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Griechen streiken wegen Rentenreform

29. Juni 2010

Aus Protest gegen die Sparmaßnahmen der Regierung haben wieder zehntausende Beschäftigte ihre Arbeit niedergelegt. Der öffentliche Verkehr stand weitgehend still. Im Radio und Fernsehen fielen die Nachrichten aus.

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Touristen sitzen lesend auf dem Boden im Hafen von Piräus (Foto: AP)
Nichts ging mehr im Hafen von Piräus als in der vergangenen Woche auch die Fährarbeiter streiktenBild: AP

Die Gewerkschaften hatten für diesen Dienstag (29.06.2010) zu einem landesweiten Arbeitskampf gegen die geplante Rentenreform aufgerufen. Die Maßnahmen der Regierung zum Abbau der horrenden Staatsverschuldung wollen sie nach eigenen Angaben keineswegs widerstandslos hinnehmen.

In Krankenhäusern war nur der Notdienst besetzt, Busse und Bahnen standen still. Wer Nachrichten hören oder sehen wollte, wurde enttäuscht, denn auch die Journalisten beteiligten sich an dem Ausstand. Die internationalen Flughäfen blieben zwar in Betrieb, aber rund 100 Inlandsverbindungen wurden gestrichen.

Krawalle in der Hauptstadt

Am Rande der Streiks kam es in Athen zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Protestierenden. Einige vermummte Demonstranten warfen Steine und Benzinbomben. Sie skandierten: "Zündet das Parlament an". Die Polizei ging mit Tränengas gegen sie vor.

Im Hafen von Piräus versuchten hunderte Mitglieder einer Gewerkschaft, Touristen und Einheimische daran zu hindern, die Fähren zwischen den Inseln in der Ägäis zu besteigen. Per Gerichtsentscheid dürfen die Seeleute dieses Mal nicht an dem Streik teilnehmen. Mehrere Schiffe legten am Morgen ab, allerdings schafften es nicht alle Passagiere, rechtzeitig an Bord zu gelangen. Beim letzten Streik der Seeleute in der vorigen Woche saßen tausende Touristen fest.

Es war bereits die fünfte große Streikaktion gegen das gewaltige Sparpaket der Mitte-links-Regierung von Ministerpräsident Giorgos Papandreou, mit dem der Haushalt saniert werden soll. Die Beteiligung fiel gegenüber früheren Protesten jedoch deutlich niederiger aus.

Polizisten gegen gegen Demonstranten vor (Foto: AP)
Polizei und Demonstranten gerieten bei den vorangegangenen Protesten aneinanderBild: AP

Längere Lebensarbeitszeit

Die geplante Rentenreform war am vergangenen Freitag vom Kabinett gebilligt worden. Anfang Juli soll sie vom Parlament beschlossen werden. Danach sollen die Griechen künftig erst mit 65 in Rente gehen statt bisher mit gut 61 Jahren. Wer volle Zahlungen erhalten will, muss 40 Jahre lang Beiträge in die Rentenkasse einzahlen. Derzeit können sich Griechen schon nach 35 Beitragsjahren zur Ruhe setzen.

Außerdem soll es einen Einstellungsstopp im öffentlichen Dienst und Gehaltskürzungen für Beamte und erhebliche Einsparungen im Sozialbereich gegen. Nicht gerade eine Veränderung zum Besseren für den einzelnen Bürger. Kein Wunder also, dass die Reform laut Umfragen von einer großen Mehrzahl der Griechen abgelehnt wird.

Kritik auch in den eigenen Reihen

"Es wird ein komplett neues System werden", sagte Arbeitsminister Andreas Loverdos. "Es war schwierig, aber ich denke, wir können die Dinge in Griechenland nun ändern", fügte er hinzu und zeigte sich zuversichtlich, dass der Gesetzesentwurf das Parlament passieren wird. Dort haben die regierenden Sozialisten eine Mehrheit von 157 der 300 Abgeordneten. Allerdings wurde auch in den eigenen Reihen Kritik an der Reform laut.

Papandreou hält Rede im Parlament (Foto: AP)
Regierungschef Papandreou von den Sozialisten muss die öffentlichen Ausgben drastisch zurückfahrenBild: AP

Griechenland muss bis Ende 2012 rund 30 Milliarden Euro sparen. Denn die ausufernden Staatsschulden haben sämtliche Länder mit Euro-Währung mit in die Krise gezogen. Die Pensionskosten machen zwölf Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus. Werden die Rentengesetze nicht geändert, würden sich die Kosten nach Berechnungen der Europäischen Union bis 2050 auf 24 Prozent des griechischen Bruttoinlandsprodukts verdoppeln.

Auflagen von IWF und EU

Die Regierung erfüllt mit ihrem Sparkurs eine wesentliche Bedingung für das Rettungspaket von Internationalem Währungsfonds und EU. Diese hatten Anfang Mai beschlossen, den Hellenen in den kommenden drei Jahren mit Notkrediten von bis zu 110 Milliarden Euro unter die Arme zu greifen, um die drohende Zahlungsunfähig des Landes abzuwehren.

Experten des IWF bestätigen der Athener Regierung derweil, richtig zu handeln. Zwar werde die Wirtschaft des südeuropäischen Landes in diesem Jahr voraussichtlich um vier Prozent schrumpfen, im übernächsten Jahr aber wieder auf Wachstumskurs sein, sagte der IWF-Beauftragte für Griechenland, Poul Thomsen, in einem Zeitungsinterview.

Protestplakat mit (v.re.)EZB-Chef Trichet, Kanzlerin Merkel, Regierungschef Papandreou und dem griechischen Finanzminister Papaconstantinou in Sträflingskleidung (Foto: AP)
Bildliche Kritik an den Hauptakteuren der Rettungsaktion GriechenlandsBild: AP

Günstige Prognose

"In drei Jahren wird sich das Investitionsklima beträchtlich verbessert haben, und die öffentlichen Finanzen werden ein viel festeres Fundament haben", prognostizierte er. Infolgedessen werde die Wirtschaft wieder wachsen, es werden Arbeitsplätze geschaffen und die Einkommen steigen, fügte Thomsen hinzu. Mit dem Sparprogramm der Regierung in Athen sei das Land auf dem richtigen Weg.

Auch der neue griechische Botschafter in Berlin bekommt den Reformwillen seiner Chefs deutlich zu spüren. "Mein Gehalt wurde um 20 Prozent gekürzt, zusätzlich werden die Auslandszulagen für mich und alle Mitarbeiter jetzt zusätzlich besteuert", sagte Dimitris Rallis. Dies bedeute insgesamt einen Einkommensverlust von bis zu 50 Prozent.

Autorin: Eleonore Uhlich (apn, rtr, dpa)
Redaktion: Martin Schrader