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PolitikNahost

Google in Saudi-Arabien: Gefahr für Aktivisten?

Cathrin Schaer
26. Juni 2022

Der Online-Riese Google plant ein großes Datencenter in Saudi-Arabien. Kritiker fürchten, das Unternehmen könne die Daten seiner Nutzer angesichts der dortigen Rechtslage nicht effektiv schützen. Google bestreitet das.

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Blick in das Innere eines Datenzentrums von Google
Informationsspeicher: Blick in das Innere eines Datenzentrums von Google Bild: Connie Zhou/Zumapress/picture alliance

Am Ende setzte sich die Geschäftsführung durch. Zur Jahreshauptversammlung der Google-Muttergesellschaft Alphabet Anfang Juni hatte eine Gruppe von Menschenrechts-Aktivisten eine Resolution eingebracht, die die Investoren des Unternehmens aufforderte, von Google eine Stellungnahme zu dessen Aktivitäten in Saudi-Arabien zu verlangen. Unter anderem sollte das Unternehmen einen Bericht in Auftrag geben, "der die Standortwahl von Google-Cloud-Rechenzentren in Ländern mit erheblichen Menschenrechts-Problemen bewertet".

Zwar stimmten gut 57 Prozent der unabhängigen Aktionäre für die Annahme des Beschlusses. Doch dann wurden sie von der Google-Geschäftsführung überstimmt: Die Resolution wurde abgelehnt.

Auf eine Anfrage der DW ging das Unternehmen nicht direkt ein. Es schickte einen Online-Link zu seinem Blogbeitrag vom Dezember 2021. Darin kündigte es den Bau eines Datenzentrums in der saudischen Hafenstadt Dammam an der Ostküste des Landes an. Das zusammen mit dem Energieunternehmen Saudi Aramco geplante Center würde das erste seiner Art sein, das von einem der großen westlichen Digital-Unternehmen betrieben wird. Damit zieht Google dem chinesischen Unternehmen Alibaba nach, das bereits zwei Rechenzentren in Saudi-Arabien betreibt.

Ausspionierte Dissidenten

Menschenrechtsgruppen sind angesichts des Projekts alarmiert. "Ein Cloud-Zentrum in Saudi-Arabien wird Menschenleben gefährden", sagte Laura Okkonen von der an der Gegen-Kampagne beteiligten Organisation "Access Now" gegenüber DW.

Tatsächlich schreckt Saudi-Arabien - wie eine ganze Reihe von Regierungen in der Region - nicht davor zurück, seine digitalen Möglichkeiten auch zum Schaden der eigenen Bürger einzusetzen - mit bisweilen tödlichen Folgen. Im Jahr 2018 etwa spionierte die Regierung Medienberichten zufolge erst mit Hilfe der Spionagesoftware Pegasus die Familie des saudischen Dissidenten und Journalisten Jamal Khashoggi aus, bevor dieser im selben Jahr im saudischen Konsulat in Istanbul mutmaßlich auf Veranlassung höchster Staatsspitzen ermordet wurde.

Eine künstlerisch bearbeitete Fotografie des 2018 ermordeten saudischen Journalisten Khashoggi im Rahmen einer Kunst-Installation in den USA
Ausspioniert und ermordet: der saudische Menschenrechtler Jamal Khashoggi - hier abgebildet im Rahmen einer Gedenk- und Protest-Installation in Washington 2021Bild: Yasin Ozturk/AA/picture alliance

Ein Jahr später, 2019, wurden zwei ehemalige saudische Mitarbeiter von Twitter in den USA angeklagt. Die beiden hatten ihre Stellung im Unternehmen dazu missbraucht, die Identität von Kritikern der saudischen Regierung zu enthüllen.

Und im vergangenen Jahr wurde ein saudischer Entwicklungshelfer, Abdulrahman al-Sadhan, in seinem Heimatland zu einer 20-jährigen Haftstrafe verurteilt. Sein Vergehen: Er hatte über einen Twitter-Account Witze über die saudische Regierung gemacht. Auch bei seiner Enttarnung soll Spionagesoftware zum Einsatz gekommen sein.

Warnungen von Menschenrechtlern

Nun fürchten Kritiker, die saudische Regierung könnte sich auch die geplante Google-Niederlassung für ihre Zwecke zunutze machen. Zwar rühmt sich das amerikanische Tech-Unternehmen, die Daten seiner Nutzer sorgfältig zu schützen. Allerdings hat es in der Vergangenheit zu autoritären Regimen nicht immer volle Distanz gewahrt - etwa zur chinesischen Regierung. So erklärte das US-Unternehmen 2019, es habe ein geheimes Projekt mit dem Codenamen Dragonfly beendet. Dabei handelte es sich um eine speziell für China entwickelte Suchmaschine, mit der sich Auskünfte zu heiklen Fragen wie Menschenrechten, Demokratie, Religion und politischem Protest hätten filtern lassen können.

Eine Unternehmensfiliale mit Außenschild zeigt die Präsenz von Google in China
Trotz menschenrechtlicher Bedenken weiterhin vor Ort: Google-Präsenz in ChinaBild: Bai Kelin/dpa/HPIC/picture alliance

Menschenrechtsgruppen weisen seit geraumer Zeit auf mögliche Risiken hin, die sich aus dem geplanten Datencenter in Dammam ergeben könnten. "Der Schritt könnte die saudische Regierung dabei unterstützen, Menschenrechtsverletzungen zu begehen", hieß es in einem im vergangenen Jahr von 31 internationalen Organisationen unterzeichneten Schreiben - darunter Amnesty International, das Oxford Internet Institute und Human Rights Watch.

Kompletter Schutz unmöglich

Tatsächlich ließen sich in Speicherzentren gesammelte Daten nicht vollkommen schützen, sagt Björn Scheuermann, Forschungsdirektor am Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft. So könnten Rechenzentren auch schlichtweg von Behörden aufgefordert werden, Daten preiszugeben. "Das geschieht etwa durch einen entsprechenden Gerichtsbeschluss", so Scheuermann. "Und in einem autoritären System stößt die juristische Verteidigung gegen gerichtliche Anordnungen schnell an ihre Grenzen."

Das Rechenzentrum von Google in Atlanta in den USA
Bald auch in Saudi-Arabien? Rechenzentrum von Google in AtlantaBild: Google Handout/dpa/picture-alliance

"Undurchsichtige Gesetze"

Auf seiner Webseite informiert Google darüber, wie es auf Regierungsanfragen nach Nutzerdaten reagiert. Zudem veröffentlicht das Unternehmen alle sechs Monate Berichte, aus denen hervorgeht, wie viele Anfragen es erhalten und wie viele es positiv beantwortet hat. Für Saudi-Arabien allerdings liegen derzeit keine aktuellen Statistiken vor.

Die saudische Rechtslage könnte Google noch erhebliche Probleme bereiten, meint Marwa Fatafta, bei "Access Now" als "Policy Managerin" für den Nahen Osten zuständig: "Die saudi-arabischen Gesetze zur Internetregulierung sind undurchsichtig und können juristisch leicht missbraucht werden."

Zwar untersage es das neue, Anfang nächsten Jahres in Kraft tretende Datenschutzgesetz des Landes, personenbezogene Daten offenzulegen. Doch das saudische Rechtssystem unterstehe dem Königshaus und auch inhaltlich bleibe eine Hintertür offen, so Fatafta: Die Regierung könnte etwa unter Berufung auf vorgebliche Sicherheitsgründe Einsicht in Daten fordern.

Ein Plakat in Dischidda zeigt den saudischen König Salman und Kronprinz Mohammed bin Salman
Unangefochtene Herrscher: König Salman (r.) und Kronprinz Mohammed bin Salman, hier auf einem Plakat in der saudischen Hafenstadt DschiddaBild: /AP Photo/picture alliance

Ungleiche Partner 

Dass sich ein Unternehmen einer solchen Anforderung verweigern könnte, sei zumindest zweifelhaft, meint Fatafta. "In einem solch autoritären System ist schwer vorstellbar, dass Google oder ein anderer Akteur sich auf einen Machtkampf mit der saudischen Regierung einließe." Auch das saudische Gesetz gegen Internetkriminalität aus dem Jahr 2007 könnte nach ihrer Einschätzung zu Problemen führen - etwa dass Google aufgefordert würde, bestimmte Inhalte zu sperren oder zu entfernen und die saudische Telekommunikationsaufsichtsbehörde entsprechend zu informieren. Inwieweit es dabei wirklich immer um Kriminalität geht, erscheint zumindest fraglich. "Das saudische Gesetz über Cyberkriminalität ist eines der repressivsten in der Region", betont Fatafta.

Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp.

Der vorliegende Artikel wurde am 27.6. 2022 aktualisiert und an einigen Stellen präzisiert.