Größere Unabhängigkeit für Indien durch deutsche U-Boote?
9. Februar 2025Es ist ein Milliardengeschäft: Für die indische Marine soll der deutsche Industrie- und Stahlverarbeitungskonzern Thyssenkrupp sechs U-Boote bauen. Ein entsprechendes Angebot mit einem indischen Partner wurde genehmigt.
Die Schiffsbausparte des Konzerns, die unter dem Namen Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS) läuft, hat sich mit der staatlichen indischen Werft Mazagon Dock Shipbuilders (MDS) zusammengetan. Beide Unternehmen bestätigten kürzlich, dass das indische Verteidigungsministerium ihr Angebot "zur weiteren Prüfung" freigegeben habe.
Das Angebot des deutsch-indischen Joint Ventures war das einzige, das die Feldversuche der Marine bestanden hatte. Der spanische Mitbewerber Navantia mit seinem indischen Partner Larsen & Toubro war dabei ausgeschieden.
Laut einer Börsenmitteilung von MDS hat das indische Verteidigungsministerium das deutsche Unternehmen zu Geschäftsverhandlungen eingeladen. Mit den Verhandlungen vertraute Personen sprechen Medienberichten zufolge von einem Projektwert von rund 5,2 Milliarden US-Dollar (fünf Milliarden Euro), dieser könnte jedoch noch steigen.
In einer Stellungnahme erklärte Oliver Burkhard, Vorsitzender der Geschäftsführung von TKMS: "Als Partner und mit Unterstützung der deutschen und indischen Regierung werden MDL und Thyssenkrupp Marine Systems Standards setzen für eine nachhaltige und sichere maritime Zukunft."
Das Abkommen ist jedoch nicht zwingend ein Hinweis darauf, dass Indien sich in naher Zukunft weniger abhängig von Rüstungsgütern aus Russland machen wird. Laut dem Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI kamen in den Jahren 2019 bis 2023 gut 36 Prozent der indischen Rüstungsimporte aus Russland, so viel wie aus keinem anderen Land.
"Indiens Abhängigkeit von russischen Militärgütern bleibt unverändert und das Land zeigt wenig Interesse, diese wesentlich zu verringern", sagt Sushant Singh, der an der US-Universität Yale an der Fakultät für Südasiatische Studien lehrt.
SL Narasimhan gehörte den indischen Streitkräften an und ist jetzt Experte für indische Sicherheitsfragen. Er geht davon aus, dass Indien und Europa ihre Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich verstärken werden, "wenn Bedarf, Kostenerwartungen und Verfügbarkeit übereinstimmen".
Im Gespräch mit der DW verweist er auf ein weiteres Beispiel für die Zusammenarbeit: das kürzlich zwischen Frankreich und Indien abgeschlossene Abkommen für den Bau von U-Booten der Scorpène-Klasse.
Zudem hat Deutschland bereits in großem Umfang Waffen an Indien geliefert. Mit einem Volumen von mehr als umgerechnet 150 Millionen Euro (160 Millionen Dollar) war Indien im ersten Halbjahr 2024 der drittgrößte Empfänger deutscher Rüstungsgüter weltweit.
Entwickelt in Deutschland, produziert in Indien
Bei diesem Geschäft geht es um sechs dieselgetriebene U-Boote, laut TKMS die modernsten konventionellen U-Boote der Welt. Zu den technischen Anforderungen zählt ein außenluftunabhängiger Antrieb - AIP oder Air-Independent Propulsion, der es den Booten erlaubt, länger unter Wasser und so besser getarnt zu bleiben.
Angesichts der wachsenden Präsenz der chinesischen Marine im Indischen Ozean und in ganz Südasien versucht die indische Marine, ihre Fähigkeiten auszubauen. "Indien entwickelt sich zu einer wichtigen Seemacht", betonte der indische Premierminister Narendra Modi beim Stapellauf zweier in Indien produzierter Kriegsschiffe und eines U-Boots Mitte Januar.
Laut TKMS stellt das Unternehmen seine Fachkompetenz bei der Entwicklung und Konstruktion der neuen U-Boote zur Verfügung, die dann von MDS in Indien gebaut werden.
Thyssenkrupp arbeitet bereits seit längerem mit der indischen Marine zusammen. In den 1980ern baute Howaldtswerke-Deutsche Werft, ein ehemaliger Schiffsbauer, der jetzt zu TKMS gehört, vier U-Boote für Indien. Zwei dieser Boote wurden in der norddeutschen Hafenstadt Kiel gebaut, zwei in Mumbai.
Das jetzige Abkommen sei "nichts Neues" meint Sushant Singh. "Es handelt sich um ein altes Projekt, das nun nach erheblichen Verzögerungen wieder vorangebracht wird, nachdem die U-Boot-Flotte der indischen Marine ein kritisches Stadium erreicht hatte."
Modi hat die heimische Produktion von Verteidigungsgütern zur Priorität erklärt und die Ausgaben für die Verteidigung stiegen während seiner zehn Jahre im Amt in absoluten Zahlen deutlich. Prozentual gesehen ist der Anteil der Verteidigungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt (BIP) in jedem der vergangenen vier Jahre jedoch gesunken.
"Die Verteidigungskräfte rufen nach Modernisierung, aber sie erhalten keine Mittel, um moderne Waffen und Plattformen zu kaufen", erklärt Sing. "Über die Hälfte der indischen Verteidigungsausgaben werden für Personalkosten aufgewendet. Angesichts einer hohen Inflation und sinkender Wechselkurse sinken die Mittel für den Kauf von Rüstungsgütern in realen Werten drastisch."
Abhängigkeit von Russland
Das Abkommen mit Thyssenkrupp entspricht ganz dem Bestreben Modis, im Land zu produzieren, denn die Boote sollen in Indien gebaut werden. Jüngsten Daten von SIPRI zufolge ist Indien jedoch weiterhin der weltweit größte Waffenimporteur. Nahezu zehn Prozent der weltweiten Waffeneinfuhren entfielen zwischen 2019 und 2023 auf das Land.
Eine zentrale Rolle spielt dabei Russland, das für die Regierung Modi noch immer der wichtigste Partner für Waffenlieferungen ist. Es gibt jedoch Anzeichen, dass sich Indien allmählich unabhängiger macht. In den Jahren 2019 bis 2023 kamen 36 Prozent der indischen Waffeneinfuhren aus Russland, doch im Zeitraum 2017 bis 2021 waren es noch 46 Prozent, zwischen 2012 und 2016 sogar 69 Prozent.
Singh äußert dennoch Zweifel, denn das Geschäft mit Thyssenkrupp verweise nicht auf einen Trend. "Diese Art der begrenzten Zusammenarbeit, mit einer Geschichte der Kooperation, für ganz spezifische Güter, ist normal."
Bei einem Treffen im vergangenen Oktober vereinbarten Modi und der deutsche Kanzler Olaf Scholz eine "verstärkte wirtschaftliche Zusammenarbeit im Verteidigungssektor". Der besondere Schwerpunkt galt dabei der "technologischen Zusammenarbeit, Fertigung/Koproduktion und gemeinsamen Entwicklung von Verteidigungssystemen und -ausrüstung".
Von der DW auf eine künftige mögliche Zusammenarbeit Indiens und Deutschlands im Verteidigungsbereich angesprochen, verwies das Bundesverteidigungsministerium auf eine Erklärung von Verteidigungsminister Boris Pistorius während eines Indienbesuchs im Jahr 2023.
"[Wir brauchen] eine verlässliche Kooperation im Bereich Rüstung und militärischer Zusammenarbeit mit den strategisch zuverlässigen Partnern. Und dazu zählt Indien", sagte Pistorius damals.
Singh geht dennoch davon aus, dass der Umfang russischer Importe nach Indien hoch bleiben wird. Dafür gebe es verschiedene Gründe: "Den niedrigen Preis russischer Systeme, die Bereitschaft Moskaus zum Transfer von Spitzentechnologie und die Kontrolle Russlands über Ersatzteile und Munition für Ausrüstung, die bereits vom indischen Militär genutzt wird."
Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.