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Georgienkrieg blockiert Atomwaffen-Abrüstung

9. Oktober 2008

Wegen der Georgien-Krise stocken die Neuverhandlungen des Start-I-Vertrages. Einigen sich Russland und die USA nicht, läuft das Rüstungskontrollabkommen Ende 2009 ersatzlos aus. Forscher befürchten neuen Rüstungsschub.

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Abgerüstet: Eine US-Rakete vom Typ MinutemanBild: AP

Die Beziehungen zwischen Russland und den USA sind seit dem Krieg in Georgien angespannt. Nun könnte einer der wichtigsten Verträge zur Rüstungskontrolle dem Streit zum Opfer fallen: Der Start-I-Vertrag läuft im Dezember 2009 aus und die Neuverhandlungen stocken. Russland wirft den Vereinigten Staaten vor, die Verhandlungen gezielt zu blockieren.

Erfolgreiche Rüstungskontrolle

Mehr als neun Jahre hatten die USA und die damalige Sowjetunion seinerzeit verhandelt, bis Michael Gorbatschow und George Bush Sen. den ersten Start-Vertrag am 31. Juli 1991 unterzeichnen konnten. Mit Start I (Strategic Arms Reduction Talks) willigten die USA erstmals darin ein, ihre strategischen Nuklearwaffensysteme abzurüsten. Jedem Land sollten nur noch 1600 Trägersysteme sowie 6000 Gefechtsköpfe erlaubt sein. 1994 trat der Vertrag in Kraft. Rüstungskontrollexperten schätzen, dass die Zahl der Sprengköpfe seitdem auf amerikanischer Seite um 25 Prozent und auf russischer Seite um 35 Prozent reduziert wurde.

Seit 2007 verhandeln Washington und Moskau darüber, was 2009 passiert, wenn der Vertrag ausläuft. Doch seit dem Krieg in Georgien zögert Washington bei den Verhandlungen. Getreu der Devise von US-Präsident George W. Bush, dass Russland für sein Verhalten bezahlen müsse, wurden nach dem Krieg in Georgien mehrere Gespräche und Treffen mit Moskau ausgesetzt. "Durch den jüngsten Georgien-Konflikt ist die Kommunikation zwischen Russland und den USA etwas gestört", sagt Hans-Joachim Schmidt von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK).

Militärische Stärke statt Abrüstung

Das Interesse der Bush-Regierung an Rüstungskontrolle war allerdings auch schon vor der Georgien-Krise eher gering. "Washington setzt auf seine globale militärische Stärke und ist zu gleichberechtigten Rüstungskontrollabkommen nicht bereit", sagt Schmidt.

Nach jüngsten Aussagen des russischen Außenministers Sergej Lawrow ist der Hauptstreitpunkt bei den Verhandlungen derzeit, ob überhaupt noch Obergrenzen für alle Trägersysteme und Sprengköpfe festgelegt werden. Washington wolle solche Grenzen nur noch für einsatzbereite Waffensysteme, kritisierte er. "Die Russen haben schon allein aus finanziellen Gründen ein Interesse an Rüstungskontrolle", sagt Götz Neuneck vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH).

Inspektionen in Gefahr

Die Rüstungsexperten befürchten weitreichende Folgen, wenn Start I nicht verlängert oder wenigstens durch ein neues Abkommen ersetzt wird. Denn mit dem Abkommen hatten sich die USA und die Sowjetunion beziehungsweise Russland nicht nur zur Abrüstung verpflichtet. Durch Inspektionen vor Ort wird überprüft, ob sich beide Seiten an ihre Verpflichtungen halten. Solche "Verifikationen" haben den Start-I-Vertrag zu einem der wirkungsvollsten Abrüstungsabkommen gemacht.

Zwar gibt es noch den Sort-Vertrag (Strategic Offensive Reductions Treaty), der 2002 unterzeichnet wurde und bis 2012 gilt. Der jedoch gilt unter Rüstungsexperten nicht als wirksamer Rüstungskontrollvertrag, weil dort keine Überprüfungen vorgesehen sind. "Der Sort-Vertrag ist nur zwei Seiten lang und stellt nur eine nicht nachprüfbare Verpflichtungserklärung dar", kritisiert Neuneck. Ohne den Start-1-Vertrag würden also keine gegenseitigen Inspektionen mehr stattfinden. Was das bedeutet, macht Neuneck deutlich: "Fast alles, was wir über das russische Militär wissen, wissen wir über Verifikationsbesuche."

Weltweites Wettrüsten?

Verzichten Russland und die USA ab 2010 auf gegenseitige Kontrollen, könnte es weltweit zu einer "Wiederkehr des nuklearen Wettrüstens" kommen, warnt Neuneck. Denn wenn schon die beiden großen Nuklearmächte aufrüsten, dann könnten andere Staaten ebenfalls nach Atomwaffen streben, fürchten Rüstungsexperten. "Die USA und Russland haben hier eine Beispielfunktion, denn die Nuklearmächte sind nach Artikel 6 des Atomwaffensperrvertrages zur Abrüstung verpflichtet", sagt Schmidt.

Eine Chance für die Abrüstung könnte der anstehende Regierungswechsel in den USA bieten. Denn beide möglichen Nachfolger von US-Präsident George W. Bush scheinen Abrüstung gegenüber aufgeschlossener zu sein. "Sowohl McCain als auch Obama haben angekündigt, im Bereich der nuklearstrategischen Rüstungskontrolle mehr zu tun als die derzeitige Regierung", sagt Schmidt. "Deshalb wird Russland sicher auf die neue US-Administration warten, weil es dann mehr Entgegenkommen gegenüber seinen Vorschlägen erwarten kann."

Dirk Eckert