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Argentiniens Präsident Milei unter Druck

Tobias Käufer
19. Februar 2025

Der libertäre Präsident Javier Milei steckt in seiner ersten schweren politischen Krise. Und die bedroht gleich sein wichtigstes Kapital: Die Glaubwürdigkeit seiner wirtschaftspolitischen Kompetenz.

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Argentinien 2025 | Präsident Javier Milei
Gegenwind für Argentiniens Präsident Javier MileiBild: Pilar Olivares/REUTERS

Der politische Aufstieg des Ökonomen Javier Milei zum Präsidenten fußte vor allem auf der Hoffnung der Argentinier, als Präsident könne er das Land wirtschaftspolitisch neu ausrichten. Nun aber bekommt dieser Markenkern einen dicken Kratzer. Inzwischen haben argentinische Anwälte vor einem Strafgericht Klage wegen Betrugs gegen den Präsidenten Javier Milei erhoben.

Der Fall "Cryptogate" hält Argentinien in Atem. Konkret geht es um den schnellen Aufstieg und Zusammenbruch der Kryptowährung Libra. Dabei geht es um eine Summe von rund 100 Millionen kurzfristig investierter US Dollar, die Anleger verloren haben. Wie viele davon aus Argentinien stammen und welche Einzelposten konkret investiert wurden, ist unklar. Das meiste Geld soll aus Argentinien und den USA stammen.

Werbung für Libra: Gelöschter Screenshot von Javier Milei
Werbung für Libra: Gelöschter Screenshot von Javier MileiBild: x.com/JMilei (deleted)

Milei bewarb Währung - und zog dann zurück

Argentiniens Präsident Javier Milei hatte mit einem Post Partei für $Libra ergriffen, aber nach wenigen Stunden seine verbale Rückendeckung wieder zurückgezogen. In der Zwischenzeit war die Währung zunächst stark angestiegen und dann eingebrochen. Die Opposition wirft Milei vor, dass er mit der Unterstützung der Währung tausende Kleinanleger dazu ermuntert habe, in die Währung zu investieren. Diese hätten nun ihr investiertes Geld verloren.

Der Fall hat eine politische und eine juristische Ebene. Während es juristisch schwer sein wird, dem Präsidenten eine direkte Verantwortung nachzuweisen, ist der politische Schaden bereits entstanden. Denn der Aufstieg von Milei vom TV-Ökonomen bis ins Präsidentenamt gründete vor allem auf dessen wirtschaftspolitischem Markenkern. Milei konnte das Scheitern der Vorgängerregierung erklären, nun steht er vor einem selbst angerichteten Scherbenhaufen.

Javier Milei - Heilsbringer oder Zerstörer?

Erschütterte Glaubwürdigkeit

"Der Fall beeinträchtigt die Glaubwürdigkeit Argentiniens. Es ist ein Schlag gegen das Profil des Präsidenten in wirtschaftlichen Fragen, ein Schlag gegen seine Ehrlichkeit und ein Schlag gegen sein Profil als weltweite Referenz", sagt Hernan Letcher, Direktor des Argentinischen Zentrums für Wirtschaftspolitik (CEPA), im Gespräch mit der Deutschen Welle. Der Fall könne nach seiner Einschätzung Konsequenzen in der Finanzdynamik, auf den Märkten und vor allem bei Finanzierungsmöglichkeiten haben.

"Auch in der Vereinbarung mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) könnte der Fall Auswirkungen haben. Hier benötigt die Regierung, um das Wirtschaftsmodell mit einem stark gestiegenen Wechselkurs aufrechtzuerhalten, die Zufuhr von frischem Geld, die sie vom IWF erwartet." Das Problem sei, dass beim Internationalen Währungsfonds (IWF) die Ereignisse sicher nicht gut angekommen seien, zumal Milei wusste, dass der IWF die Regulierung von Kryptowährungen immer befürwortet habe.

Portrait-Aufnahmen von Agustin Etchebarne im offenen hellblauem Hemd
"Eigentlich" befinde sich Argentinien in "gutem Zustand", sagt Agustin EtchebarneBild: Tobias Käufer/DW

Keine langfristigen Auswirkungen

"Eigentlich war die vergangene Woche eine sehr gute Woche für Argentinien", sagt Agustin Etchebarne vom wirtschaftsliberalen Think Tank Fundacion Libertad y Progresso auf Anfrage der Deutschen Welle. Der Fall sei aber ein echter Fauxpas der Regierung.

"Es war richtig anzuerkennen, dass ein Fehler begangen wurde, dass es bestimmte Dinge zu korrigieren gilt, und dass eine Untersuchung notwendig ist", so Etchebarne. Langfristige Auswirkungen für die argentinische Wirtschaft erwartet er dagegen nicht, denn das Land befinde sich in einer wirtschaftlich guten Entwicklung.

Proteste gegen Milei und seinen Freund Trump: Viele Menschen wollen Mileis libertären Kurs nicht mitgehen
Proteste gegen Milei und seinen (wirtschafts-) libertären Kurs gibt es in Buenos Aires oftBild: Pablo Barrera/Anadolu/picture alliance

Verheerendes Medienecho

Das Echo in den argentinischen Medien ist allerdings verheerend, der Fall sei wie "eine Kugel, die das Vertrauen und die Autorität von Milei, die auf der Wirtschaft aufbauen, durchschlage", schreibt die Zeitung Clarin. "Noch weiß niemand, ob seine Fähigkeit, Vertrauen und Erwartungen in der Gesellschaft zu wecken, auf dem Weg zu den Wahlen beeinträchtigt wird."

Die Zeitung La Nacionkritisierte, eine Regierung aus in Panik geratenen Beamten, die befürchteten, durch abweichende Meinungen oder unangebrachte Ratschläge aus der Verwaltung gedrängt zu werden, sei der schlechteste Verbündete einer politischen Führungsfigur. Außerdem sei der Präsident der am wenigsten befugte Beamte, um private Geschäfte zu unterstützen.

Pagina 12 berichtete über Proteste gegen den Präsidenten auf der Plaza de Mayo: "Menos $Libra, más libros" (Weniger Libra, mehr Bücher), forderten die Demonstranten mit Blick auf Kürzungen im Bildungswesen.

Hoffen auf starke Wirtschaftsdaten

Um aus der Krise herauszukommen, braucht die Regierung nun Erfolge in der Wirtschaftspolitik, die den bisherigen radikalen Reformkurs stützen. Die könnte es durchaus geben, denn die ökonomischen Kennziffern sprechen dafür, dass das Land aus der schweren Wirtschaftskrise der letzten Jahre herausfinden könnte.

Die Inflation im Januar ist mit 2,2 Prozent die niedrigste seit 2020, zugleich steigen die Löhne über dem Inflationsniveau. Hinzu kommen kleinere Erfolgsnachrichten: So konnte Argentinien Kolumbien bei der Erdölproduktion überflügeln.

Bislang haben die Argentinier Mileis Kurs mitgetragen. Laut einer Umfrage vor „Cryptogate" konnten sich 42 Prozent der Wähler vorstellen, für seine Partei "La Libertad Avanza" zu stimmen.

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Die Überschrift des Artikels wurde am 20.02.2025 geändert.