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Herzstillstand: Zu selten Erste Hilfe für Frauen

29. September 2023

Wiederbelebungsmaßnahmen wie die Herzdruckmassage können lebensrettend sein. Doch viel zu wenig Menschen erhalten diese Erste Hilfe. Frauen wird im Notfall noch seltener geholfen als Männern.

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Herzdruckmassage
Der 29. September ist Welt-Herz-Tag - im Bild: eine HerzdruckmassageBild: Ievgen Chabanov/Colourbox

Eine Frau bricht auf offener Straße bewusstlos zusammen. Passanten laufen herbei, wollen helfen, doch die Patientin ist nicht ansprechbar. Sie röchelt, atmet schwer und unregelmäßig. Jemand verständigt den Rettungswagen.

Zwischen dem Absetzen des Notrufs und der Ankunft des Krankenwagens verstreicht wertvolle Zeit. Minuten, die zwischen Leben, Tod oder bleibenden Hirnschäden entscheiden können. Erste Hilfe durch Herzdruckmassage und Beatmung kann jetzt den entscheidenden Unterschied machen. Unverzüglich eingeleitete Wiederbelebungsmaßnahmen können die Überlebenschancen verdoppeln oder sogar verdreifachen.

Doch laut einer aktuellen Untersuchung aus den USA und Kanada bekommt nur rund die Hälfte aller Notfallpatienten mit Herzstillstand, eine lebensrettende Herz-Lungen-Wiederbelebung durch Menschen, die den Zusammenbruch miterleben. Die Forschenden stellten zudem fest, dass Frauen noch seltener als Männern geholfen wird. 

Berührungsängste bei der Herzdruckmassage?

Das Team um Sylvie Cossette vom Montreal Heart Institute Forschungszentrum untersuchte Daten von 39.391 Patienten, die zwischen 2005 und 2015 einen Herz-Kreislaufstillstand außerhalb eines Krankenhauses in den USA oder Kanada erlitten hatten. Nur 54% erhielten eine Herz-Lungen-Wiederbelebung durch eine anwesende Person. Männern wurde mit einer Quote von 55% eher geholfen als Frauen, die Erste Hilfe nur in 51% der Fälle erfuhren.

Ereignet sich der Zusammenbruch im öffentlichen Raum, ist der Geschlechterunterschied noch deutlicher: Die Frau, die auf offener Straße zusammengebrochen ist, hat demnach eine Chance von 61% Erste Hilfe zu bekommen. Männer haben laut der Untersuchung etwas mehr Glück: In 68% der Fälle versucht jemand, ihnen mit Wiederbelebungsmaßnahmen zu helfen.

Frauenherzen werden anders krank

Wie sich die seltenere Hilfe für Frauen begründen lässt, können die Forschenden nur vermuten: "Es könnte sein, dass die Leute Angst haben, Frauen zu berühren oder zu verletzen. Oder dass sie denken, dass eine Frau weniger wahrscheinlich einen Herzstillstand erleidet", sagt Alexis Cournoyer in einer Pressemitteilung über die Studienergebnisse. Cournoyer ist Notfallmediziner und Forscher am Hôpital du Sacré-Coeur de Montréal in Kanada und hat die Untersuchung gemeinsam mit Cossette durchgeführt.

Die Forschenden überprüften, ob dieser Effekt möglicherweise bei jungen Frauen größer sein könnte als bei älteren, stellten hier jedoch keinen Unterschied fest.

Eine weitere Erkenntnis aus Cossettes und Cournoyers Untersuchung war: Je älter die Menschen, desto unwahrscheinlicher waren auch Erste-Hilfe-Maßnahmen durch Umstehende - zumindest im privaten Umfeld, beispielsweise in den eigenen vier Wänden.  Hier waren es nicht die Frauen, sondern die Männer, denen seltener geholfen wurde.

"Wir würden diese Frage gerne genauer untersuchen, um zu verstehen, was hinter diesen Unterschieden steckt. Dies könnte uns dabei helfen, sicherzustellen, dass jeder, der eine Herz-Lungen-Wiederbelebung benötigt, diese auch bekommt. Unabhängig von Geschlecht, Alter oder Wohnort", wird Cossette in der Pressemitteilung zitiert. 

Herzdruckmassage ist die wichtigste Maßnahme

Die Frau, die auf der Straße bewusstlos zusammengebrochen ist, hat Glück im Unglück: Eine der umstehenden Personen hat keine Berührungsängste und greift beherzt ein. Sie spricht die Frau laut an und rüttelt an ihren Schultern. Keine Reaktion. Um den Atem zu überprüfen, legt sie eine Hand auf die Stirn, die andere unter das Kinn der Patientin und kippt deren Kopf nach hinten. Dieses sogenannte Überstrecken hilft, die Atemwege zu befreien. 

Der unregelmäßige, röchelnde Atem der Frau ist ein typisches Symptom für die erste Phase eines Herzstillstandes. Nun ist die Herzdruckmassage die zentrale Erstmaßnahme.

Wiederbelebung bei Herzstillstand

Dabei legt die helfende Person einen Handballen auf die Mitte des Brustbeines und platziert ihre zweite Hand auf den Handrücken der ersten. Mit gestreckten Armen drückt sie das Brustbein fünf bis sechs Zentimeter tief nach unten. Das Ganze muss schnell gehen: zwischen 100 und 120 mal pro Minute wird das Brustbein der Patientin in Richtung Wirbelsäule gedrückt. Der Takt des Bee Gee-Songs "Stayin' Alive" kann helfen, den richtigen Rhythmus zu finden.

Laut einer Pressemeldung der Deutschen Herzstiftung hätten mehrere Untersuchungen gezeigt, dass eine Unterbrechung der Herzdruckmassage, beispielsweise um eine Mund-zu-Mund-Beatmung vorzunehmen, keine gute Idee ist.

Denn je komplizierter die einzelnen Schritte der Wiederbelebungsmaßnahmen sind, desto weniger Menschen trauen sich, sie im Notfall anzuwenden. Deshalb lieber weniger als gar nicht. Die Herzstiftung empfiehlt darum vor allem Laien, eine Herzdruckmassage nicht durch eine zusätzliche Atemspende zu unterbrechen.

Julia Vergin
Julia Vergin Teamleiterin in der Wissenschaftsredaktion mit besonderem Interesse für Psychologie und Gesundheit.