Wirtschaft vor den Neuwahlen verunsichert
9. Januar 2015Der 70-jährige Geschäftsmann Giorgos Tsakmakis schüttelt den Kopf, wenn er das Radio einschaltet. In einem regierungsnahen Sender will ihm der Moderator Angst machen: Sollte er bei den Wahlen nicht für die konservative Nea Dimokratia stimmen, dann würden morgen seine Kinder hungern. Ihm selbst würde zum kommenden Monat die Rente nicht mehr ausbezahlt werden können. Die Europäer würden den Griechen kurzerhand den Geldhahn zudrehen.
Ganz andere Informationen erhält der Malermeister mit eigenem großem Fachgeschäft im Herzen Thessalonikis, wenn er unabhängige Fernsehsender einschaltet. Dort erfährt er, dass Griechenland längst nicht mehr als ein schwergewichtiges, ökonomisches Pulverfass innerhalb der Europäischen Union angesehen wird. Die europäischen Vertragspartner wären inzwischen bereit, neu über die Rückzahlungsmodalitäten seiner Heimat zu verhandeln, heißt es dort. Außerdem wüssten viele Menschen in Deutschland, dass Griechenland mit diesem rigorosen Sparkurs auf Dauer nicht überleben, geschweige denn Investoren ins Land locken kann.
"Wir wissen einfach nicht mehr, war wir glauben sollen", sagt Tsakmakis. "Wir wissen nur, dass wir uns nicht noch einmal von der Regierung einen Bären aufbinden lassen."
"Hauptsache, es geschieht etwas."
Ähnlich wie Giorgos Tsakmakis denken inzwischen viele Geschäftsleute aus allen Wirtschaftsbereichen des Landes. Die Zukunft könne nur besser werden, hört man sie immer wieder sagen. Tsakmakis selbst stammt aus einer konservativen Familie. Überzeugte Stammwähler der Regierungspartei Nea Dimokratia von Antonis Samaras seien sie alle gewesen.
Solange er zurück denken kann, wurde sein Land entweder von der konservativen Nea Dimokratia oder von der sozialistischen Pasok regiert. Inzwischen glaubt der Geschäftsmann an eine, wie er sagt, "unbefleckte" junge Partei, wie dem Linksbündnis Syriza. Und deshalb will er bei den Neuwahlen am 25. Januar für sie stimmen - genau wie seine Kinder, seine Angestellten und viele seiner Kunden.
Die positiven Geschäftsberichte der Nea Dimokratia sei er leid, erklärt Tsakmakis: "Die reale Wirtschaft findet täglich hier vor Ort statt, bei mir am Schreibtisch." Wenn er abends die Einnahmen zusammenrechne, dann wisse er, dass niemand in Europa davon leben könne. "Für mich bedeuten Neuwahlen eine Zukunft. Egal, ob innerhalb oder außerhalb der Eurozone. Hauptsache, es geschieht etwas."
Raus aus dem Euroraum will niemand so ganz
In den griechischen Wirtschaftszeitungen werden alle Szenarien eines Regierungswechsels durchgespielt. Welche Konsequenzen hätte ein Wahlsieg der Syriza, die angekündigt hat, den Reformkurs zu beenden, für die angeschlagene Wirtschaft des Landes? Viel Bedeutung wird dabei den Stellungnahmen aus dem Ausland beigemessen. Wie schätzen die Europäer die Neuwahlen in Griechenland ein? Wie reagieren die ausländischen Finanzmärkte? Welche Prognosen werden von der europäischen Zentralbank aufgestellt?
Mit Erstaunen wird festgestellt, dass es in Europa offenbar Kräfte gibt, die durchaus bereit wären, mit einer neuen Regierung über die Rückzahlungsmodalitäten der griechischen Staatsschulden oder einen Schuldenschnitt zu verhandeln. Die meisten griechischen Wirtschaftsexperten kommen deshalb zu dem Schluss, dass die Regierung mit der bewussten Verbreitung von verbalen Panikattacken über einen möglichen Austritt aus dem Euro auf Dauer nur sich selbst und ihrem Image schadet.
Hoffen auf einen sanften Absturz
Für Manolis Blachojiannis sieht die Zukunft Griechenland alles andere als rosig aus. Der Wirtschaftsexperte in der Industrie-und Handelskammer Thessalonikis mit einem eigenen Geschäft im Zentrum der Stadt, blickt dem bevorstehenden Kurswechsel seines Landes mit großer Skepsis entgegen. Er weiß, dass nicht alle seinen Kollegen so denken. Deshalb will er nur seine persönlichen Ansichten zum Ausdruck bringen, betont er.
Die Hoffnung, das Linksbündnis Syriza könne neue Abmachungen mit Europa erzielen, hat Wlahojiannis schon. Doch er fürchtet, die neuen Verhandlungen würden die Partner auf Dauer unglaubwürdig und unseriös erscheinen lassen.
Wlahojiannis hofft, dass sein Land sanft abstürzen wird. Denn langfristig hält er den Ausstieg Griechenlands aus dem Euro für unausweichlich. "Viele Partner werden das nicht wollen, weil sie einen Dominoeffekt befürchten", sagt Wlahojiannis. "Aber ich glaube nicht mehr, dass dieser Prozess in irgendeiner Form kontrollierbar sein wird."