Helfen aus Kalkül
22. Juli 2003Seit Monaten bestimmt der Konflikt im Irak die Schlagzeilen in den Medien. Hunderte Journalisten beobachten mit Argusaugen, was in dem geschundenen Land geschieht. Die US-Regierung fürchtet dabei nicht nur die Bilder von gefallenen Soldaten. Sie weiß auch, dass Berichte über die leidende Bevölkerung in der öffentlichen Meinung schlecht ankommen. Sie inszeniert sich deshalb vorsorglich als Helfer in der Not. 1,7 Milliarden Dollar hat das US-Verteidigungsministerium im April für den Irak gespendet.
Vergessenes Afrika
Eine großzügige Gabe mit bitterem Beigeschmack: Gleichzeitig kürzte die US-Regierung die Mittel für das Welternährungsprogramm um eine Milliarde Dollar. Wie in dem Welt-Katastrophenbericht 2003 des Internationalen Roten Kreuzes nachzulesen ist, sind davon 40 Millionen Afrikaner in 22 Ländern betroffen. Das sei eine fatale Entscheidung für einen von Bürgerkrieg, Hunger und Krankheiten gebeutelten Kontinent, sagt Fredrik Barkenhammar vom Deutschen Roten Kreuz zu DW-WORLD. Allein wegen der Immunschwäche AIDS sterben in Afrika 6500 Menschen jeden Tag.
Nach Barkenhammar wächst das Risiko, dass politische Geldgeber ihre Mittel vermehrt auf Konflikte umleiten, die gerade "in Mode" sind, um damit zuhause in der Bevölkerung gut anzukommen. Neben dem Irak trifft das auch für Afghanistan zu. Seit dem 11. September hat sich die Hilfe für das Land verdreifacht, obwohl der Bedarf insgesamt unverändert geblieben ist, heißt es in dem Katastrophenbericht.
Im täglichen Medienstrom finden seit Jahren schwelende Notstandsregionen wie Angola, Somalia oder Kongo kaum Beachtung. "Für Regionen wie beispielsweise das indonesische Aceh, wo keine Kameras die Not der Menschen einfangen, gibt es kaum Spendenbereitschaft", sagt Wolf-Christian Ramm vom Kinderhilfswerk Terre des Hommes (tdh) im Gespräch mit DW-WORLD.
Gutgemeinte Hilfe ohne Erfolg
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Seit Beginn des Krieges sammelte das deutsche Rote Kreuz vier Millionen Euro für den Irak, im gleichen Zeitraum gingen für ganz Afrika Spenden im Wert von 100.000 Euro ein. In Afghanistan arbeiten zurzeit mehr als 350 Hilfsorganisationen. Die hohe Quantität der Helfer erhöht aber nicht zwingend die Qualität der Hilfe, im Gegenteil. "Das treibt die Preise in die Höhe", sagt Barkenhammar. Die Helfer können es sich leisten, für Taxifahrten und Mieten wesentlich mehr Geld auszugeben als die heimische Bevölkerung.
Außerdem arbeiten die wenigen im Land gebliebenen gut ausgebildeten Afghanen lieber für Ausländer als im neu aufzubauenden öffentlichen Dienst: Wer für eine Botschaft als Fahrer arbeitet, verdient rund 500 Dollar im Monat, ein Arzt in einer staatlichen Klinik aber nur 45 Dollar.
Der Katastrophenbericht äußert sich auch kritisch zur Zusammenarbeit der Hilfsorganisationen. Der Informationsaustausch untereinander lasse häufig zu wünschen übrig. Häufig erfüllten die Spenden auch nicht den gutgemeinten Zweck. Obwohl kein Bedarf bestand, wurden gigantische Mengen Lebensmittel nach Afghanistan geliefert mit der Folge, dass die örtliche Landwirtschaft beeinträchtigt wurde. Dagegen fehlten wichtige Mittel für den Wiederaufbau.
Hilfsorganisationen "embedded"
Eine besonders gefährlichen Trend sieht der Katastrophenbericht darin, dass Militärs selbst Hilfeleistungen übernehmen, um ihre Akzeptanz in der Bevölkerung zu steigern. Dazu kommt, dass das US-Militär Hilfsorganisationen bereits in der Planung eines Krieges eine strategische Rolle zuweisen, so Ramm. "Neben Journalisten werden auch humanitäre Organisationen eingebettet. Im Irakkrieg war das am deutlichsten", so der Terre-des-Hommes-Sprecher. So verwischen aber die Grenzen zwischen Soldaten und Helfern. "Die Sicherheit unserer Mitarbeiter ist dadurch gefährdet", sagt Barkenhammar. Nur wenn Hilfsorganisationen die absolute Neutralität wahrten, würden sie von den Kriegsparteien respektiert und verschont. "Deshalb lehnen wir auch den militärischen Schutz unserer Mitarbeiter strikt ab."