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Der Wettskandal weitet sich aus

2. Dezember 2009

Der internationale Wettskandal beschäftigt jetzt auch den Weltverband und die deutsche Politik. Offenbar vergifteten Kriminelle deutsche Fußballprofis.

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Fussball mit Geldscheinen und Interpol Logo. Reaktion auf den Wettskandal. DW-Fotomontage 02.12.2009
Interpol soll dem Fußball helfenBild: picture-alliance/ chromeorange/ DW-Fotomontage
FIFA-Präsident Sepp Blatter bei einer Pressekonferenz in Bloemfontein, Südafrika (Bild: AP/Hassan Ammar)
Was tun? Sepp Blatter glaubt den Fußball in GeiselhaftBild: AP

Der Fußball unter der Aufsicht von Interpol - dieses Szenario könnte bald schon Wirklichkeit werden. Denn der Fußball-Weltverband FIFA will im Kampf gegen illegale Wetten künftig mit der International Criminal Police Organization kooperieren. Das kündigte FIFA-Chef Joseph Blatter am Mittwoch (02.12.2009) in Kapstadt an. "Der Fußball wird von diesen illegalen Aktivitäten als Geisel genommen", sagte Blatter nach einer von ihm einberufenen Sondersitzung des FIFA-Exekutivkomitees.

Über 200 Partien sollen europaweit verschoben worden sein, davon mindestens 32 in Deutschland. Aber die Affäre könnte noch viel tiefer, noch viel weiter gehen. Wie Trainer Frank Pagelsdorf jetzt berichtete, sollte der Aufstieg seines damaligen Vereins Hansa Rostock im Jahre 2007 mittels vergifteter Spaghetti verhindert werden. Am Vorabend des Zweitligaspiels bei Eintracht Braunschweig (1:1) am 13.04.2007 jedenfalls sei die halbe Mannschaft von einer unerklärlichen Übelkeit befallen worden, der Spieler Enrico Kern habe sich sogar nach dem Verzehr der Nudeln übergeben müssen. "Im Zuge des Wettskandals erscheint das jetzt in einem ganz anderen Licht", sagte Pagelsdorf. Rostock schaffte den Aufstieg übrigens trotzdem.

Russische Methoden

In der vergangenen Woche hatte bereits Burkhard Benecken, Anwalt des vermeintlichen Wettpaten Deniz C., im Zuge des größten Betrugsskandals in der europäischen Fußball-Geschichte über die "russischen Methoden" der Wettmafia berichtet. "Es sollen Chefköche von Luxushotels angesprochen worden sein, damit sie Giftstoffe in das Essen von Spielern mischen". Die Verdächtigen sollen sehr konspirativ gearbeitet haben. "Ungewöhnlich gewalttätig", hatte Benecken erklärt.

Patrick Neumann vom SC Verl der Fußball-Regionalliga West (Bild: dpa)
Auf der Flucht: Patrick Neumann vom SC VerlBild: picture-alliance/ dpa

Beim Regionalligisten SC Verl soll der inzwischen suspendierte Kapitän Patrick Neumann versucht haben, Mitspieler zur Manipulation anzustiften. Das sagte dessen früherer Teamkollege Christian Knappmann der Zeitschrift Sport Bild. Im Training habe ihn Neumann angesprochen: "Knappi, kriegst du auch so miese Prämien? Lass uns doch mal gegen uns wetten". Knappmann habe aber sofort erwidert: "So ein Quatsch!"

Aus Angst den Muskel gezerrt

Verl-Angreifer Knappmann ging eigenen Angaben zufolge nach Bekanntwerden des Skandals durch die Staatsanwaltschaft Bochum vor knapp zwei Wochen zusammen mit einem Teamkollegen zur Vereinsführung und berichtete, dass Neumann ihn möglicherweise für Manipulationen gewinnen wollte.

Ein weiterer Spieler des Vereins habe das Training plötzlich wegen einer Verletzung abgebrochen, was Knappmann jetzt damit erklärt, dass der Teamkamerad offenbar vor einem Spiel ein konkretes Angebot bekam und nach seiner Ablehnung unter Druck gesetzt wurde. "Er bekam Angst - und ließ sich lieber krankschreiben", sagte Knappmann.

Verstecken vor der Wettmafia

Derweil ist der beschuldigte Neumann aus Angst vor Racheakten der Wettmafia bei seiner Freundin ausgezogen und hält sich derzeit an einem unbekannten Ort versteckt. Unter anderem sollte das Spiel des SC Verl gegen Borussia Mönchengladbach II im Mai verschoben werden, doch Verl gewann auch dank zweier Tore von Knappmann entgegen der Absprache mit 4:3. Neumann waren von der Wettmafia für eine Niederlage "zwischen 5.000 und 10.000 Euro" versprochen worden. Neumann will nach Angaben seines Anwalts Lutz Klose möglicherweise noch einmal bei der Staatsanwaltschaft aussagen.

Dagmar Freitag (SPD), Versitzende des Bundestags-Sportausschusses
Dagmar Freitag, Vorsitzende des Bundestags-SportausschussesBild: Dagmar Freitag

Unterdessen hat sich auch die Politik des Problems angenommen. An diesem Mittwoch tagte der Sportausschuss des Bundestages. Nach der Sitzung in Berlin sprach sich die Sportausschuss-Vorsitzende Dagmar Freitag (SPD) vehement gegen die von den Profiligen geforderte Öffnung des Marktes für private Wettanbieter aus. "Eine Abkehr vom Staatsvertrag und eine Kommerzialisierung der Sportwetten könnte besonders manipulationsanfällige Wettformen zur Folge haben und würde das Problem vielleicht sogar noch verschärfen", sagte Freitag der Sport Bild.

Entsetzen im Land des Europameisters

Ailton Almeida (li.) vom FC Kopenhagen im Zweikampf mit Torwart Dionisios Chiotis von Apoel Nikosia im Champions League Qualifikationsspiel am 18.08.2009 in Kopenhagen (Bild: dpa)
Unter Verdacht: Das Champions League-Spiel Kopenhagen gegen NikosiaBild: picture-alliance/ dpa

Neben einigen Balkan-Staaten und Deutschland ist jetzt auch der spanische Fußball vom Manipulationsskandal betroffen. Nachdem am Dienstag erste Verdächtigungen in Spanien aufgekommen waren, wurden am Mittwoch konkrete Namen und Zahlen genannt. Demnach ermittelt die spanische Staatsanwaltschaft nach Angaben des nationalen Verbandes RFEF gegen die Zweitligisten Rayo Vallecano und UD Las Palmas sowie gegen sieben Profis, die Spiele manipuliert haben sollen. Es soll sich dabei um sechs Spieler aus der zweiten und dritten Liga sowie einen Torwart von Erstligist Real Saragossa handeln.

Und auch in Dänemark gibt es Anhaltspunkte für Manipulationen. So ist offenbar der Spitzenklub FC Kopenhagen ins Visier der Ermittler gerückt. Das bestätigte Anwalt Burkhard Benecken, nachdem er einen Tag lang Einsicht in die Akten der Bochumer Staatsanwaltschaft hatte. So soll es unter anderem um die Qualifikationsspiele zur Champions League zwischen Kopenhagen und Apoel Nikosia aus Zypern im August 2009 gehen. Kopenhagen verlor nach einem 1:0 im Hinspiel das Rückspiel überraschend 1:3 und verpasste die Gruppenphase der Königsklasse.

Bericht: Tobias Oelmaier (sid/dpa)
Redaktion: Olivia Fritz