Glücklicher Partner? Längeres Leben!
15. Mai 2019Er liegt antriebslos auf der Couch, steht nur auf, um draußen eine Zigarette zu rauchen und wenn er kocht, dann maximal ein Fertiggericht. Warum? Weil er unglücklich ist. Alles ist doof. Der Job, die Freunde, das Leben allgemein.
Oder andersherum: Er liebt es, sich draußen zu bewegen, trifft sich gerne mit Freunden, kann sich ständig für Neues begeistern. Er mag sein Leben. Weil es schön ist.
So oder so, in einer Beziehung färbt das Glück oder Unglück des Partners früher oder später auf den Anderen ab. Mit weitreichenden Konsequenzen: Laut einer Studie der Tilburg University in den Niederlanden kann ein glücklicher Partner sogar das eigene Leben verlängern.
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Ich bin ich und du bist du
Emotionale Talfahrten erlebt jeder immer mal wieder. Wichtig ist, als Partner nicht jedes Mal mit hinabzurauschen. Wie kann ich mich abgrenzen – obwohl es mich abwechselnd wütend und traurig macht, ihn auf der Couch vegetieren zu sehen?
"Eine erste Maßnahme ist, deutlich zwischen "Du" und "Ich" zu trennen", sagt der Psychologe und Paartherapeut Hans-Georg Lauer. Klingt banal, ist aber gar nicht so einfach – gerade in Liebesbeziehungen, in denen wir uns am liebsten miteinander eins fühlen möchten.
Zu verstehen, wo die eigene Sphäre beginnt und die des Anderen endet, sei ein sehr bewusster Vorgang, sagt Lauer. Und ein sehr wichtiger.
Wer sich klar machen kann, dass die Unzufriedenheit des Partners nicht automatisch die eigene Unzufriedenheit ist, der schützt sich vor emotionalen Achterbahnfahrten.
Es falle dann außerdem leichter, die depressive Verstimmung des Anderen anzuerkennen, sagt Lauer. Und wer sehnt sich nicht danach, auch als Häuflein Elend akzeptiert zu werden?
Behalte dein Glück!
Es nützt zudem niemandem etwas, wenn ich mich ebenfalls im abgedunkelten Zimmer auf die Couch lege und in düstere Stimmung verfalle. Ich darf auch weiterhin zufrieden sein. "Bei Lichte betrachtet, ist uns das natürlich auch ganz klar", sagt Lauer. Hier steht uns allerdings häufig die eigene Biographie im Weg.
"Die Frage ist, welche Botschaften wir früher von unseren Eltern und anderen Bezugspersonen erhalten haben", erklärt der Therapeut. Ob wir angesichts des Unglücks eines anderen Menschen trotzdem glücklich sein dürften oder ein schlechtes Gewissen bekämen, sei uns früh beigebracht worden.
"Seien sie froh, wenn Sie das Gefühl von Glück und Zufriedenheit haben. Vermehren Sie das!", rät Lauer. Weil Glück abfärbt, helfe ich dem grummeligen Kerl auf dem Sofa damit sowieso am meisten.
Was ist eigentlich los?
Gestern schien noch alles in Ordnung zu sein, heute ist seine Stimmung düster bis apokalyptisch. Was – zur Hölle – ist passiert? "Es ist wichtig, eine gewisse Achtsamkeit an den Tag zu legen", sagt Lauer. "Um zu verstehen, was genau los ist und - wenn möglich - darüber ins Gespräch zu kommen."
Allerdings begeben wir uns hier schnell auf Glatteis. Denn mit "ins Gespräch kommen" meint Lauer nicht, den Anderen mit Ratschlägen und Kalendersprüchen wieder in die Spur bringen zu wollen.
"Es geht darum, sich die Sorgen des Anderen vorurteilsfrei anzuhören und sie nicht zu bewerten", erklärt der Psychologe. Er redet, jammert, schimpft. Ich lasse es einfach so stehen. Auch das dient meinem eigenen Schutz.
Jede Bewertung und Diskussion über Sinn und Unsinn der düsteren Gedanken des Anderen führten zwangsläufig dazu, dass ich mich stärker involviere, sagt Lauer. Die Grenzen zwischen "Ich" und "Du" verschwimmen schnell.
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Schweigen ist Gold
Was aber, wenn ich genau zu wissen glaube, was er tun sollte, um sich aus dem Jammertal zu befreien? Dann spare ich nicht mit Tipps, Ratschlägen und womöglich noch Glückskeksweisheiten. Nur Dank gibt's dafür selten, warnt Lauer: "Tipps und Ratschläge können das Unglücklichsein des Anderen verstärken". Denn sie fußen auf meiner Interpretation der Gemütslage meines Gegenübers – und die kann meilenweit an der Realität vorbeigehen.
Die Folge: Mein Partner fühlt sich weder akzeptiert, noch verstanden – die Talfahrt geht weiter. Und ich fahre mit.
Der Ton macht die Musik
Dennoch ist niemand grundsätzlich dazu verdammt, dem Unglück seinen Lauf zu lassen. Wird die düstere Stimmung des Einen zur Regel, kann sich auch der geduldigste Andere nicht ewig davon entkoppeln.
Hier seien die berühmten "Ich"-Botschaften der Schlüssel, sagt Lauer. Es mache einen großen Unterschied, ob ich sage, dass es mein Bedürfnis ist, über die Probleme des Anderen zu sprechen, weil ich mir wieder einen innigeren Kontakt wünsche.
Oder ob ich vermittle, dass mein Partner nun endlich mal die Kurve kriegen soll, weil mich sein ewiges Gejammer auch total unglücklich macht. "Der Ton macht die Musik", sagt Lauer.
Helfersyndrom?
Eine Partnerschaft mit einem chronisch Unzufriedenen verspricht wenig Erfüllung. Allerdings lohnt es sich zu fragen, warum ich mir so jemanden als Partner gesucht habe? Jemanden, der sich als Opfer empfindet und dem ich ständig helfen muss. Laut Hans-Georg Lauer spreche dies eindeutig für eine Schieflage der Beziehung, zu der beide Partner beitragen.
"Vielleicht ziehen Sie eine gewisse Befriedigung daraus, helfen zu müssen", sagt Lauer. Sich selbst solche Fragen zu stellen, setze allerdings eine große Konfliktfähigkeit voraus. Manchmal gelingt das nur mit Hilfe eines Therapeuten.
In die eigene Zufriedenheit zu investieren, ist nicht nur lohnenswert, weil es wie ein Schutzschild gegen das Gejammer um uns herum wirkt. Wer glücklich und zufrieden ist, hat einen positiveren Einfluss auf sein Umfeld. Wenn es gut läuft und der Funke überspringt, vielleicht sogar auf das depressiv verstimmte Wesen auf der Couch.