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„Ich könnte sie stundenlang nur anschauen“

Ute Zauft24. April 2008

Der russische Kunstmarkt boomt. Anfangs waren Fabergé-Eier und Gemälde aus dem 19. Jahrhundert der Renner, jetzt ist es die zeitgenössische Kunst. Vergangene Woche hat nun auch ein deutscher Galerist in Moskau eröffnet.

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Das Bild Sonnenaufgang von Eric Bulatov, einem zeitgenössischen russischen Künstler
"Sonnenaufgang" - zeitgenössische russische Kunst von Eric Bulatov

Die Gäste stehen dicht gedrängt - small talk auf Russisch und Englisch. Durch die Fenster fällt der Blick auf ein Hochhaus im Zuckerbäckerstil, den Stalin so sehr liebte. Moskaus beste Lage. Der Berliner Galerist, Volker Diehl, streift durch die Menge, begrüßt die Gäste, die zur Eröffnung seiner Galerie gekommen sind. In einer Stadt wie Moskau darf eine Lounge für die besonders wichtigen Gäste nicht fehlen. Diehl lässt sich auf das Ledersofa fallen. Er trägt – ganz unglamourös - schwarzes Samtsakko zu Jeans. Hier, in der Metropole Russlands hofft er auf zahlungskräftige Kunden. "Es gibt hier eine wachsende Mittelschicht, die durchaus in der Lage ist auch teurere Objekte sammeln zu können", sagt er. "Das ist eine wachsende Schicht von überwiegend jungen Sammlern, die an internationaler Kunst, wie auch an russischer Kunst interessiert sind.

Seit zehn Jahren ist er immer wieder in Moskau als Galerist unterwegs und hat bereits einige russische Kunden. Während sich in Berlin und New York die Galeristen gegenseitig auf die Füße treten würden, gebe es in Moskau bisher kaum Konkurrenz, darin sieht er seine Chance. Nur zehn Galerien arbeiteten derzeit auf internationalem Niveau. "Das ist eine verschwindend kleine Zahl von Händlern, in meiner Galerie in Berlin, in unserem Galeriehaus, sind wir allein auch schon neun Galerien, das heißt in einem Gebäude so viel wie in ganz Moskau."

"Gute Werke sind kaum noch zu kriegen"

Lichtinstallation von Jenny Holzer
Die richtige Stimmung zur Vernisage: Lichtinstallation von Jenny HolzerBild: 2006 Jenny Holzer VBK, Vienna

Zur Eröffnung zeigt der Galerist Lichtinstallationen der amerikanischen Künstlerin Jenny Holzer. Ihre leuchtenden Schriftzüge blinken in blau und pink von den weiß gestrichenen Wänden. Der junge Unternehmensberater Nikolay Palazhenko steht in Anzug und Turnschuhen konzentriert vor dem Kunstwerk. Seit sechs Jahren sammle er bereits Kunst. "Der Markt boomt", sagt er. "Gute Werke sind inzwischen kaum noch zu kriegen." Es gebe viele Künstler, deren Arbeiten die Sammler regelrecht nachjagten. Palazhenko gehört genau zu den Menschen, die sich Diehl als Kunden wünscht: Er interessiert sich für Gegenwartskunst und wittert darin außerdem ein gutes Geschäft. "Ich ziehe es vor, zeitgenössische Kunst zu sammeln", erläutert er. "Erstens ist mir die Ästhetik näher und zweitens bietet sie sehr gute Investitionsperspektiven."

Die Nachfrage nach Kunst steigt in Russland seit einigen Jahren rasant. Am liebsten sammeln die Russen Kunstwerke ihrer Landsleute. Mikhail Kamensky vertritt in Moskau das renommierte Auktionshaus Sotheby’s und beobachtet die russischen Sammler seit vielen Jahren. Angefangen hätten sie in den 90er Jahren mit russischer Kunst aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert. Seit zwei, drei Jahren sei allerdings ein neuer Trend zu beobachten. "Viele fangen an, ihre Kollektionen, die sie in den vergangenen Jahren für viel Geld angesammelt haben, zu verkaufen", so Kamensky. Die Leute verkauften die Bilder der russischen Künstler aus dem 19. Jahrhundert und fingen an, zeitgenössische Kunst zu sammeln.

"Russische Kunst berührt die tiefste Seele"

„Der Ursprung des Sozialistischen Realismus“ von Vitaly Komar
„Der Ursprung des Sozialistischen Realismus“ von Vitaly KomarBild: Jack Abraham

In einer Nische der neu eröffneten Galerie steht ein älterer Herr mit elegant gewelltem Haar. Auf dem Display seines i-Phones zeigt er seinem Nachbarn die Kunstwerke, die bei ihm zu Hause an den Wänden hängen: Landschaftsbilder russischer Klassiker wie Iwan Schischkin. Er könne sich viel leisten, meint er, neue Kleidung, ein neues Haus, aber nur Kunst schenke dauerhaft Freude. "Ich habe mir gerade den aktuellen Porsche Turbo gekauft. Gefreut habe ich mich über ihn praktisch nur auf der Fahrt vom Autohaus nach Hause. Aber russische Kunst berührt die tiefsten Tiefen meiner Seele. Ich kann sie stundenlang anschauen, einfach anschauen." Für die Kunst der Gegenwart kann er sich persönlich noch nicht so recht begeistern. Trotzdem hat er keinen Zweifel daran, dass die Nachfrage und damit auch die Preise steigen werden – wie bei jedem anderen lukrativen Geschäft auch.