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Gsänger: "Fossile Lobby kämpft gegen Windausbau"

Gero Rueter2. Juni 2014

Die fossile Lobby will in Industrieländern den Windausbau stoppen, meint Stefan Gsänger. In Entwicklungsländern dagegen sieht der Generalsekretär des Weltwindenergieverbands einen Boom.

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Stefan Gsänger, Generalsekretär der World Wind Energy Association (Foto: Andreas Birresborn).
Bild: Andreas Birresborn/WWEA

Deutsche Welle: Herr Gsänger, der Zubau der Windenergie schreitet weltweit voran. Aber es gibt sehr unterschiedliche Trends. Warum?

Stefan Gsänger: In den USA lief zum Beispiel ein Fördersystem aus, deshalb gab es hier einen Einbruch: 2012 wurden rund 13.000 Megawatt (MW) zugebaut, 2013 waren es gut 1000 MW. Zugleich wachsen die Märkte in den Schwellen- und Entwicklungsländern.

China dagegen führt weltweit weiterhin bei der Installation. Der Zubau stieg auf 16.000 MW im letzten Jahr, im Jahr zuvor waren es noch 13.000 MW. China braucht viel Energie - und sie soll günstig und sauber sein. Gerade die Luftverschmutzung ist hier katastrophal und verursacht auch volkswirtschaftliche Schäden. Deswegen wurde in China zum ersten Mal mehr in Erneuerbare Energien investiert als in fossile Kraftwerke.

Starken Zuwachs sehen wir auch in Indien, Afrika und Lateinamerika. Die Länder brauchen Strom, häufig gibt es nur die Erneuerbaren Energien und diese sind kostengünstig. In den OECD-Ländern verlangsamt sich jedoch die Dynamik des Zubaus.

Die Industrieländer waren die Vorreiter bei der Windkraft. Warum verliert hier die Dynamik an Fahrt?

Man sieht mittlerweile eine starke Bewegung gegen Windenergie, gegen erneuerbare Energien. Der fossile und atomare Sektor verstärkt den Gegenangriff. Sie wollen den Ausbau der Windenergie und der Erneuerbaren stoppen, weil dieser auf Kosten ihres traditionellen Geschäftsbereichs geht.

Infografik: Globale Entwicklung der Windenergie (Grafik: DW).

Wie sieht der Gegenangriff aus?

Wir sehen einen massiven Einfluss auf die Gesetzgebung in den verschiedenen Ländern. In der EU ist mittlerweile ein verbindliches Ausbauziel für Erneuerbare Energien bis 2030 nicht mehr selbstverständlich. In den USA gibt es immer wieder Probleme für zuverlässige Rahmenbedingungen und in Japan wird wieder das Anfahren der Atomkraftwerke gegen den Willen der Bevölkerung diskutiert. Und in Australien, wo die Kohlelobby besonders stark ist, werden momentan praktisch alle Programme gestrichen, die mit Klimaschutz und Erneuerbaren Energien etwas zu tun haben.

Was tun Sie dagegen?

Wir sind da etwas in der Rolle des David gegen den Goliath. Die Finanzkraft der Verbände im Bereich der Erneuerbaren Energien ist im Vergleich zur fossilen Lobby lächerlich. Wir informieren und versuchen zu überzeugen. Zum Glück sind schon viele Menschen von Erneuerbaren Energien überzeugt. Wir müssen sie ermutigen, dass sie sich weiter dafür einsetzen.

Deutschland gehört zu den Pionieren der Windkraft. Windkraftanlagen mit einer Leistung von 35.000 Megawatt liefern neun Prozent des deutschen Stroms, das ökonomisch nutzbare Potenzial ist laut einer Studie des Bundesumweltamts sogar über 30 Mal so groß. Nun will die deutsche Regierung aber die Dynamik bremsen und das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) reformieren. Wie sehen Sie die Zukunft?

Es gibt viel Verunsicherung - die Stimmung in der Windbranche ist nahezu depressiv. Bei einem schlimmen Reformergebnis könnte der Windausbau fast zum Erliegen kommen. Das wäre eine Katastrophe und noch mehr Unternehmen könnten pleite gehen. Deutschland war vor zwei Jahren noch unangefochten Weltmarktführer, vor allem bei der Technologie. Jetzt kann der Heimatmarkt verloren gehen und damit wird die Technologieführerschaft international aufs Spiel gesetzt. Konkurrenzunternehmen, vor allem aus Asien, aus China, vielleicht auch Korea, würden gerne diese Märkte übernehmen.

Alte Industrieländer bremsen die Erneuerbaren, China baut dagegen stark aus. Welche Rolle übernimmt China?

China ist Vorbild für viele andere Länder und kann seine Umwelttechnologie auch günstig exportieren. Die chinesische Windindustrie fängt an sich neue Märkte zu erschließen und hilft Ländern, ihren Energiebedarf mit Erneuerbaren Energien zu decken.

Wie sehen Sie die Entwicklung in den nächsten Jahren?

Wichtig ist die Klimadiskussion. Im nächsten Jahr soll es in Paris ein Nachfolgeabkommen für das Kyoto-Protokoll geben. Eine verbindliche Übereinkunft wäre für die Windenergie sehr günstig. Anderseits haben wir die Auseinandersetzungen mit dem fossilen Sektor, den traditionellen Stromkonzernen. Die Öl-, Gas und Kohlelobby wird sich ihr Geschäft nicht einfach wegnehmen lassen. Der endgültige Durchbruch der Erneuerbaren lässt sich nicht aufhalten, er lässt sich aber verzögern.

Optimistisch sehe ich die Entwicklung in Ländern, wo viele Menschen ohne Strom leben. Das sind riesige Märkte für Wind- und Solaranlagen. Da wird sich eine neue Dynamik entwickeln und längerfristig wird diese wieder die Industrieländer befeuern.

Stefan Gsänger ist Generalsekretär des Weltwindkraftverbandes "World Wind Energy Association" (WWEA). Der internationale Dachverband zur Förderung der Windenergie veröffentlicht regelmäßig die Statistiken über die globale Entwicklung der Windenergie.

Das Interview führte Gero Rueter.