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Davos Herausforderungen

Fabian Schmidt26. Januar 2010

Auf dem bevorstehenden Gipfel in Davos diskutieren Regierungschefs und Wirtschaftsführer über Finanzkrise und Klimawandel. Der Europa-Abgeordnete Sven Giegold spricht über Steueroasen und Spekulationssteuern.

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Deutschland Sven Giegold Attac (Foto: Giegold)
Vorsicht vor PrognosenBild: privat

DW-WORLD.DE: Herr Giegold, Klima- und Finanzkrise zeigen, dass es so nicht mehr weiter gehen kann. Der Gipfel, der in Davos am Mittwoch (26.01.2008) beginnt wirft erneut Licht auf das Thema. Sie forderten schon lange hier Veränderungen. Was haben die Entscheidungsträger ihrer Meinung nach gelernt?

Rhetorisch eine ganze Menge, in der Handlung erschreckend wenig. Inzwischen ist auf allen Konferenzen die Rede von sowohl ökologischen Regeln als auch Regeln im Wirtschaftsbereich. Die Finanzmärkte sollen stärker reguliert werden. Leider zeigte der Gipfel in Kopenhagen, dass die reichen Länder nicht bereit waren, ihren Teil der Krise zu bezahlen. Umgekehrt waren die anwesenden Vertreter der Schwellenländer kompetent so starke so starke Verpflichtungen einzugehen. Und im Bereich der Finanzmärkte wird nach wie vor genauso munter spekuliert wie vorher. Die Maßnahmen lassen auf sich warten.

Symbolbild Modellhaus auf Euroscheinen (Foto: Bilderbox)
Modernisierung von Häusern und Verkehr als ArbeitsplatzmotorBild: BilderBox

Was muss sich denn jetzt ändern?

Aus meiner Sicht brauchen wir eine Bereitschaft von Ländern voranzugehen, in beiden Feldern. Das heißt gerade in Europa: Wir müssen es mit dem Klimaschutz richtig ernst machen. Wir können nicht mehr doppelzüngig arbeiten. Das heißt: keine neuen Kohlekraftwerke; das heißt: ein konsequenter Umbau der Mobilitätssysteme; die Dämmung der Häuser. Also das, was wir mit einem grünen New Deal bezeichnen: Ein starkes Investitionsprogramm, was Arbeitsplätze schafft und gleichzeitig den Klimaschutz voran bringt - und damit sozusagen auch ein Vorbild zu setzen für den Rest der Welt dem nachzufolgen. Im Finanzmarktbereich haben wir genau die gleiche Situation. Wenn die ganze Welt aufeinander wartet, wer welche Regeln beschließt, kommen wir auch nicht weiter. Denn wir müssen vor allem auf europäischer Ebene jetzt starke Regeln jetzt für die Finanzmärkte beschließen. Die Vorschläge liegen zunehmend auch vor. Darum wird jetzt gerungen und da ist wichtig, dass sich eben starke Regeln durchsetzen und nicht die Lobbyinteressen das wieder verwässern.

Was muss sich hier ändern bei den Finanzmärkten?

Also das Wichtigste überhaupt aus meiner Sicht ist erstmals die Frage zu stellen, wer bezahlt eigentlich die Krise. Weltweit sind einige tausend Milliarden Euro in die Krisenbekämpfung und die Rettungsaktionen geflossen. Wir brauchen endlich eine Besteuerung der Finanzmarktakteure, damit eben nicht die Bürgerinnen und Bürger letztlich auf hohen Staatsschulden hängen bleiben. Das Zweite ist: Alle Akteure müssen reguliert werden. Die Steueroasen müssen also ausgetrocknet werden. Es kann nicht sein, dass es Teile im Weltfinanzsystem gibt, die unreguliert sind. Wer von da aus operiert, darf keinen Zugang mehr zum Finanzmarkt Europa bekommen. Und alle Banken müssen auch ausreichend Eigenkapital zurück halten, statt hohe Dividenden und Gehälter auszuschütten. Das wären schon einmal ein paar zentrale Bausteine.

Drei Aktivistinen der globalisierungskritischen Organisation Attac sitzen am 27.02.2008 als reiche Steuerflüchtige verkleidet auf einer aufblasbaren "Steueroase" vor dem Bundeskanzleramt in Berlin und protestieren gegen die Steuerflucht. Im Kanzleramt empfing Bundeskanzlerin Merkel (CDU) unterdessen Fürst Albert von Monaco. (Foto: dpa)
Kein Platz mehr für SteuerflüchtlingeBild: dpa

Sie sprechen vom New Green Deal. Beinhaltet denn der New Green Deal auch eine gerechte faire Ökonomie?

Na ja, der grüne New Deal hat drei Elemente. Einerseits die Bekämpfung des Klimawandels, zweitens strenge Regeln für die Finanzmärkte und drittens einen stärkeren sozialen Ausgleich. Das gilt insbesondere für Länder wie Deutschland, wo die soziale Schere stark auseinander gegangen ist. Deshalb enthält dieses Paket, was wir praktisch vorschlagen, auch starke Investitionen, vor allem im Bereich der Bildung. Aber wir schlagen auch eine Anhebung der Sätze vor, etwa im Rahmen von Hartz IV. Denn es ist praktisch das Minimaleinkommen, das jedem zusteht, der oder die aus welchen Gründen auch immer, keine Arbeit hat.

Obama und viele andere Politiker sprechen ja auch inzwischen von einem New Green Deal als Lösung für die Klima- und Wirtschaftskrise. Heißt das, dass diese Idee zunehmend zum Konsens wird und damit zum politischen Mainstream?

Also, die Idee, die Bekämpfung des Klimawandels und den Weg aus der Wirtschaftskrise zusammenzuführen, hat sich wirklich weltweit ausgebreitet. Obama hat einige dieser Ideen aufgegriffen. Aber auch Ban Ki-moon als UN-Chef genauso wie etwa die südkoreanische Regierung. Einige andere Regierungen verfolgen das mit viel mehr Ambitionen als wir in Deutschland. Mainstream ist es deshalb vielleicht noch nicht, weil es einfach noch unglaublich viele Widerstände gibt, die genau das nicht wollen, die lieber die alten Industrien weiter subventionieren.

Wo sehen sie da die Widerstände?

Wenn man dann konsequenten ökologischen Umbau macht, bedeutet das eben, dass nicht mehr so viele alte Autos mit hohen Verbrauchswerten gebaut werden. Das bedeutet auch, dass wir nicht mehr in die alten Energiesysteme aus Atomenergie und fossilen Energienquellen investieren sondern in die neuen. Das heißt: Es gibt immer Verlierergruppen, die sich dann auf alle möglichen Argumente berufen, um zu verhindern, dass das Umsteuern wirklich stattfindet.

Welche Prognose geben sie denn für die nächsten Jahre, in denen Ihrer Meinung nach ja die Weichen für den Klimaschutz gestellt sein müssten - wenn die Politik, wie ja das Scheitern von Kopenhagen zeigt, nicht unbedingt dabei mitziehen kann oder darf?

Also ja, Prognosen, davon halte ich persönlich nicht so viel, vor allem im sozialen Bereich. Die Prognosequalität ist unglaublich schlecht. Das hängt ja von den Menschen selber ab. Also das heißt, wenn Bürgerinnen und Bürger dem Klimawandel einfach zusehen, wenig Druck auf die Politik und die Wirtschaft ausüben, dann sieht es ehrlich gesagt aus meiner Sicht überhaupt nicht gut für die Zukunft des Planeten aus und vor allem derjenigen aus, die die Kosten des Klimawandels tragen müssen. Auf der anderen Seite ist es so: Wenn Bürgerinnen und Bürger sich das nicht gefallen lassen und ihre eigenen Initiativen starten, dann kann auch Druck auf die Politik entstehen, dafür zu sorgen, dass sich sehr schnell was ändert. Das sehen wir ja an vielen Orten: Wind- und Solarenergie, starke Investitionen im nachhaltigen Bereich. Das hängt also von den Menschen selber ab.

Sven Giegold ist Europaabgeordneter der Grünen und wurde bekannt als profilierter Sprecher der globalisierungs-kritischen Bewegung Attack.

Das Interview führte Gero Rueter

Redaktion: Fabian Schmidt