Gesichter der Stadt
Der französische Straßenkünstler JR hat Gesichter der älteren Generation von Berlin eingefangen. Sein Projekt "The Wrinkles of the City" wird nun in Berlin ausgestellt.
Die Stadt als Leinwand
Hausfassaden und Straßen in Städten aller Welt dienen dem französischen Straßenkünstler JR seit 13 Jahren als Leinwand. Er verwendet archivierte und selbst fotografierte Bilder von unauffälligen und vergessenen Menschen, vergrößert die Fotos und tapeziert sie in die Stadtlandschaft. Eines seiner Fotoprojekte wird noch bis Ende Mai in der Berliner Galerie Springmann ausgestellt.
Die Falten der Stadt
JR’s Projekt "The Wrinkles of the City" widmet sich Gesichtern der älteren Generation. "Das funktioniert nur in Städten mit prägender Geschichte, wo die Wände für die Stadt sprechen. Es ist tatsächlich mit der Architektur verbunden: In Berlin funktioniert das vor allem mit Ost und West sowie dem Wiederaufbau der Stadt", meint JR. Auf dem Bild ist eine Fassade in der Prenzlauer Allee zu sehen.
Gesichter finden, Geschichten hören
JR, der seinen bürgerlichen Namen nicht preisgibt, sucht seine Modelle in Parks oder Altenheimen, interviewt und fotografiert sie. Die Kommunikation mit seinen Modellen ist Kern seiner Kunst, die Fotografie Mittel zum Zweck. "Für diese älteren Menschen ist es wichtig, ihre Geschichten der nächsten Generation weiterzugeben", erklärt der 30-Jährige.
Die menschliche Seite der Stadt
In jeder Stadt sucht JR passende alte Gebäude, die den Gesichtern schmeicheln, die er auf den markanten Oberflächen anbringt. "Ich schneide jedes Fenster und Detail aus, um die Falten der Menschen auf die der Stadt zu übertragen", meint er. Von den Dächern und Gebäudewänden starrend konfrontieren die Gesichter die Bewohner mit dem Wesen der Menschen, wie hier nahe der Warschauer Straße.
Der Blick in den Spiegel
Die älteren, abgebildeten Personen reagierten unterschiedlich auf die Erfahrung, ihr eigenes Gesicht an Hauswänden zu sehen, sagt JR. "Los Angeles beispielsweise ist per se eine Stadt voller Bilder, während in Kuba die Menschen nur die Portraits von Fidel oder Che und keine Werbung kennen. Deswegen ist es für sie ziemlich befremdlich, ihre Gesichter an den Wänden zu sehen."
Überraschende Wende im Leben
Als JR mit 16 Jahren von der Schule flog, zog er zu seinen Cousins nach Paris, sprayte nachts Graffiti an die Wände von Tunneln und Eisenbahnen und fand in der Metro eine Kamera. So kam er zum Fotografieren. Heute unterhält er Ateliers in New York und Paris, seine Kunstwerke erzielen Preise bis zu 50.000 Euro.
Kunst oder Kriminalität?
Anfangs war es illegal, was JR nachts an den Mauern von Paris trieb. Heute - weil es immer populärer wird, was er an den Wänden weltweit plakatiert - wird es als Kunst bezeichnet. Doch immer wieder wird JR Vandalismus vorgeworfen: "Dieselbe Handlung, dieselbe Arbeitsweise kann in manchen Ländern als Verbrechen, in anderen als Kunst gesehen werden", merkt er an. Hier ein Projekt in Shanghai.
Die größte Galerie
2011 bekam JR den TED Preis - eine Auszeichnung, die Menschen für die Verbreitung wertvoller Ideen ehrt. In Rio schmückte vor sechs Jahren sein Projekt "Women are heroes" die Favelas. JR weiß um die Besonderheit seiner Arbeit: "Wenn du auf der Straße ausstellst, ist das die größte Galerie!"