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10. März 2017Manchmal werde ja behauptet, erklärte Parteichef Cem Özdemir bei der Vorstellung des Wahlprogramms in Berlin, dass den Grünen das Thema Ökologie von den anderen Parteien "weggenommen" worden sei. Aber das sei Unsinn. "Umweltschutz können wir am besten, da macht uns keiner etwas vor", betonte Özdemir, der auch Spitzenkandidat seiner Partei für die Bundestagswahl ist. Seine Ko-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt erinnerte an ein populäres Plakat aus der Anfangszeit der 1980 gegründeten Grünen, auf dem stand: "Wir haben diese Erde von unseren Kindern nur geborgt." Genau das gelte auch heute noch.
Und so beginnt der Entwurf des Wahlprogramms, das im Juni noch ein Parteitag der Grünen beschließen muss, wenig überraschend mit Forderungen zum Umwelt- und Klimaschutz. Baustellen finden sich auch im Öko-Musterland Deutschland zuhauf: Veraltete Kohlekraftwerke, die die Atmosphäre schädigen, mit Pestiziden vergiftete Äcker und zu viel Feinstaub in der Luft der großen Städte. Für die Grünen sind das keine Themen von gestern, sondern existenzielle Fragen, auch für die Zukunft: "2030 muss das letzte Jahr sein, in dem ein Verbrennungsmotor vom Band geht", betonte Özdemir - und schob direkt hinterher, dass sich diese Forderung keinesfalls gegen den Automobilstandort Deutschland richte. Nur liege dessen Zukunft eben in emissionsfreien Fahrzeugen.
"Wir sind kein Anhängsel"
Diese Vision passt zur Ankündigung der beiden Spitzenkandidaten, dass das Wahlprogramm der Grünen "die großen Fragen" stellen will. Ob das auch zu einer großen Zustimmung führen wird, ist allerdings fraglich. In Umfragen wie dem aktuellen Deutschlandtrend der ARD stagnieren die Grünen bei acht Prozent Zustimmung. Das liegt klar unter dem "deutlich zweistelligen" Ergebnis, das die Partei bei der Bundestagswahl erreichen will. "Dass die SPD jetzt auch bei uns fischt, ist nicht zu verhindern", kommentierte Özdemir die stark gestiegene Zustimmung zu den Sozialdemokraten und ihrem Kanzlerkandidaten Martin Schulz.
Nachdem die Grünen bereits in elf Bundesländern mitregieren, sei "jetzt der Bund fällig", gab sich Özdemir dennoch unverdrossen. Wer keine große Koalition mehr wolle, sei es unter der Führung von Angela Merkel (CDU) oder dem SPD-Spitzenkandidaten Martin Schulz, der müsse die Grünen wählen. Und die seien nun mal "kein Anhängsel" irgendeiner anderen Partei.
Keine Belehrungen im Wahlkampf
Dieser Logik folgend halten die Grünen sich von allem fern, was als Vorfestlegung auf ein künftiges Regierungsbündnis verstanden werden könnte - sei es auf eine Koalition mit den Sozialdemokraten wie 1998 bis 2005 unter Kanzler Gerhard Schröder oder auf ein Bündnis mit der CDU, wie es in den Bundesländern Hessen und Baden-Württemberg leidlich funktioniert. Ausschlaggebend seien am Ende die Inhalte, betonte Göring-Eckardt, die Fraktionsvorsitzende ihrer Partei im Bundestag. "Wir treten sicher nicht in eine Koalition ein, die über Obergrenzen für Flüchtlinge redet oder den Klimawandel nicht ernsthaft bekämpft."
Weitere zentrale Wahlkampf-Forderungen der Grünen sind die Ehe für alle - auch für homosexuelle Paare - und eine Vermögenssteuer für "Superreiche", also für "Milliardäre und Multimillionäre". Das Ziel, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Rüstung und Verteidigung zu stecken, halten die Grünen für absurd. Sie wollen stattdessen Familien mit 12 Milliarden Euro jährlich fördern, marode Schulen sanieren und die Kinderarmut bekämpfen.
Zurückhalten will sich die Partei mit Forderungen, die als Belehrungen (miss)verstanden werden könnten. Nachdem die Grünen im Wahlkampf 2013 verspottet worden waren, weil sie einen fleischlosen Tag pro Woche in Kantinen vorgeschlagen hatten, soll die Ansprache im Wahlkampf diesmal eine andere sein. Spitzenkandidat Cem Özdemir umschrieb es so: "Unsere Haltung ist die, dass wir die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen haben."