Großes Tennis – aber nicht von den Deutschen
1. Februar 2009Bei den Herren führt derzeit immer noch kein Weg an Rafael Nadal und Roger Federer vorbei. Im von den Fans erhofften Traumfinale der beiden besten Tennsprofis der Welt setzte sich der Spanier in einem hart umkämpften Fünfsatzmatch gegen den Schweizer durch und festigte so seine Führung in der Weltrangliste.
Sicher sein, dass er diese Position das ganze Jahr über hält, kann sich der der 22jährige Nadal aber nicht. Nachdem Roger Federer zu Beginn des letzten Jahres einen gesundheitlichen Rückschlag hatte hinnehmen müssen, an dem er lange knabberte, zeigte der 27jährige in Melbourne, dass er fast wieder der Alte ist und Nadal weiter jagen wird.
Die Verfolger drängen nach vorn
Aber da ist ja nicht nur Federer. Die Riege der jungen Wilden, zu der Novak Djokovic aus Serbien, der Schotte Andy Murray, die Franzosen Jo-Wilfried Tsonga und Gilles Simon sowie der Argentinier Juan Martin del Potro gehören, ist um zwei Namen größer geworden. Im Halbfinale hatte der Spanier Fernando Verdasco seinen Landsmann Nadal im längsten Spiel der Australian Open-Geschichte schon ganz nah an den Rand einer Niederlage gebracht, ehe der Weltranglistenerste den Kopf noch einmal so gerade eben aus der Schlinge ziehen konnte. Und nach einer massiven Gewichtsabnahme scheint auch der Amerikaner Andy Roddick wieder das Zeug zu haben, um ganz oben mitzuspielen.
Breite Spitze bei den Frauen
Bei den Frauen ist die Lage noch enger. Mit Serena Williams, die ihren zehnten Erfolg bei einem Grand Slam-Turnier feierte, was vor ihr erst sechs andere Spielerinnen schafften, gewann zwar eine der Favoritinnen, es hätten aber auch rund zehn andere Spielerinnen sein können.
Die Spitze im Damentennis ist breit wie nie, besonders die Spielerinnen aus dem Ostblock drängen nach vorn. Allen voran die Russinnen, die für ein Novum sorgten – drei von ihnen im Halbfinale gab es bei einem Grand Slam noch nie. Außerdem scheint hier der Nachschub nicht auszugehen. Fehlt eine der Favoritinnen – diesmal Maria Scharapowa – rückt eben eine andere nach: Wera Swonarewa kam erstmals unter die letzten Vier bei einem der ganz großen Turniere.
Enttäuschende Deutsche
Wer schon vor dem Turnier nicht besonders viel von den deutschen Profis erwartet hatte, lag goldrichtig. Dass es aber so schlecht werden würde, hatten wohl nicht einmal die größten Pessimisten geahnt. Nicht ein einziger Spieler erreichte die zweite Woche von Melbourne – das ist das schlechteste Abschneiden seit Jahren. Dabei hatten sich mit 21 Spielern so viele wie nie für das Turnier qualifiziert – aber das täuschte über den wahren Leistungsstand hinweg.
Sicher, es war auch viel Pech mit im Spiel, denn zumindest bei den Männern war das deutsche Spitzenquartett durchweg durch Krankheiten und Verletzungen gehandicapt. Dennoch bleibt als Fazit nur, dass die deutschen Tennisspieler und –spielerinnen derzeit nicht einmal ansatzweise in der Lage sind, mit den Besten der Szene mitzuhalten.
Da hilft es auch nicht viel, dass man am Ende noch über den Finaleinzug von Alexandros-Ferdinandos Georgoudas bei den Junioren jubeln durfte. Auch wenn man dem Jungen alles Gute wünscht, muss man doch konstatieren, dass ein derartiger Erfolg noch keine Garantie für eine große Profikarriere ist – das haben leider schon mehrere deutsche Spieler in der Vergangenheit bewiesen.
Falsche Einstellung
Klar, nicht jeder hat das Zeug zur Nummer eins. Doch was man bei den deutschen Tennisprofis derzeit auch vermisst, ist das "sich aufbäumen" oder das "über sich hinauswachsen". Wo andere mit dem unbedingten Siegswillen antreten, hadern und zaudern sie zu oft.
Und wenn ein Philipp Kohlschreiber nach seiner Niederlage das Fünfsatzsystem des Turniers in Frage stellt, anstatt seine Leistung zu analysieren, wenn der Herren-Bundestrainer seine Ziele so niedrig ansetzt, dass es ihm schon reichen würde, wenn ein Spieler die zweite Woche erreicht - also praktisch höchstens Platz 16 anvisiert –, dann erkennt man, dass die Einstellung grundsätzlich nicht stimmt.
Übrigens – mit einer Bilanz, wie sie das deutsche Tennis in Melbourne aufzuweisen hat, verlieren andere olympische Sportarten die Optimalförderung durch den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB).