Van Rompuy erhält Karlspreis
29. Mai 2014Sein erstes EU-Gipfeltreffen als frisch gekürter Präsident der Versammlung der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union wird Herman Van Rompuy nie vergessen. Es schneite heftig in Brüssel Mitte Februar 2010, kalt und düster war auch die Stimmung. Es war der erste von vielen Sondergipfeln zur Rettung Griechenlands und der gemeinsamen Währung. Manche Leute würden in Krisen nervös, aber ihm gebe das noch mehr Ruhe und Konzentration, so Hermann Van Rompuy heute. Es war der Anfang von stürmischen Jahren für Europa und der so unscheinbar wirkende belgische Politiker sieht sich als erfolgreichen Kapitän: "Unsere Hauptaufgabe war es, zu überleben und den Euro am Leben zu erhalten, ihn wieder zu einer starken und stabilen Währung zu machen. Das haben wir erreicht. Ich gehe mit der Befriedigung, dass wir es trotz großer Schwierigkeiten am Ende geschafft haben. Das ist nicht mein Trost, sondern mein Grund stolz zu sein."
Begrenzte Ausstrahlung des lieben Opas
Van Rompuy (66) musste die Treffen der inzwischen 28 Staats- und Regierungschefs zusammenhalten und am laufenden Band Kompromisse schmieden. Dabei half ihm seine Erfahrung als Ministerpräsident von Belgien, wo er die tief zerstrittenen Flamen und Wallonen in einem Staatsverbund halten musste. Herman Van Rompuy hat öffentlich nie eine abfällige Bemerkung über sture Regierungschefs gemacht. Er hat alles weggelächelt. Auch im engen Kreis wartet er immer ab, ist ein wenig verschlossen. "Ich bin immer vorsichtig. Auch Jahre nach meinem Ausscheiden werde ich vorsichtig sein. Das ist meine Natur."
Nach außen hin wurde er wenig sichtbar. Manche haben ihn als graue Maus verspottet. Auch äußerlich wirkt er mit dem grauen Haarkranz und er Nickelbrille wie ein netter älterer Herr. Der Opa von nebenan. Über solche Beschreibungen kann Hermann Van Rompuy nur lächeln. "Sie unterschätzen mein Charisma", sagt er augenzwinkert und nimmt sich selbst nicht zu Ernst. Der britische EU-Abgeordnete Nigel Farage, ein Rechtspopulist aus Großbritannien, hatte Van Rompuy in einer Debatte einmal die "Ausstrahlung eines nassen Lappens" bescheinigt.
Schreiben für die Nachwelt
Ende November wird der konservative Politiker die politische Bühne verlassen, nach fünf Jahren als EU-Ratspräsident. "Wir sind unersetzlich, bis wir ersetzt werden", sagt Herman Van Rompuy. Er liebt es, sich in solch kurzen Sätzen auszudrücken. Darum schreibt er auch gerne Haikus, japanische Gedichte, die nur aus 17 Silben bestehen. Er schreibt in Flämisch, Französisch, Englisch, auf Deutsch und sogar in Latein. Neben Gedichten hat Herman Van Rompuy in seiner langen Politikerkarriere auch zehn Bücher verfasst. "Ich bin es gewohnt zu schreiben. Ich fühle, dass es notwendig ist zu kommunizieren."
Große Reden hält der eher schüchtern wirkende Mann nur ungern. Bei Pressekonferenzen mit den Mächtigen dieser Welt, zum Beispiel dem US-Präsidenten im März in Brüssel, wirkte er unsicher und las vom Blatt ab. Er schreibt lieber. "Es ist besser die eigene Version von der eigenen Reise zu verbreiten, als das anderen zu überlassen. Da ist man wenigstens sicher, dass es die richtige Version ist", sagte er mit einen Schmunzeln bei der Vorstellung seinen jüngsten Werkes.
Krönung mit dem Karlspreis
Den Internationalen Karlspreis der Stadt Aachen, den er am Donnerstag (29.05.2014) entgegen genommen hat, sieht Herman Van Rompuy als Auszeichnung für sein europäisches Engagement, den Euro zu retten. "Ich bin sehr stolz den Preis zu erhalten, weil mein Vorbild in der belgischen Politik, Leo Tindemans, den Preis 1976 bekam. Ich war damals sein Mitarbeiter. Deshalb berührt mich das persönlich. Ich bin auch in dieser Beziehung gewissermaßen sein Nachfolger", sagte Van Rompuy der Deutschen Welle. Vom ehemaligen belgischen Ministerpräsidenten Tindemans lernte Van Rompuy stets seiner christdemokratischen Überzeugung treu zu bleiben, verwurzelt im katholischen Glauben. Noch heute zieht sich Van Rompuy regelmäßig zu Exerzitien in ein Kloster zurück. Den Karlspreis sieht Van Rompuy als Krönung seiner Karriere. Den anderen großen Preis, den Friedesnobelpreis für die EU 2012, habe er nicht selbst erarbeitet. "Ich habe nie daran gedacht, dass ich tatsächlich auf der Bühne in Oslo stehen würde, um den Nobelpreis in Empfang zu nehmen. Es ist aber klar, dass dieser Preis eigentlich für die Generation vor uns gedacht ist, denn er ehrt Europa als Friedensprojekt."
Endlich ein freier Mann?
Er habe nicht alles richtig gemacht. Er könne auch nicht sagen, dass er alles noch einmal genau so machen würde, wie er es gemacht hat. So beschreibt Herman Van Rompuy seine Bilanz kurz vor dem Ende seiner Amtszeit. "Wie die Bibel sagt, gibt es für alles eine Zeit. Meine Zeit in der Politik wird Ende November vorbei sein. Dann bin ich ein freier Mann. Ich werde mich aber nicht wie ein freier Mann benehmen, sondern weiter verantwortungsvoll handeln."
Seine Freiheit werde sich darin zeigen, dass er seine Krawatte ablege, seine Lederjacke anziehe und ausgiebig mit den Enkeln spielen werde. Der Job Europa zu gestalten, sei aber nicht zu Ende. Das Ende sei nur der Tod, so Hermann Van Rompuy. "Sind die Probleme vorbei? Nein! Auf gar keinen Fall. Die Probleme werden nie aufhören. Wir leben in einer Welt, in der ständige Veränderung notwendig ist. Wir müssen uns ständig den Konkurrenten in Europa und in der Welt anpassen". Wirtschaftskraft, Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplätze müssten immer aufgebaut werden, so Van Rumpoy. "Das ist eine ewige Aufgabe für alle führenden Politiker in jedem Land, und eben auch in Europa."