Grüner Wasserstoff: Namibias Mammutprojekt wird konkret
27. Mai 2023"Namibia muss seinen rechtmäßigen Platz als Drehscheibe für saubere Energie in Afrika einnehmen!" So eröffnete der Vorsitzende des namibischen Regierungsgremiums für grünen Wasserstoff, Obeth Kandjoze, die Zeremonie zur Unterzeichnung der Machbarkeits- und Umsetzungsvereinbarung mit dem Unternehmen Hyphen Hydrogen Energy, einem Joint Venture unter deutscher Beteiligung. Innerhalb von zwei Jahren soll nun abschließend geklärt werden, ob und wie das geplante Mammut-Projekt im Süden Namibias umgesetzt werden kann.
Im Tsau-ǁKhaeb-Nationalpark sollen noch vor Ende des Jahrzehnts jährlich zwei Millionen Tonnen Ammoniak produziert und von dort aus in die ganze Welt verschifft werden. Hyphen hofft auf einen Produktionsbeginn bereits ab 2028. Dafür sind zwei jeweils 2000 Quadratkilometer große Konzessionen in dem Nationalpark vorgesehen. Weitere 14.000 Quadratkilometer sollen in Zukunft noch ausgeschrieben werden.
Teure Superlative für Namibia
Doch die Superlative gehen noch weiter. Um die benötigte Energie für die Spaltung von Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff sowie die Weiterverarbeitung zu Ammoniak zu erhalten, benötigt Hyphen nach eigenen Angaben rund 7000 Megawatt Strom. Zum Vergleich: Der aktuelle Maximalverbrauch Namibias liegt bei knapp über 600 Megawatt. Hinzu kommen eine neue Entsalzungsanlage, kilometerlange Pipelines und nicht zuletzt ein komplett neuer Hafen in Lüderitz.
Trotzdem zeigt sich der Vorstandsvorsitzende der deutschen Aktiengesellschaft Enertrag, Gunar Hering, optimistisch. Das Unternehmen ist zusammen mit der britischen Nicholas Holdings Teilhaber von Hyphen Hydrogen Energy. Im DW-Interview sagt Hering: "Von dem ganzen Umfang der Studien, die bisher gemacht worden sind in der Konzeptstudie, sind wir sehr zuversichtlich, dass dieses Projekt nicht nur aus Klimagesichtspunkten sehr sinnvoll ist, sondern dass es auch als privatwirtschaftliches Projekt kommerziell sinnvoll ist."
Regierung in Windhuk zuversichtlich
Diese Ansicht teilt auch der Wasserstoff-Sonderbeauftragte der namibischen Regierung, James Mnyupe: "Wir wissen, dass dieses spezielle Projekt fast 20 Prozent der heutigen Steuereinnahmen des Staates einbringen könnte", sagte Mnyupe der Deutschen Welle.
Die namibische Regierung soll vor allem von Steuerabgaben, Lizenzgebühren und der Verpachtung der benötigten Gebiete im Nationalpark profitieren. Außerdem hat sie noch die Möglichkeit, mit 24 Prozent Anteilseignerin an dem Projekt zu werden. Eine Möglichkeit, die sie nach Angaben von Mnyupe wahrnehmen wird. Für ihn ist es keine Frage des "ob", sondern des "wann".
Zumal sich die Kosten bei einem Gesamtumfang von 90 Millionen Euro im Entwicklungsstadium noch im Rahmen halten würden. "Um ehrlich zu sein, haben wir schon Zuschussmittel mobilisiert, die die gesamten 24 Prozent der 90 Millionen abdecken können," sagte Mnyupe der DW.
Die Energie fließt ins Ausland
Insgesamt hat die Regierung nun sechs Monate Zeit, um Anteilseignerin zu werden. Sollte das Projekt allerdings zu einem Finanzierungsabschluss kommen, würden die Kosten für Namibia noch einmal drastisch steigen. Die Gesamtkosten für die Wasserstoffanlage im Süden des Landes werden aktuell auf zehn Milliarden US-Dollar beziffert. Das entspricht beinahe dem jährlichen Bruttoinlandsprodukt Namibias.
Laut Mnyupe muss die Regierung dann entscheiden, ob man die gesamten Anteile halten oder die Gelder lieber anderweitig in die Entwicklung der notwendigen Infrastruktur oder von weiteren Projekten stecken will. Beispielsweise zur Nutzung von grünem Wasserstoff und Ammoniak in Namibia.
Denn von den anvisierten zwei Millionen Tonnen Ammoniak bleibt erst mal nichts im Land. Hyphen hat bereits Absichtserklärungen zur Abnahme des Rohstoffes mit dem deutschen Energieversorger RWE, dem südkoreanischen Wasserstoffunternehmen Approtium und einem nicht namentlich genannten europäischen Chemiekonzern unterzeichnet.
Wasserstoff: "Namibia ist Vorreiter"
Immerhin soll die Arbeitskraft zum größten Teil aus Namibia kommen. Ein Versprechen, das selbst einige der lautesten Kritiker des Projekts verstummen lässt. Der Vorsitzende des Regionalrats der ǁKharas-Region in Namibia, Joseph Isaacks, hatte noch im vergangenen Jahr die fehlende Einbeziehung der regionalen Politiker bei der Entwicklung des Projekts moniert und von Verfassungsbruch gesprochen. Nach einer Einladung zur Unterzeichnung der Machbarkeitsvereinbarung lobte er Namibias Staatspräsidenten Hage Geingob für seine Visionskraft und bezeichnete die geplante Wasserstoffindustrie in Namibia als dessen "Vermächtnis".
Um dieses Vermächtnis zu realisieren, sollen in den kommenden zwei Jahren die notwendigen Umwelt- und Machbarkeitsstudien durchgeführt werden. Damit könnte Namibia neue globale Standards setzen, wie der Vorsitzende des namibischen Regierungsgremiums für grünen Wasserstoff, Obeth Kandjoze, betonte: "Namibia ist Vorreiter bei der Gestaltung dieser Industrie."