Parteitag der Grünen: Mit Robert Habeck in bessere Zeiten?
14. November 2024Mitten in sehr turbulenten Zeiten im politischen Berlin treffen sich rund 800 Delegierte des Parteitags von Bündnis 90/Die Grünen an diesem Wochenende Mitte November in Wiesbaden, um sich neu zu erfinden.
Geht es nach Noch-Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck, darf die Partei eines nicht machen: Wehmütig zurückblicken auf die Zeit der Ampel-Regierung von Sozialdemokraten, Grünen und wirtschaftsnaher FDP, benannt nach der Parteifarben Rot, Grün und Gelb. Denn die Ampel ist Geschichte, nach dem Ausscheiden der FDP führt eine Minderheitsregierung von SPD und Grünen die Geschäfte.
Seit Mitte der Woche steht fest: Bundeskanzler Olaf Scholz will im Dezember die Vertrauensfrage stellen, um den Weg für Neuwahlen freizumachen. Wenn er sie wie erwartet verliert, könnte es in gut drei Monaten, am 23. Februar 2025, vorgezogene Bundestagswahlen geben.
Opposition ist wahrscheinlicher als Weiter-Regieren
Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass die Grünen sich dann in der Opposition wiederfinden. Habeck, der in Wiesbaden zum Spitzenkandidaten der Grünen für die Neuwahl bestimmt werden soll, will aber zumindest die Hoffnung nicht aufgeben auf ein besseres Ergebnis als die 11 Prozent, die die Grünen derzeit in den Umfragen bekommen.
Er sagt der DW: "Ich möchte darauf hinweisen, dass die Umfragen bislang Umfragen unter dem Zeichen der Ampel waren. Die Ampel ist jetzt weg. Der ganze Streit, die vielen Kompromisse, die wir eingehen mussten, sind jetzt nicht mehr da. Und jetzt treten die Parteien mit ihren eigenen Vorstellungen nach vorn. Da kann sich jetzt viel entwickeln in alle Richtungen."
Nach dem Bruch der Regierung, so Habeck, sei in der Partei geradezu Euphorie ausgebrochen, es gebe Zuversicht und viele neue Eintritte. Die Parteizentrale teilte mit, dass seit dem Bruch der Regierung am 6. November 5500 Menschen neu den Grünen beigetreten sind. Über 130.000 Mitglieder zählt die Umweltschutzpartei jetzt - ein neuer Rekord.
Was ändert sich an der Grünen-Parteispitze?
Nach mehreren Wahlniederlagen, etwa bei der Europawahl im Juni und den Wahlen in drei ostdeutschen Bundesländern im September, hatten die bisherigen Parteivorsitzenden das Handtuch geworfen. Omid Nouripour und die Co-Vorsitzende Ricarda Lang wollen in Wiesbaden nicht noch einmal für den Parteivorsitz kandidieren.
Entnervt waren sie wohl auch vom Dauerstreit in der Regierung um Klimaschutz-Fragen, um Fragen der Haushalts- und der Wirtschaftspolitik. Und von der Unzufriedenheit an der grünen Basis, als die Grünen in der Regierung etwa der Verschärfung der Asyl - und Migrationspolitik zustimmten.
An die Stelle von Nouripour und Lang sollen nun Felix Banaczak und Franziska Brantner treten. Banaszak ist ein junger Bundestagsabgeordneter aus Nordrhein-Westfalen, Brantner zur Zeit noch Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium. Sie gilt als enge Vertraute Habecks. Ihre Bewerbung brachte die Kritiker Habecks in der Partei auf den Plan: Versucht der Vizekanzler, die Partei auf seine Linie einzuschwören? Auf einen pragmatische Mitte-Kurs mit einem breiten Angebot auch an Menschen, die die Grünen bislang nicht gewählt haben?
Ziel der Neuen: Grüne wieder mehr zur Klimapartei machen
Für die Grünen untypisch haben die beiden Kandidaten bereits ihr erstes Zeitungs-Interview gegeben. In der "Süddeutschen Zeitung" gab Brantner zu, vor einer schwierigen Mission zu stehen: "Es ist eine große Aufgabe, sie entspricht den Zeiten, in denen wir leben."
Beide Bewerber machten klar, dass die Grünen unter ihrer Führung wieder stärker zur Klimapartei werden sollen. Mit einem Präsidenten Donald Trump würden die USA als zentraler Partner im Klimaschutz ausfallen.
Robert Habeck steht im Zentrum
Trotz der Neuwahl der Vorsitzenden dürfte Habeck in Wiesbaden wohl die meist beachtete Person sein. Denn der amtierende Vizekanzler will sich dort zum Kanzlerkandidaten seiner Partei wählen lassen, allen schlechten Umfragen zum Trotz. Robert Habeck ist derzeit wohl der bekannteste Politiker der Grünen. Aber er hatte in der Regierungszeit nach seinen schlecht erklärten Plänen, die Heizungen in Deutschlands Wohnungen weg vom Gas auf nachhaltige Wärmepumpen umzustellen, viel an Zustimmung verloren.
Dennoch wird der kurze Wahlkampf bis zur Neuwahl im Februar wohl so stark auf ihn zugeschnitten sein wie noch nie in der grünen Parteigeschichte. Das gefällt nicht allen, denn viele Grüne sehen ihre Gruppierung als Programmpartei, in der das Personal nicht ganz so wichtig ist.
Wie Habeck seinen Wahlkampf führen will, sagte er im DW-Interview: "Wir müssen erst einmal erklären, was hier gerade passiert. All die Krisen, Konflikte und Herausforderungen: Warum gibt es soviel Streit?"
Und die Grünen sollen sich nach seiner Ansicht um einige der drängenden Probleme in Deutschland kümmern: mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen, die Strom- und Heizungsenergie preiswerter machen. Ob sie sich in der Regierung oder in der Opposition darum kümmern, das entscheiden die Deutschen bei den Neuwahlen im Februar.