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Griechenland nach der Invasion der Fußball-Hooligans

Kaki Bali (aus Athen)
11. August 2023

Anfang der Woche wurde bei blutigen Ausschreitungen von kroatischen und griechischen Fußballfans in Athen ein junger Mann getötet. Nun diskutiert die Politik, wie es dazu kommen konnte.

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Ein Mann in schwarzer Kleidung legt einen Blumenstrauß an einer Gedenkstätte für den 29-jährigen Fußballfan von AEK Athen nieder, der bei den Ausschreitungen von Hooligans erstochen wurde. Schwarz-gelbe Fußballschals, Grablichter und Bierdosen schmücken die Stelle
Trauernde legen Blumen an der Stelle nieder, an der ein 29-jähriger Fußballfan starbBild: Dimitris Lampropoulos/AA/picture alliance

In Griechenland sucht man nach den Verantwortlichen für die gewalttätigen Ausschreitungen von Fußballhooligans in Athen Anfang dieser Woche (07.08.2023), bei denen ein junger Mann getötet wurde. Vor dem geplanten Spiel zwischen dem kroatischen Club Dinamo Zagreb und dem griechischen Verein AEK Athen war es zu Schlägereien gekommen. Über 100 rechtsradikale Mitglieder der Ultras des kroatischen Fanclubs "Bad Blue Boys" hatten sich mit gleichgesinnten Hooligans der griechischen Mannschaft Panathinaikos verabredet, um Jagd auf AEK-Fans zu machen, die als links gelten. Dabei wurden auch völlig unbeteiligte Bürger, die den lauen Sommerabend in der Nähe des Stadions Agia Sofia genießen wollten, angegriffen. Mindestens zehn Menschen wurden verletzt, vier von ihnen waren auch Tage später noch im Krankenhaus.

Eigentlich hatten die Funktionäre der UEFA geahnt, dass so etwas passieren könnte, denn die Gewaltbereitschaft der organisierten Fußball-Hooligans ist ihnen wohl bewusst. Darum hatten sie im Vorfeld die Anwesenheit von Dinamo Zagreb-Fans in Athen untersagt. Auch das Rückspiel in Zagreb sollte unter Ausschluss der Auswärts-Fans stattfinden.

Ein kolossales Versagen

Trotzdem konnten die Hooligans aus Kroatien ungestört nach Athen reisen. Mit Fahrzeugkolonnen durchquerten sie den halben Balkan, passierten unbehelligt die montenegrinische und die albanische Grenze und fuhren dann ungestört die 550 Kilometer von der Grenze bis in die griechische Hauptstadt.

Fußballfans mit verdeckten Gesichtern, die meisten von ihnen aus Kroatien, werden von der Polizei eskortiert, als sie das Polizeipräsidium in Athen verlassen
Kroatische Fußballfans werden von der griechischen Polizei eskortiert, als sie das Stadion in Athen verlassenBild: Petros Giannakouris/AP Photo/picture alliance/dpa

Niemand hielt sie auf, obwohl die griechische Polizei mindestens drei Tage vorher von den kroatischen Behörden über die "Invasion" informiert worden war. Die für den Kampf gegen die Gewalt im Sport zuständigen Polizisten hatten rechtzeitig gewarnt. Die montenegrinischen Grenzbeamten hatten die Kennzeichen der vorbeifahrenden Autos der Hooligans an die griechische Polizei weitergegeben. Und die kroatischen Ultras hatten die letzten Kilometer zum Stadion mit der S- Bahn zurückgelegt, vermummt und mit Knüppeln bewaffnet. Die Polizei hatte sie - nach eigenen Angaben - "diskret beobachtet", jedoch ohne einzugreifen.

Und so konnten die gewaltbereiten Fans zuschlagen. Das Ergebnis: Ein junger Mensch, der 29-jährige Michalis Katsouris, ist tot, verblutet nach einer Messer-Attacke. Unklar ist, wer ihn getötet hat. Und die griechische Öffentlichkeit ist wieder einmal empört über das Versagen der Behörden. 

Die Sündenböcke

Die Regierung in Athen suchte sofort nach einem Sündenbock - und fand sieben Personen, die zurücktreten mussten: Den Beauftragten für den Kampf gegen "Gewalt im Sport" und sechs hochrangige Verkehrspolizisten, verantwortlich für den Weg von der albanischen Grenze bis nach Athen. 

Spieler des griechischen Fußballclubs AEK Athen in gelben Trikots und schwarzen Sporthosen sowie Bürger gedenken des erstochenen Fans, der am 8.08.2023 im Stadtteil Nea Filadelfia erstochen wurde
Spieler des Fußballclubs AEK Athen im Gedenken an den Fan, der am 7.8. im Stadtteil Nea Filadelfia erstochen wurdeBild: Dimitris Lampropoulos/AA/picture alliance

Die meisten griechischen Medien, einschließlich der regierungsfreundlichen, fanden diese Reaktion unangemessen, ja lächerlich. Inzwischen wurden interne Polizeinotizen veröffentlicht, die bestätigen, dass alle zuständigen Polizeibehörden, darunter das Polizeipräsidium, rechtzeitig über die Ankunft, die Unterkünfte und die Kontakte der kroatischen Hooligans zum AEK-Rivalen Panathinaikos FC informiert waren. Es ist also nicht vorstellbar, dass ein paar Verkehrspolizisten die alleinige Schuld für das kolossale Versagen der Behörden tragen.

Die Oppositionsparteien fordern den Rücktritt von Bürgerschutzminister Jiannis Oikonomou. Dieser war allerdings erst vor wenigen Tagen in dieses Amt berufen worden, nachdem sein Vorgänger, Notis Mitarakis, am 28.07.2023 zurücktreten musste. Er hatte während der verheerenden Brände in Rhodos und Korfu Urlaub gemacht. Oikonomou ordnete eine interne Untersuchung an, um herauszufinden, wie es den kroatischen Hooligans gelungen war, trotz eines UEFA-Verbots nach Griechenland einzureisen und bis nach Athen zu kommen. Doch die Öffentlichkeit in Griechenland verbindet mit solchen Untersuchungen keine hohen Erwartungen. Man geht davon aus, dass sie eher der Vertuschung dienen.  

Keine diplomatische Verstimmung

Nach dem Mord an dem 29-Jährigen wurden über 100 Verdächtige festgenommen, darunter offenbar versehentlich auch einige kroatische Touristen, die jedoch sofort wieder freigelassen wurden. In den griechischen Medien wurden Berichte und Analysen zu den Ultras, den Bad Blue Boys, und deren Vorliebe für die Nazis und die kroatischen Ustascha, einen 1930 gegründeten ultranationalistischen Geheimbund, veröffentlicht. Dennoch gab es in der Öffentlichkeit weder Ressentiments gegen Kroatien noch diplomatische Verstimmungen.

Spieler von Dinamo Zagreb in blauen Trikots und schwarzen Sporthosen verlassen das Teamhotel und steigen in den Mannschaftsbus, um nach den Krawallen der Fußball-Hooligans zurück nach Kroatien zu fahren
Spieler von Dinamo Zagreb machen sich nach den Krawallen in Athen auf den Weg nach HauseBild: Marko Lukunic/PIXSELL/picture alliance

Der kroatische Ministerpräsident Andrei Plenkovic hatte schnell mit Griechenlands Regierungschef Kyriakos Mitsotakis telefoniert, um sein Beileid über den Tod des AEK-Fans auszudrücken und die gewalttätigen Ausschreitungen der kroatischen Hooligans zu verurteilen. Aber keiner der beiden Regierungschefs schlug vor, die Fußballspiele zwischen Dinamo und AEK abzusagen oder von der UEFA härtere Konsequenzen zu fordern. 

Eine Frage der Zeit

Anscheinend will sich kein Politiker mit den mächtigen Fußballverbänden anlegen. Lediglich Jiannis Panousis, ein ehemaliger Bürgerschutzminister, sprach sich für härtere Strafen aus. Bei solchen ernsten Episoden wären weder Bußgelder noch das Spielen hinter verschlossenen Türen die Lösung des Problems, sagte er dem Ersten Programm des griechischen Rundfunks. Die Lösung sei der sofortige Abstieg der Mannschaften, bei Bedarf sollte man sogar die Liga stoppen. Panousis, der auch ein renommierter Professor für Kriminologie ist, kann im Fußball keine Tendenz zur Selbstreinigung erkennen. "Wenn wir die Säuberung im Fußball noch länger hinauszögern, ist es nur eine Frage der Zeit, bis es zu einem weiteren Todesfall kommt", warnt er.

Das Rückspiel zwischen AEK Athen und Dinamo Zagreb wird, wie geplant, am 15. August 2023 in der kroatischen Hauptstadt stattfinden. Das Hinspiel soll am 19. August nachgeholt werden. Beide Spiele werden ohne die Fans der jeweiligen Gäste ausgetragen.

Foto-Porträt einer Frau mit braunen Haaren, blauen Blazer und grauem T-Shirt
Kaki Bali DW-Korrespondentin in Griechenland