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Historikerin Brigitte Hamann ist tot

Laura Döing
5. Oktober 2016

Sie wies nach, dass Adolf Hitler vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs jüdische Freunde hatte und entzauberte die österreichische Kaiserin Sisi: Nun ist die Historikerin Brigitte Hamann gestorben.

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Archivbild Brigitte Hamann
Bild: picture-alliance/dpa/H. Pfarrhofer

Brigitte Hamann verstarb am Dienstag im Alter von 76 Jahren. Die Deutsch-Österreicherin verstand es, Geschichte mitreißend zu erzählen und historische Figuren lebendig werden zu lassen. 

So zertrümmerte sie das kitschig, schillernde Image der österreichischen Kaiserin Elisabeth (1837-1898), das die "Sissi"-Filme von der Kaiserin malten: Sisi sei eine "sehr depressive, sehr müde, ironische und sarkastische Frau" gewesen, schrieb Hamann 1981 in der Biografie "Elisabeth, Kaiserin wider Willen". Ihre Quelle: Ein bis zu diesem Zeitpunkt unbekanntes, 600-seitiges Tagebuch der Kaiserin, das Hamann in Bern in einem Archiv fand. Fortan war Hamann gefragt als "Habsburger-Expertin", war in TV-Dokumentationen eine der sachverständigen Stimmen.

Schauspieler Karl-Heinz Böhm
Lieblich war Sisi wohl nur im Film (Bild), befand Historikerin HamannBild: picture-alliance/dpa

Brigitte Hamann: Adolf Hitler war mit Juden befreundet

Ein großer Wurf gelang ihr auch mit der Schilderung des Lebens von Adolf Hitler in Wien. In "Hitlers Wien - Lehrjahre eines Diktators" wies sie nach, dass der gescheiterte Künstler in der Zeit von 1908 bis 1913 zwar den Antisemitismus kennenlernte, aber die Juden-Feindschaft noch nicht lebte. Vielmehr zählte er Juden zu seinem Freundeskreis. Das Buch erschien 1996.

Eines der letzten großen Projekte war 2002 ihre Beschäftigung mit dem Wagner-Clan. In "Winifred Wagner oder Hitlers Bayreuth" beschrieb Hamann die engen Kontakte der Wagners zum kommenden "Führer".

Hamanns Ehemann schämte sich für ihren Gang in die Wissenschaft 

Hamann wurde 1940 in Essen als Brigitte Deitert geboren und wollte zunächst Lehrerin werden. Sie studierte Germanistik und Geschichte in Münster und Wien. Hamann arbeitete dann aber als Journalistin. 1965 heiratete sie den Wiener Historiker und Universitätsprofessor Günther Hamann und bekam die österreichische Staatsbürgerschaft. Sie zog drei Kinder auf, war Hausfrau und Assistentin ihres Mannes.

Dass sie dann beschloss, selbst historisch zu forschen, sei ihrem Mann damals peinlich gewesen. Sie ließ sich nicht beirren und verfasste in den 1970er Jahren eine 1000-seitige Doktorarbeit über den österreichischen Thronfolger Rudolf. Ein großer Stoff nach ihrem Geschmack: über einen liberalen Hoffnungsträger im politisch verkrusteten Habsburger-Reich, der sich krank und enttäuscht 1889 zusammen mit seiner Geliebten erschossen hat. Das Buch ebnete Hamann die Laufbahn als freie Historikerin. Sie hatte das Motto ihres Schriftsteller-Lebens gefunden: Mythen auf ihren Gehalt abklopfen.

Fakten minutiös recherchiert und trotzdem publikumsnah

Sie vereine "wissenschaftliche Rigorosität mit publikumsfreundlicher Lesbarkeit", hieß es 2012 in der Laudatio zur Vergabe des Ehrenpreises des österreichischen Buchhandels. Zuletzt hatte die Historikerin zurückgezogen in Österreich gelebt.

ld/rey (dpa/Munzinger)