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Sieger heißen Hollande und Le Pen

Andreas Noll23. April 2012

Der Sozialist François Hollande ist - wie erwartet - der Sieger der ersten Runde der französischen Präsidentschaftswahl. Für Schlagzeilen sorgt auch das starke Abschneiden des populistischen Front National.

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Socialist Party candidate for the presidential election Francois Hollande reacts before delivering his speech after the first round of the French presidential election in Tulle, central France, Sunday, April 22, 2012. Official partial results show Socialist Francois Hollande and conservative President Nicolas Sarkozy are advancing to the runoff of France's presidential elections. (Foto:Christophe Ena/AP/dapd).
Bild: dapd

Der Sieg von François Hollande am Sonntag kündigte sich aus der Ferne an. Ausländische Internetseiten veröffentlichten schon am Mittag des Wahltages erste Ergebnisse aus den französischen Überseegebieten, wo die Bewohner bereits am Samstag ihre Stimme abgeben konnten. Und die Franzosen in Martinique oder Guadeloupe, sie bestätigten das Stimmungsbild, das die Demoskopen schon seit Monaten auch für die Wähler im Mutterland zeichnen: François Hollande ist der klare Favorit für den Elysée-Palast. 

Hollande kaum noch zu stoppen

Mit knapp 29 Prozent der Stimmen konnte der Sozialist schon in der ersten Runde mehr Wähler hinter sich versammeln als der amtierende Präsident Nicolas Sarkozy (rund 27 Prozent), der in einer aktuellen Umfrage lediglich den zweifelhaften Titel als unbeliebtester Präsident der jüngeren Geschichte für sich reklamieren kann. Für die Stichwahl ist sich Frankreich-Experte Henrik Uterwedde vom Deutsch-Französischen Institut in Ludwigsburg sicher: Macht François Hollande keinen ganz großen Fehler mehr, werden ihn die Wähler bei der Stichwahl am 6. Mai zum Nachfolger von Nicolas Sarkozy wählen: "Es müsste schon sehr viel passieren, dass Nicolas Sarkozy in der Lage sein könnte, diesen Vorsprung noch aufholen zu können. Für mich ist François Hollande ganz klar der Favorit."

Nicolas Sarkozy nimmt ein Bad in der Menge bei einer Wahlkampfkundgebung (Foto REUTERS/Jean-Paul Pelissier)
Noch zwei Wochen, um die Wähler zu überzeugen: Nicolas SarkozyBild: Reuters

Franzosen haben Gegenmodell zu Sarkozy gewählt

Gepunktet hat Hollande im Wahlkampf vor allem als Gegenmodell zum polarisierenden Amtsinhaber. Die Franzosen hätten Sarkozy am Sonntag regelrecht abgewählt, so Uterwedde: "Er ist ein Präsident, der am Ende sehr, sehr vielen Menschen auf die Nerven gegangen ist. Und ein Präsident, der viele seiner großspurigen Versprechen von vor fünf Jahren nicht einlösen konnte." Tatsächlich steht Frankreich am Ende von Sarkozys fünfjähriger Amtszeit vor großen Herausforderungen. Die Arbeitslosigkeit erreicht mit zehn Prozent den höchsten Wert seit 20 Jahren, die Staatsschulden explodieren und das Außenhandelsdefizit ist auf Rekordniveau. Die kommenden fünf Jahre dürften also stürmisch werden. Bei aller Sympathie für den bodenständigen Sozialisten, der das Gegenmodell zum erratischen Präsidenten Sarkozy verkörpere: Ob die Franzosen in Hollande den besseren Krisenmanager sehen, sei alles andere als sicher, so Politikwissenschaftler Uterwedde. "Die Wahl ist kein glühendes Bekenntnis zu Hollande."

Die Anhänger von Sarkozy haben denn auch die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Sie setzen auf die Kämpferqualitäten ihres Kandidaten und auf das bevorstehende TV-Duell mit seinem Herausforderer. Vor fünf Jahren hatte Sarkozy diese Wahlkampf-Übung klar für sich entschieden. Damals hieß seine Gegnerin allerdings Ségolène Royal – die frühere Lebensgefährtin von Hollande. Angriffspunkte für die kommenden Tage bietet wohl vor allem die mangelnde Führungserfahrung des Sozialisten. Hollande stand zwar ein Jahrzehnt an der Spitze der Sozialistischen Partei, konnte aber nie ein Ministeramt bekleiden.

Anhänger der Sozialisten jubeln über das Ergebnis ihres Kandidaten François Hollande (Foto:Laurent Cipriani/AP/dapd).
Endlich wieder jubeln: Anhänger der Sozialisten am WahlabendBild: dapd

Überraschend starke Marine Le Pen

Während der Favorit Hollande wie erwartet als erster über die Ziellinie lief, überraschte vor allem der Erfolg des rechtsextremen Front National (FN). Die erstmals bei Präsidentschaftswahlen angetretene Tochter des FN-Gründers Jean-Marie Le Pen, Marine Le Pen, erzielte mit 18 Prozent der Stimmen das beste Ergebnis der Parteigeschichte. "Das ist nicht nur eine Fußnote. Es zeigt sich, dass das rechtsextreme Gedankengut weit verbreitet ist", konstatiert Uterwedde. Gleichzeitig sei Sarkozys Strategie der vergangenen Wochen, seinen Wahlkampf am rechten Rand zu führen, nicht aufgegangen. "Sarkozy hat die Themen des Front National nur hoffähig gemacht. Aber alle Parteien werden sich anstrengen müssen, um zu sehen, was man mit den Wählern macht. Dazu zählen nicht nur Extremisten, sondern sehr viele Menschen, die unter der Krise leiden."

Parallel zum Erfolg der Populisten am rechten Rand, konnten auch ihre Gegner am linken Rand einen Wahlerfolg verbuchen – wenn auch etwas geringer als erwartet. Gut zwölf Prozent der Wähler votierten für Jean-Luc Mélenchon von der Linksfront, der 2005 zu den Wortführern der erfolgreichen Nein-Kampagne zum EU-Verfassungsvertrag zählte. Auch in diesem Wahlkampf war er erfolgreich auf Anti-Europakurs gegangen und hatte zudem seinen Wählern soziale Wohltaten versprochen. Gut ein Drittel der Wähler hat seine Stimme populistischen bzw. extremistischen Parteien gegeben. Für die Außenpolitik des Landes werde das Folgen haben, warnt Parteienforscher Uterwedde, denn der künftige Präsident müsse auf diese Wähler Rücksicht nehmen: "Man wird sich in Deutschland warm anziehen müssen. Man wird mit einem unbequemen Präsidenten leben müssen. Aber auch Sarkozy war kein bequemer Partner."

Marine Le Pen vom Front National bei der Stimmabageb (Foto:Jacques Brinon/AP/dapd)
Mehr als ein Achtungserfolg: Marine Le Pen vom Front NationalBild: dapd

Für Deutschland wird das wohl vor allem neue Diskussion über das französische Verständnis von Staat und Wirtschaft zur Folge haben: Wachstumsimpulse statt Sparpolitik - inklusive einer Debatte über die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank. Henrik Uterwedde: "Ein bequemer Partner war Frankreich nie und wird es auch nach dieser Wahl weniger denn je sein."