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Gottes Segen für 50 Euro

Stephanie Höppner10. Juni 2013

Immer mehr Menschen treten aus der Kirche aus, wünschen sich für die Hochzeit aber dennoch einen geistlichen Redner. Diese Marktlücke versucht "Rent a pastor" zu füllen.

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Ein frisch getrautes Ehepaar wird mit Reis beworfen. (Foto: Marco Scisetti - Fotolia.com)
Für einige Paare gehört ein Segen zur Hochzeit - auch wenn sie schon lange nicht mehr in der Kirche sind oder es nie warenBild: Fotolia/Marco Scisetti

Es sollte nicht nur ein ganz großer, sondern auch ein besonders individuell gestalteter Tag für Andrea werden. "Auch wenn wir nicht die regelmäßigen Kirchgänger im klassischen Sinn sind, wollten wir trotzdem, dass das nicht so eine standardisierte Trauung wird", erzählt die junge Frau aus dem Frankfurter Raum. Sie sprach Mickey Wiese an, einen Diplom-Theologen, der sich selbst als "Event-Pastor" beschreibt und auch Menschen, die nicht Mitglied in der Kirche sind, eine christliche Hochzeit anbietet.

Wiese, Jahrgang 1960, die langen grauen Haare zum Pferdeschwanz gebunden, ist freier Redner. Er wirbt damit, mit seinen Kunden auch an ungewöhnliche Orte zu gehen: Er hat Menschen schon in einem Weinberg oder in einer Gärtnerei getraut, im Herbst wird er für eine Burg-Hochzeit in eine Mönchskutte schlüpfen. Zu finden ist Wiese auf einem Portal im Internet.

Eine Hochzeitsgesellschaft in historischer Kleidung steht vor dem Brandenburger Tor in Berlin. (Foto:dpa)
Motto-Hochzeiten wie bei diesem Paar vor dem Brandenburger Tor gehören zum Spektrum von "Rent a pastor"Bild: picture-alliance/dpa

Von unkonventionell bis multikulti

Unter dem Titel "Rent a pastor" - zu deutsch: Miete einen Pastor - kann man im gesamten Bundesgebiet nach einem Theologen suchen. Das Angebot ist breit gefächert: Neben Wiese kann man auch einen "unkonventionellen Redner" buchen, der aus "diversen Talkshows bekannt" ist. Oder einen gebürtigen Brasilianer, der sich vor allem für Multikulti-Hochzeiten anbietet. Etwa 20 Redner sind auf der Seite registriert. Kostenpunkt: Rund 50 Euro pro Stunde. Auch Beerdigungen werden begleitet.

Ins Leben gerufen wurde die Seite von Samuel Diekmann, einem ausgebildeten Pastor in einer bibeltreuen freikirchlichen evangelischen Gemeinde in Hessen. Schon vor vier Jahren hatte er die Geschäftsidee entwickelt und zunächst auf seiner eigenen Webseite angeboten, als eine Art Nebenverdienst. Ende vergangenen Jahres sprachen ihn dann verschiedene Kollegen an, die ebenfalls ins Geschäft einsteigen wollten. Eine gemeinsame Homepage entstand.

Das Foto zeigt Samuel Diekmann, Gründer von "Rent a pastor" .(Foto: privat)
"Punkten durch Leistung und Freundlichkeit": Samuel Diekmann, Gründer von "Rent a pastor"Bild: Samuel Diekmann

Vorbild Hollywood

Die Zielgruppe für "Rent a pastor" sind Menschen, die zwar mit der Kirche nicht mehr viel zu tun haben, aber dennoch an Gott glauben oder sich zumindest eine professionelle Rede wünschen, glaubt Diekmann. "Es gibt freie Redner wie Sand am Meer. Aber für Brautpaare ist es schwierig herauszufinden, was für eine Person dahintersteckt. Und da werben wir auch ein Stück weit mit unserem Berufsbild." Auch Diekmann traute schon bei Motto-Hochzeiten und legte sich bei der Hippie-Hochzeit eines etwas älteren Pärchens eine Blumenkette um. "Hauptsache, das Paar fühlt sich wohl."

Angeheizt durch "Hollywood" sei das, kritisiert Kirchenrat Volker Lehnert. Der Theologe der Evangelischen Kirche im Rheinland beobachtet den neuen Markt mit großer Skepsis. "Das gute Moment ist: Immerhin kommt bei diesen Amtshandlungen noch der Glaube an Gott zur Sprache. Das ist natürlich kirchliches Interesse. Das negative Moment ist das Signal: Man kann diesen ganzen kirchlichen Betrieb auch haben, ohne Mitglied der Kirche zu sein. Und wenn das alle tun würden, wäre natürlich die Kirche in ihrem Gesamtbestand zu Ende", moniert Lehnert.

Die Kirche schrumpft

Schon jetzt treten immer mehr Menschen aus der katholischen oder evangelischen Kirche aus. Besonders das Bekanntwerden der zahlreichen Missbrauchsfälle an christlichen Schulen führte zu einem starken Rückgang - rund 180.000 Katholiken verließen die Kirche 2010. Der evangelischen Kirche kehrten im selben Jahr etwa 145.000 Personen den Rücken. Mittlerweile gehören nur noch knapp 60 Prozent der Menschen in Deutschland einer der beiden großen christlichen Kirchen an.

Bischöfe haben beim feierlichen Eröffnungsgottesdienst der Herbstvollversammlung im Dom in Fulda die Hände gefaltet. (Foto: dpa)
Vor allem 2010 traten die Menschen scharenweise aus der Kirche ausBild: picture-alliance/dpa

Und es werden vermutlich immer weniger: Laut einer Umfrage des Heidelberger Sinus-Instituts wollen rund eine Million Menschen in Deutschland aus ihrer Kirche austreten. Zusammen mit denjenigen, die zumindest darüber nachdenken, ergebe sich "ein Schwundpotential von mehr als fünfeinhalb Millionen", schreibt Sinus-Geschäftsführer Bodo Flaig in der Beilagezeitschrift "Christ und Welt".

Werbung für den Glauben

"Rent a pastor"-Gründer Diekmann versteht seinen Service jedoch nicht als gegen die Kirchen gerichtet. Im Gegenteil: Er glaubt, dass durch sein Angebot manch einer wieder zum Glauben finden könnte. "Wenn Sie eine Autopanne haben und nicht im Automobilclub sind, dann können Sie den Service trotzdem anrufen und die helfen", bringt er als Vergleich. "Aber oft ist es so, dass sie nach einer Panne auch über eine Mitgliedschaft nachdenken." Einen ähnlichen Effekt erhofft er sich bei den geistlichen Diensten. "Bei dem einen oder anderen können wir wirklich punkten: durch gute Leistung, Freundlichkeit und Humor."

Auch bei der eher klassischen Hochzeit von Andrea und ihrem Mann konnte Pastor Wiese ein bisschen Werbung machen - zumindest für sich selbst. Die Freunde waren begeistert, erzählt Andrea, und wollten schließlich auch mit Wiese heiraten. "Ich will jetzt nicht urteilen und sagen, das können andere Pfarrer nicht leisten. Aber es ist noch etwas anderes, wenn das jemand als 'Dienstleistung' anbietet, wenn man ihn wirklich dafür engagiert und sagt, wir buchen dich jetzt für dieses Event. Da entsteht eine ganz andere Bringpflicht."