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Gottes Bildhauer

Elena Singer2. Juli 2008

Sevilla ist Flamenco, Stierkampf und iberischer Lebensstil. Berühmt sind auch die katholischen Prozessionen. Jeder Orden trägt eine Figur seines Heiligen, die mal kitschig, mal prunkvoll ist und meist aus Sevilla.

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Schwarze Madonna in der Osterprozession von Sevilla
Schwarze Madonna in der Osterprozession von SevillaBild: picture-alliance/ dpa/dpaweb

Manuel Carmona klemmt die heilige Madonna in den Schraubstock, dann wischt er sich den Schweiß von der Stirn. Manuel hat ein braugebranntes Gesicht, aus dem zwei blaue Augen freundlich und milde lächeln. "Das ist eine Purissima, eine Madonna", erklärt er. "Eine Jungfrau mit ihren Engeln." Die Person, für die er die Madonna herstelle, sei sehr religiös. Carmona ist nicht besonders groß, sein kariertes Hemd hängt etwas aus der Stoffhose. Konzentriert hämmert und klopft er an einer vergoldeten und bunt bemalten Holzfigur.

Zwischen der "Straße des Heiligen Geistes" und der "Straße der Unschuldigen riecht es nach gehobeltem Holz und Farbe. In Sevillas Viertel der Heiligen Macarena wabert die Hitze über den Straßen. Hier leben und arbeiten rund 20 Künstler, die Madonnen- und Heiligenfiguren herstellen. Auf spanisch nennt man sie "escultores imaginerios" - Gottes Bildhauer.

Ostern ist Hochsaison

Teilnehmer der Prozession im Büßergewand mit weißen Kutten und hohen spitzen Hüten
Gespenstisch: Teilnehmer der Prozession im BüßergewandBild: AP

Vorsichtig fräßt Manuel am Kopf der Madonna. Er ist umgeben von Werkzeugen und halbfertigen Statuen. Unzählige kleine Madonnen und Christus-Bildchen hängen an den Wänden, dazu eine Pinnwand. Dort hängt eine Liste seiner Madonnen-Auftraggeber: Kirchen, Gemeinden und Privatpersonen. "Die Heiligenfiguren sind wie eine Investition", erläutert er. "Denn sie verlieren niemals an Wert, genau wie ein Diamant."

Manuel lebt schon seit mehreren Jahren gut von seinen Madonnen. Er gedenkt das auch noch eine Weile weiter zu tun, obwohl er schon 70 ist. Das Geschäft läuft gut, denn rund um Sevilla liegt die wahrscheinlich gläubigste Region Spaniens. Rund 18.000 Euro verdient Manuel an einer Madonna. Aufträge hat Manuel das ganz Jahr über, aber Hochsaison ist an Ostern. Zur Semana Santa, der "heiligen Woche", kommen sämtliche katholische Gemeinden und wollen neue Figuren, die sie auf reich geschmückten Festwagen drapieren. Vermummte Büßer mit langen schwarzen Kutten und hohen spitzen Hüten tragen die Heiligenfiguren barfuss durch Sevilla.

"Die Figuren sind wie meine Kinder"

Mitglieder des Estrella-Ordens mit weißen Kutten und hohen schwarzen Spitzhüten bei Prozession in Sevilla
Mitglieder des Estrella-Ordens bei Prozession in SevillaBild: AP

Der Heilige Domingo von Guzman, eine mannshohe Holzfigur, ist im Atelier nebenan bei Jaime Babio in Bearbeitung. Jaimie ist halb so alt wie Manuel. Für die Figur des Heiligen Domingo von Guzman, sagt er, mache er zuerst eine Zeichnung, dann den Tonkörper und schließlich den Holzkörper. "Die Holzbearbeitung ist ziemlich aufwändig. Zuerst muss man es zuschnitzen, strukturieren und mit einem Mittel bearbeiten, um es brennen zu können, damit es stabil wird." Der schlaksige Bildhauer mit den schwarzen kurzen Haaren und der Hornbrille steht vor seinem Kunstwerk und raucht. Hände, Köpfe, Füße und andere Körperteile aus Holz und Ton liegen kreuz und quer in seinem kleinen Atelier.

Und wenn die Madonna dann fertig ist, und Gläubige vor ihr auf die Knie fallen - was geht dann im Künstler vor? "Ich schaue mir dir Figuren immer mit kritischem Blick an und suche, wo die Fehler sind", sagt Jaime. "Wenn ich die Heiligenfiguren auf der Straße sehe dann weiß ich gleich, was ich daran nicht mag." Alle kämen an und gratulierten, aber er sei ziemlich kritisch mit mir selbst.

Und Manuel? Ist er schon daran gewöhnt, dass Leute seine Madonnen anbeten? "Ja", sagt er, "ich sehe wie meine Figuren auf den Prozessionen herumgetragen werden. Ich verehre sie und habe eine gewisse Zuneigung zu ihnen." Aber es sei keine heilige Verehrung, sondern er verehre sie eher wie einen Freund an seiner Seite. "Die Figuren sind wie meine Kinder."