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Deutsch lernen

Hahnengeschrei

Utz, Michael3. November 2010

Als Tier ist er nützlich. Sitzt er im Korb, fühlt er sich sehr wohl, der Hahn. Als Hahnrei schwillt ihm gerne mal der Kamm. Fremden Hähnen würde er dann am liebsten den roten Hahn aufs Dach setzen oder anders Rache üben.

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Seit Menschen­gedenken gilt er als ein Verkünder der Zeit - genauer gesagt - des Tagesbeginns. Vielleicht haben Sie ihn ja gehört gegen Morgen, als er Sie in einer stillen Gegend fernab von den Städten unsanft aus dem Schlummer gerissen hat. Den ersten Hahnenschrei - oder besser noch Hahnengesang.

Singender Hahn

Ob man das Krähen wirklich als wohlklingenden Gesang bezeichnen kann, wenn man davon frühmorgens aus dem Bett geworfen wird, lassen wir einmal dahingestellt. Aber der Name Hahn weist ihn eindeutig als Sänger aus. Denn das lateinische galli-cinium bedeutete Hahnengesang und bei den Griechen nannte man den Hahn spöttisch ēїkanós - Frühsinger.

Auch im Französischen singt der Hahn: Dort heißt es: Le coq chante. In einer Fabel, die über die Niederlande nach Deutschland gekommenen ist, wird der Hahn chantecler genannt, was so viel wie Singehell bedeutet.

Hoch oben auf dem Kirchturm

Als Vogel des Tages und Verkünder der Helligkeit genoss der Hahn in verschiedenen Kulturen hohes Ansehen. Er galt als Wesen, das die feindlichen, unheimlichen Mächte der Nacht und der Finsternis verscheuchen konnte. In Persien war er dem Gott des Lichtes geweiht und galt als heiliges Tier.

Aber auch im christlichen Abendland hat der Hahn zu einer bemerkenswerten Wertschätzung gefunden. Weshalb nämlich darf er als Wetterhahn auf der Kirchturmspitze sitzen und die Windrichtung anzeigen? In der Antike wurde der Hahn mit verschiedenen Gottheiten in Verbindung gebracht und galt als der Künder des göttlichen Lichts und damit des Herrn, der Himmel und Erde erschaffen hat.

Teuflischer Aberglaube

Aber auch mit den Mächten der Finsternis und des Bösen wird der Hahn in Verbindung gebracht. Die rote Hahnenfeder ist in allen Mythen und Sagen, die vom Fürsten der Unterwelt handeln, der leuchtend freche Schmuck am Hut des Teufels. Wer einen vom Satan bewachten Schatz heben will, muss einen pechschwarzen Hahn als Opfer mitbringen, der aber unterwegs nicht krähen darf.

Roter Hahn

Als direkter Abkömmling des Höllenvogels fliegt der Hahn als Brandstifter aufs Dach. Der Begriff roter Hahn ist gleichbedeutend mit einem Brand oder einem Feuer, da Hähne gerne auf dem Dachfirst sitzen.

Aber auch ein bestimmter Gaunerzinken wird roter Hahn genannt. Mit diesen Zinken - geheimnisvolle buchstabenähnliche Zeichen - verständigten sich Diebe und Banditen seit dem 16. Jahrhundert. Dieser rote Hahn wurde an Häuser von Personen gekritzelt, deren Haus zur Rache in Flammen aufgehen sollte. Auch heute noch bedeutet die Redewendung jemanden den roten Hahn aufs Dach setzen, dass dessen Haus in Brand gesetzt wird.

Hähne im Korb

Will man einen krähenden Gockel - das süddeutsche Wort für Hahn - am Krähen hindern, muss man ihm schon den Hals umdrehen. Ansonsten bedenkt er von Natur aus nämlich so gut wie alles, was um ihn herum vorgeht, mit seinem unüberhörbaren Kommentar. Nur die für ihn völlig unwichtigen Nebensächlichkeiten, die niemanden interessieren, nach denen eben sprichwörtlich kein Hahn kräht, lässt er auf sich beruhen.

Sein beliebtester Aufenthaltsort ist der Hühnerhof, wo er - ganz der stolze Gockel - über seinen Harem wacht. Und als der Hahn im Korb - als der einzige Gockel im Hühnerstall - duldet er selbstver­ständlich keinen anderen Hahn neben sich.

Schwellende Kämme - Tretende Hähne

Hähne sind stolz. Wenn ihnen der ohnehin schon feuerrote Kamm schwillt, fliegen die Fetzen beziehungsweise die Federn. Als Hahn im Korb fühlen sie sich am wohlsten und zeigen dies auch unmissverständlich und ungeniert. Ihre Lieblingsbeschäftigung ist es, Hühner zu treten.

Der Hahnentritt ist ein Fachausdruck für jene von heftigem Flügelschlagen begleitete Tätigkeit, die im Allgemeinen zum Befruchten der Eier dient. Ein Hahnentritt kann aber auch ein ganz bestimmtes Stoffmuster sein, das aussieht wie der Fußabdruck eines Hahnes.

Gehörnte Ehemänner

In einem ordentlichen Hühnerhof gibt es nichts und niemanden, der einen ordentlichen Gockel zum Hahnrei machen könnte, denn für die Hennen ist am Zaun die Welt zu Ende. Hahnreie findet man nur unter der Menschenspezies. Denn ein Hahnrei ist ein Mann, dessen Frau ihn mit einem oder mehreren anderen Männern betrogen hat.

Mancher gehörnte Ehemann wirft seine Frau dann schon mal aus dem Haus und dreht ihr den Hahn zu. Wie bei einem Wasserhahn das Wasser einfach abgestellt wird, wird ihr dann etwa das Gemeinschaftskonto gesperrt. Der Wasserhahn hat seinen Namen wohl daher, weil er an das Bild eines schlaffen Hahnenhalses erinnert, bevor der gesamte Hahn in den Kochtopf wandert.

Der besoffene Hahn

Und da gibt es einen besonderen Hahn im Kochtopf, der weit über die Grenzen seines Heimatlandes Frankreich Berühmtheit erlangt hat. Mit ordentlich viel Wein und anderen Spirituosen, Pilzen und allerlei Gewürzen zubereitet, sollten Sie ihn sich schmecken lassen: den Coq au Vin. Nach einer durchzechten Nacht werden Sie dann vielleicht mit dem ersten Hahnenschrei ins Bett fallen und selig schlummern.


Fragen zum Text

Ein Wetterhahn …
1. kräht.
2. bewegt sich.
3. singt.

Als ein Zeichen des Satans soll … gelten.
1. eine rote Feder.
2. ein roter Hut.
3. ein roter Fuß

Will man einen Hahn töten, dann …
1. kitzelt man ihn zu Tode.
2. dreht man ihm den Hals um.
3. scheucht man ihn durch die Scheune.

Arbeitsauftrag
Das Motiv des Hahnreies ist oft aufgegriffen worden - in der Literatur, im Film und in der Musik. Suchen Sie sich im Internet eine Geschichte heraus. Tragen Sie diese in der Gruppe vor.

Autor: Michael Utz

Redaktion: Beatrice Warken