen. Und ich möchte jetzt all denjenigen, die sich für meine Freilassung eingesetzt haben, deutlich sagen: Sie sollten sich nun auch für die Verteidigung meiner Rechte einsetzen! Bei meiner Inhaftierung ging es ja schließlich nicht um mich als Person, sondern um die Beschneidung meiner Rechte. Wenn ich als Person nun zwar wieder frei bin, aber gleichzeitig meine Rechte nicht frei ausüben kann, dann vermittelt das doch den Eindruck: Hier folgt der Staat weiter einer repressiven Logik, indem er bestimmte Personen politisch außer Gefecht setzt – ein negatives Bild also, das dem Image Ägyptens enorm schadet. Ich jedenfalls lasse mich nicht von dem Gefühl leiten, dass mir irgendetwas verboten ist, und werde bei den kommenden Präsidentschaftswahlen antreten. Ich ignoriere derartige Auflagen, da ich meine Legitimität ohnehin nicht vom Staat beziehe. Ich warte nicht erst, bis mir das Regime seinen Segen erteilt!

Und wie steht es um die Zukunft Ihrer Partei? Nach Ihrer Festnahme soll es zu einer Spaltung gekommen sein, so dass die "Ghad" fast gänzlich in der Bedeutungslosigkeit versunken ist, nachdem sie zuvor zu den bedeutendsten Parteien der neuen Opposition gezählt hatte.

Die Partei hat sich nicht im eigentlichen Sinne gespalten, vielmehr wurden einige Mitglieder aus der Partei ausgeschlossen, nachdem sie bei den Präsidentschaftswahlen unter Druck Mubarak unterstützt hatten. Der Staat hatte versucht, sie wie ein trojanisches Pferd einzusetzen, um die "Ghad"-Partei von innen heraus zu untergraben. Zwei Wochen vor meiner Freilassung erging ein Urteil zu unseren Gunsten, dass die Partei sich neu konstituieren darf. Es stimmt zwar, dass die Partei während meiner Zeit im Gefängnis beinahe zerbrochen wäre, doch nicht etwa aufgrund einer echten Spaltung, sondern aufgrund dieser staatlichen Intervention.

Es gibt allerdings auch einige Stimmen, die sagen, die "Ghad"-Partei drehe sich ausschließlich um die Person Ayman Nour…

Das stimmt so sicher nicht. Ayman Nour ist ein wichtiger Teil der Partei, ja, das stimmt, denn Parteien in Ägypten sind grundsätzlich nicht als quasi "unpersönliche Organisationen" stark. Ein großes Manko des parteipolitischen Lebens in Ägyptens ist ja gerade, dass der Bezug zu einzelnen Personen hier eine so wichtige Rolle spielt. Aber vielleicht ist das auch weder ungewöhnlich noch schlecht – erwiesenermaßen ist das ja in vielen Ländern rund um den Globus der Fall. Jedenfalls ist der beste Gegenbeweis die Tatsache, dass ich vier Jahre im Gefängnis war, die Partei aber immer noch existiert und sich sogar erneuert hat. In der Parteiführung sind jetzt viele neue und junge Personen vertreten. Doch natürlich spiele ich als Parteigründer eine Rolle, da ich das Programm erstellt, Ideen geliefert und politisch ausgestaltet habe. Aber in Ägypten ist es nun einmal eher so, dass sich die Menschen mit Personen als mit Plakaten und Pamphleten identifizieren können.

Wahlplakat Ayman Nour 2005, Foto: ap
2011 will Nour erneut kandidierenBild: AP
Gamila Ismail, Frau von Ayman Nour, Foto:ap
Seine Statements in der Haft ließ er stets von seiner Frau und politischen Mitstreiterin Gamila Ismail verbreitenBild: AP

Ayman Nour ist einer der prominentesten Politiker der liberalen Opposition in Ägypten. Der 44jährige wird von vielen in der arabischen Welt, als auch im Westen als liberaler Hoffnungsträger und als demokratische Alternative zur autoritären "Nationaldemokratischen Partei" Mubaraks und der oppositionellen islamistischen Muslimbruderschaft gesehen. 2005 wurde er nach der Präsidentschaftswahl unter dem Vorwand der Wahlmanipulation inhaftiert, nachdem seine liberale "Ghad"-Partei 13 Prozent der Stimmen erhalten hatte. Nach Ansicht politischer Beobachter ist Nours plötzliche Freilassung im vergangenen Februar vor allem auf Druck der Obama-Administration zustande gekommen. Washington hatte die Inhaftierung Nours als Justizmissbrauch gewertet. Obwohl Ayman Nour nach seiner Freilassung vom Staat auferlegt wurde, fünf Jahre lang nicht mehr politisch aktiv sein zu dürfen, hatte er angekündigt, bei den nächsten Präsidentschaftswahlen 2011 wieder anzutreten.

Das Gespräch führten Arian Fariborz und Mahmoud Tawfik/ © Qantara.de 2009