Habeck will Abhängigkeit von russischem Gas senken
5. Februar 2022Vor dem Hintergrund der andauernden Ukraine-Krise, betont der Bundeswirtschaftsminister: "Wir müssen unsere Vorsorge für den nächsten Winter verbessern." Die geopolitische Lage zwinge Deutschland, "andere Importmöglichkeiten zu schaffen und die Versorgung zu diversifizieren", sagte Robert Habeck der Funke Mediengruppe und der französischen Tageszeitung "Ouest-France".
Das sei Sicherheitspolitik, unterstrich der Vizekanzler. "Wir müssen hier handeln und uns besser absichern. Tun wir das nicht, werden wir zum Spielball." Der Grünen-Politiker warnte in diesem Zusammenhang vor den Folgen einer Inbetriebnahme der Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2. "Geopolitisch verschärft Nord Stream 2 nicht nur die Abhängigkeit von russischem Gas, sondern auch die Konzentration auf einen Lieferweg, der verletzlich ist", sagte er. Nord Stream 2 erhöhe die Notwendigkeit, die deutsche Gasversorgung zu diversifizieren. Der Minister kritisierte zudem, der Gasmarkt sei komplett dereguliert. "Bislang haben wir keine staatlichen Einflussmöglichkeiten. Dabei kann es nicht bleiben."
Nord Stream 2 war zuletzt ins Zentrum der Debatten über mögliche Sanktionen gegen Russland gerückt. Innerhalb der Bundesregierung gibt es unterschiedliche Positionen zu der Pipeline. Insbesondere die Grünen bewerten das Vorhaben kritisch, während der Koalitionspartner SPD eine Abkehr von dem Projekt bislang ablehnt.
Wachsende Sorgen
Zugleich sagte der Vizekanzler: "Die letzten Wochen und der Konflikt in der Ostukraine haben unsere Sorge, dass Russland seine Gaslieferungen auch gegen deutsche Interessen einsetzt, wachsen lassen." Sollte Russland die Ukraine angreifen, sei "jede Sanktion denkbar, die geeignet ist, Russland zum Rückzug zu zwingen", sagte Habeck. Die Lage sei aktuell brenzlig, Ziel müsse Deeskalation sein. "Zugleich ist es richtig, dass die USA und die Europäische Union in großer Gemeinsamkeit sagen: Wenn Russland in die Ukraine einmarschiert, wird es einen hohen ökonomischen Preis dafür zahlen."
Russland hat nach westlichen Angaben mehr als 100.000 Soldaten samt schwerem Gerät an der ukrainischen Grenze zusammengezogen. Der Westen befürchtet deshalb einen russischen Angriff auf das Nachbarland. Russland weist die Vorwürfe zurück und gibt zugleich an, sich von der NATO bedroht zu fühlen.
EU will mehr Gas von Aserbaidschan
Die Europäische Union bemüht sich vor dem Hintergrund der Spannungen mit Russland bereits um eine stärkere Diversifizierung des europäischen Energiemarktes. Dazu reiste die Energiekommissarin Kadri Simson in die öl- und gasreiche Kaukasusrepublik Aserbaidschan. "Wir wollen, dass die aus Aserbaidschan nach Europa exportierte Gasmenge von acht auf zehn Milliarden Kubikmeter steigt", sagte Simson nach einem Treffen mit Staatschef Ilham Alijew. Die EU pflege "starke bilaterale" Beziehungen zu Aserbaidschan, das ein "verlässlicher Energielieferant" sei.
Erhöhte Gaslieferungen aus Aserbaidschan seien "wichtig vor dem Hintergrund von Engpässen und steigenden Preisen auf dem Energiemarkt", betonte Simson auf einer Pressekonferenz. Sie wurde auf der Reise von Vertretern Großbritanniens, der USA und mehrerer EU-Staaten begleitet.
"Neue Phase der Kooperation"
Alijew sagte, sein Land habe im vergangenen Jahr über die Transadriatische Pipeline (TAP) 19 Milliarden Kubikmeter Gas exportiert, darunter 8,5 Milliarden Kubikmeter in die Türkei und sieben Milliarden Kubikmeter nach Italien. Auch die EU-Länder Griechenland und Bulgarien sowie Georgien wurden demnach mit aserbaidschanischem Gas beliefert. Vor dem Treffen mit Simson hatte Alijew bereits eine "neue Phase der Kooperation zwischen der EU und Aserbaidschan im Energiebereich" angekündigt.
Wegen der derzeitigen massiven Spannungen mit Russland hatten US-Präsident Joe Biden und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen vor Kurzem angekündigt, gemeinsam zusätzliche Erdgas-Bezugsquellen für Europa sicherstellen zu wollen. Europa ist in hohem Maße von russischem Erdgas abhängig. Beobachter befürchten, dass Russland im aktuellen Ukraine-Konflikt Energie auch als Druckmittel gegen EU-Staaten einsetzen könnte. Etwa 40 Prozent des in Europa genutzten Erdgases stammt aus Russland.
Aserbaidschans Staatschef Alijew ist seit 2003 im Amt. Menschenrechtsgruppen und westliche Regierungen werfen ihm vor, massiv gegen Regierungskritiker und unabhängige Journalisten vorzugehen.
kle/AR (afp, dpa, rtre)