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Schönheit ist Macht

Antje Allroggen
25. Dezember 2020

Sie gilt als Pionierin der Kosmetikindustrie. Aus einer Creme kreierte Helena Rubinstein ein Imperium. Vor 150 Jahren wurde sie geboren.

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Helena Rubinstein um 1920
Helena Rubinstein baute ein Imperium der Schönheit auf Bild: IMAGNO/Sammlung Hubmann/picture alliance

Die Karriere von Helena Rubinstein beginnt mit einer Flucht: Am 25. Dezember 1870 wird sie als älteste von acht Töchtern eines jüdischen Lebensmittelhändlers in Krakau geboren, die Stadt gehört damals zur K.-u.-k.-Doppelmonarchie Österreich/Ungarn. Ihre Eltern nennen sie Chaja. Später wird sie sich einen anderen Vornamen geben. Im Alter von 24 Jahren soll sie endlich heiraten, doch sie will sich keinem Mann unterordnen - schon gar nicht in einer arrangierten Ehe. Also zieht Chaja zunächst zu Verwandten nach Wien. Wenig später nimmt sie von dort aus ein Schiff nach Australien. In Queensland lebt ihr Onkel mit seiner Familie.

In die Passagierliste des Schiffs schreibt sich die junge Frau unter dem Vornamen Helena ein - eine Anspielung an die schöne Helena von Troja - und macht sich auch noch vier Jahre jünger. Im Gepäck hat sie zwölf Dosen einer Creme, die sie und ihre sieben jüngeren Schwestern zuhause in Krakau benutzt haben. Tatsächlich bewundern die Australier sie für ihren makellosen Teint. Im Gegensatz zur Haut vieler Frauen in "Down Under" ist Helenas zarte Haut porzellanweiß. Also beschließt Rubinstein, die Creme unter der Ladentheke ihres Onkels zu verkaufen. Damals wusch man sich mit Wasser und Seife, Cremes und Emulsionen haftete der Ruf der Quacksalberei an, und Frauen, die sich herausputzten, galten als moralisch fragwürdig. Um Zweifel an ihrer Seriosität im Keim zu ersticken, behauptet Rubinstein ihren Kundinnen gegenüber, sie habe zeitweise Medizin studiert - eine Aussage, die sich bis heute hält, in der Biografie "Augen, die im Dunkeln leuchten" aber angezweifelt wird. Rubinstein sei eine Meisterin der Legendenbildung gewesen, heißt es dort.

Erster Rubinstein-Salon in Melbourne

Die Kosmetikerin Helena Rubinstein im Labor
Helena Rubinstein präsentierte sich gern im weißen Kittel Bild: Mary Evans Picture Library/picture-alliance

Bald sind die ersten Töpfe leer. Helena produziert weitere Cremes aus einer Mixtur von Kräutern, Mandelöl und Rinderfett. Sie verkauft sie unter dem Namen "Valaze", bis sie von dem verdienten Geld einen ersten kleinen Laden eröffnen kann. Ihr Schönheitssalon in Melbourne ist schnell ein Hit: In Australien haben die Frauen 1902 das Wahlrecht erlangt, sie gehen arbeiten, sind selbstbewusst - und geben ihr Geld gern bei Helena Rubinstein aus. Innerhalb nur weniger Monate verdient die junge Frau ein Vermögen. 

1905 kehrt sie nach Europa zurück, um sich in Paris mit Ernährungswissenschaft und Gesichtschirurgie zu befassen. Zwei Jahre später reist sie wieder nach Sydney und lernt dort den ebenfalls polnischstämmigen US-amerikanischen Journalisten Edward Titus kennen. Das Paar heiratet 1908 und bekommt zwei Söhne. Kurz darauf gründet Rubinstein in Wellington ihren zweiten Salon und dann den dritten in London.

Ganzes Kosmetik-Imperium 

Flacons der Marke Helena Rubinstein stehen auf eienr Auslage nebeneinander
Flacons der Kosmetikmarke Helena RubinsteinBild: Sun Hai/HPIC/dpa/picture alliance

1912 erobert sie schließlich Paris. Auch dort eröffnet sie einen Schönheitssalon. 1914 verlässt die Familie Europa, wo der Erste Weltkrieg begonnen hat. In New York eröffnet Rubinstein einen weiteren Salon. Sie baut nach und nach ein Imperium auf, entwickelt ihre erste eigene Kosmetik-Linie und besitzt nun eine weltweite Kette von kosmetischen Fabriken, Laboratorien und Schönheitssalons. Weitere Werke eröffnet die Unternehmerin unter anderem in Großbritannien, Frankreich und Deutschland. Ihre Produkte versieht sie mit ihrem Namen - Helena Rubinstein.

Die findige Geschäftsfrau investiert auch in die wissenschaftliche Weiterentwicklung ihrer Produkte: Ihre Verkäuferinnen lässt sie in eigenen Schulen auf dem Gebiet der Hautanalyse unterrichten. Bis ins hohe Lebensalter bleibt Rubinstein an der Entwicklung neuer Präparate interessiert.

Bemerkenswerte Kunstsammlung

Nach Kriegsende kehrt Rubinstein äußerst vermögend nach Paris zurück, wo sie mit dem Aufbau ihrer bemerkenswerten Kunstsammlung beginnt. In ihrem prachtvollen Haus trifft sich die französische High Society. Die amerikanischen Schriftsteller Ernest Hemingway und William Faulkner sowie die Künstler Man Ray und Marc Chagall gehören zu ihren Freunden. Raoul Dufy und Salvador Dalí malen Portraits von ihr. Einzig Pablo Picasso weigert sich Zeit seines Lebens, ein Bild von ihr zu malen. Selbst als sie ihn in seinem Atelier besucht, kann ihn das nicht umstimmen.

Rubinstein-Filiale in Shenzhen, China
Rubinstein-Filiale in Shenzhen, ChinaBild: Alex Tai/SOPA/ZUMA/picture alliance

1937 lässt sich Rubinstein scheiden und heiratet ein Jahr darauf den fast 30 Jahre jüngeren georgischen Prinzen Artchil Gourielli-Tchkonia und trägt damit weiter zu ihrer eigenen Legendenbildung bei. Sie weiß sich in Szene zu setzen: Im Kontrast zu ihrer blassen Haut malt sie sich die Lippen leuchtend rot, ihr schwarzes Haar bindet sie im Nacken zu einem dicken eleganten Knoten.

Unersättliche Leidenschaft für Juwelen

Porträt der Kosmetikerin Helena Rubinstein um 1924
Helena Rubinstein wusste sich zu isnzenierenBild: Nickolas Muray/Jewish Museum New York/dpa/picture alliance

Zu dieser Zeit wird die erfolgreiche Unternehmerin zur unmittelbaren Konkurrentin der amerikanischen Kosmetikunternehmerin Elizabeth Arden. 1939 präsentiert Rubinstein den ersten wasserfesten Mascara. Sie hat ihn zwar nicht selbst erfunden, aber die Lizenz dafür erworben. Außerdem ist sie die erste, die die Haut in verschiedene Typen unterteilt. Dabei achtet sie auf eine kosteneffiziente Produktion und gilt als äußerst sparsam: In New York erscheint sie morgens nicht mit einer eleganten Tasche im Büro, sondern mit einer braunen Papiertüte. Und zu Hause soll sie in Vier-Dollar-Nachthemden schlafen. Dafür ist ihre Leidenschaft für Juwelen unersättlich: Sie soll sie sogar alphabetisch sortiert haben.

Rubinsteins Unternehmen umfaast 100 Niederlassungen in 14 Ländern. Sie beschäftigt etwa 30.000 Angestellte und ihr Privatvermögen beträgt mehr als 100 Millionen US-Dollar, als sie am 1. April 1965 im Alter von 94 Jahren in einem New Yorker Krankenhaus stirbt. Bis kurz vor ihrem Tod hat sie ihr Kosmetikimperium noch selbst geleitet. Neben dem Konzern hinterlässt Helena Rubinstein ein Museum für Moderne Kunst. Seit 1988 gehört die Luxusmarke Helena Rubinstein zum L'Oréal-Konzern.