Schwierige Aufgabe
18. April 2012Tageszeitungen auf der ganzen Welt zeigten das Bild: Anders Behring Breivik hebt am ersten Prozesstag (16.04.2012) seine rechte Faust zu einem faschistischen Gruß. Andere wählten ein neutrales Bild vom Massenmörder Breivik. Die Bilder seien überall zugänglich, auch wenn eine Redaktion sich entschließt, sie nicht zu zeigen, sagt Kommunikationswissenschaftler Christian Schicha im deutschen Fernsehen. Es sei aber "nicht verkehrt, genau das zu problematisieren und zu beschreiben", so Schicha.
"Maßvoll und Restriktiv"
Dass die Berichterstattung über den Prozess in Oslo notwendig ist, ist unter Experten unstrittig. Schließlich handele es sich um die juristische Aufarbeitung einer schwerwiegenden Straftat mit rechtsextremistischem Hintergrund. Das öffentliche Interesse ist enorm. "Das ist ein furchtbares Ereignis und man muss darüber berichten. Und man muss auch darüber berichten, was diesen Menschen dazu angetrieben hat", vertritt der Politikwissenschaftler Hajo Funke von der FU Berlin im Nachtmagazin des ersten deutschen Fernsehens. Allerdings mahnt er, maßvoll und restriktiv zu berichten. Auch der Ethikexperte Alexander Filipovic von der Universität Münster plädiert für Zurückhaltung: "Man sollte die ganzen Fragen zu seiner Person zurückfahren und möglichst trocken über das berichten, was im Prozess zur Sprache kommt."
Ein Berichtsstopp würde dem Fall Breivik auch einen Ausnahme-Charakter verleihen: Über alle Prozesse berichtet man, nur über Breivik nicht. Das könnte ihm noch in die Hände spielen und seine Mystifizierung durch mögliche Anhänger vorantreiben. Eine einordnende, sensible Berichterstattung dagegen zeigt, dass für Breivik, den menschenverachtenden Mörder, die gleichen rechtsstaatlichen Grundsätze gelten wie für alle Menschen. "Es wäre unverantwortlich, darüber nicht zu berichten", glaubt auch der Kommunikationswissenschaftler Christian Schicha.
"Abscheu und Faszination"
Doch die Kritik an der Form der Berichterstattung ist nicht zu überhören. Während der erste Prozesstag noch live mitgeschnitten und übertragen wurde – was in Deutschland nicht gestattet wäre -, hat man davon bei der nun folgenden fünftägigen Befragung des Angeklagten abgesehen. Manche norwegische Tageszeitungen oder Internetauftritte von Zeitungen verzichten auf die Breivik-Berichterstattung – mit Rücksicht auf Opfer und Angehörige.
Trotzdem ist auch in Deutschland weiter Kritik an der Berichterstattung zu vernehmen: Ihr Ausmaß und ihre Form sei "nur noch schwer erträglich", kritisiert zum Beispiel der Parlamentarische Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Hans-Joachim Otto, von der FDP. Eine neutrale Berichterstattung sei in manchen Fällen einer "zwar mit Abscheu erfüllten, aber nicht von Faszination freien Fokussierung" auf den Attentäter Anders Behring Breivik gewichen, so Otto, der auch der FDP-Kommission für Internet und Medien vorsitzt.
Breiviks unfreiwillige Helfer?
Die Opfer treten im Verhältnis zum Täter in den Hintergrund, lautet ein weiterer Kritikpunkt. Der Deutsche Journalistenverband verweist auf den Pressekodex, der besagt, dass die Berichterstattung über Unglücksfälle und Katastrophen ihre Grenze im Respekt vor dem Leid von Opfern und den Gefühlen von Angehörigen findet. Die vom Unglück Betroffenen dürfen grundsätzlich durch die Darstellung nicht ein zweites Mal zu Opfern werden, heisst es im Pressekodex weiter.
Der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes Michael Konken erklärt zur Breivik-Berichterstattung: "Wenn Journalisten den Ausführungen des Angeklagten so viel Raum schenken, wie er es sich wünscht, geraten Schrecken und Ungeheuerlichkeit seiner Taten in den Hintergrund." Das dürfe auf keinen Fall geschehen. Es gelte, den Spagat zwischen dem Informationsauftrag der Journalistinnen und Journalisten und dem Opferschutz zu schaffen, so Konken weiter "Journalisten dürfen sich nicht zu Breiviks unfreiwilligen Helfern machen lassen."