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PolitikGeorgien

Georgien: Vor Präsidentenwahl eskaliert die Gewalt

Bashir Kitachayev
13. Dezember 2024

Pro oder contra Europa? Hinter dem Kampf um das höchste Staatsamt vor den Präsidentschaftswahlen am 14. Dezember in Georgien steckt der Streit über die künftige politische Ausrichtung des Landes. Die Lage spitzt sich zu.

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Ein Demonstrant schwingt die Europafahne in Georgien
Schwenken die europäische Fahne: Vor der Präsidentenwahl in Georgien gehen jeden Tag Menschen für einen pro-europäischen Kurs auf die StraßeBild: Irakli Gedenidze/REUTERS

In Georgien finden am 14. Dezember Präsidentschaftswahlen statt, doch dieser Urnengang ist alles andere als normal. Die Stimmung ist angespannt. Seit etwa zwei Wochen finden täglich Massenproteste im Land statt und die Behörden gehen mit Gewalt dagegen vor.

Hintergrund ist die wachsende Konfrontation zwischen der Opposition und der regierenden Partei "Georgischer Traum". Diese begann mit den Parlamentswahlen im Oktober und spitzte sich zu, als die Regierung kürzlich die Aussetzung des europäischen Integrationsprozesses des Landes verkündete. 

Staatsoberhaupt mit begrenzten Befugnissen

Eine Verfassungsänderung verstärkte die Krise. Im Jahr 2017 verabschiedete das Parlament mit einer Mehrheit der Partei "Georgischer Traum" Reformen. Diese änderten das Verfahren zur Wahl des Staatspräsidenten, verwandelten das Land in eine parlamentarische Republik und gaben dem Präsidenten nur noch begrenzte Befugnisse.

Bei den Präsidentschaftswahlen 2018 wurde das Staatsoberhaupt zum letzten Mal direkt vom Volk gewählt. Präsidentin des Landes wurde Salome Surabischwili, die damals noch von der Regierungspartei unterstützt wurde. Doch später verschlechterte sich das Verhältnis zwischen dem pro-russischen "Georgischen Traum" und der pro-europäischen Präsidentin Surabischwili.

Präsidentin Salome Surabischwili in einer Menschenmenge bei einer Kundgebung der Opposition
Präsidentin Salome Surabischwili besucht eine Kundgebung der OppositionBild: Irakli Gedenidze/REUTERS

Die nun bevorstehende Präsidentenwahl soll nach einem neuen Verfahren durchgeführt werden. Erstmals soll das Staatsoberhaupt von einem Wahlkollegium bestehend aus 300 Personen bestimmt werden. Dem Kollegium gehören 150 Abgeordnete des neu gewählten Parlaments und 150 Delegierte aus den Regionen des Landes an. Weil die Regierungspartei "Georgischer Traum" eine Mehrheit im Parlament und großen Einfluss in den Regionen hat, bestehen für einen Kandidaten der Opposition keine Chancen auf einen Sieg.

Opposition boykottiert die Wahlen

Die Opposition boykottiert das neu gewählte Parlament ebenso wie die Präsidentschaftswahlen, weshalb allein die Partei "Georgischer Traum" einen Präsidentschaftskandidaten aufgestellt hat.

Laut den Ergebnissen der Parlamentswahl vom Oktober gewann die Regierungspartei 89 von 150 Sitzen. Die Wahlen waren allerdings von zahlreichen Unregelmäßigkeiten überschattet, die dazu führten, dass die Europäische Union eine Neuabstimmung forderte. Die Opposition spricht von massivem Wahlbetrug und lehnt es ab, ins Parlament einzuziehen. Präsidentin Salome Surabischwili erkennt die Wahlergebnisse ebenfalls nicht an und betont, sie sei nun die einzige legitime staatliche Institution Georgiens. Sie will ihr Amt so lange nicht niederlegen, bis es neue Parlamentswahlen gibt.

Der georgische Politikexperte Gela Vasadze meint, die bevorstehende Präsidentenwahl sei nicht rechtmäßig. "Wie können Wahlen abgehalten werden, wenn das Parlament illegitim ist?", fragt er. Seiner Einschätzung nach gab es massiven Betrug bei den Wahlen, die von der georgischen Gesellschaft nicht anerkannt worden seien. "Aber das Wichtigste ist, dass die Verfassung verletzt wurde, als die erste Sitzung des Parlaments nicht vom Staatsoberhaupt einberufen wurde, und das zu einem Zeitpunkt, als die Präsidentin und eine Reihe von Oppositionellen beim Verfassungsgericht Klage wegen Wahlbetrugs eingereicht haben", sagt er im Gespräch mit der DW.

Präsidentschaftskandidat der Regierung

Der "Georgische Traum" hat Micheil Kawelaschwili, einen ehemaligen Fußballprofi und Parlamentsabgeordneten der regierungstreuen Partei "Volksmacht" als Kandidaten aufgestellt. Für Vertreter der georgischen Zivilgesellschaft gilt er als einer der Urheber des "Gesetzes über ausländische Einflussnahme". Dieses löste heftige Proteste im Land und eine rasche Verschlechterung der Beziehungen Georgiens zu westlichen Ländern aus. Ein Teil der georgischen Gesellschaft kritisiert Kawelaschwilis Kandidatur auch deshalb, weil er über keine höhere Bildung verfügt.

Micheil Kawelaschwili steht vor Mikrofonen an einem Tisch und bekommt von Anwesenden Applaus
Der ehemalige Fußballprofi und Unternehmer Micheil Kawelaschwili (Mitte) will Georgiens Präsident werden Der georgische Oligarch und Gründer der Partei Georgischer Traum" (links), Bidsina Iwanischwili, applaudiertBild: Georgian Dream Party/AP/picture alliance

Kawelaschwili wirft der Opposition vor, von "Abgeordneten des US-Kongress" kontrolliert zu werden, die in Georgien angeblich eine "Revolution" und Verhältnisse wie in der Ukraine provozieren wollten. Der Politikexperte Gela Vasadze findet, dass man Kawelaschwili nicht als gewählten, sondern nur als einen "ernannten Präsidenten" werde betrachten können. Es sei in Georgien unter den gegenwärtigen Bedingungen unmöglich, faire Wahlen abzuhalten.

Georgien stehen weitere Proteste bevor

Präsidentin Surabischwili ist bereits von der Partei "Georgischer Traum" aufgefordert worden, den Regierungspalast in Tbilisi bis zum 29. Dezember zu verlassen. An diesem Tag soll die Amtseinführung des neuen Staatsoberhauptes erfolgen. Vor dem Orbeliani Palast, Sitz des Staatsoberhauptes, steht ein Zug aus geschmückten Waggons. Präsidentin Salome Surabischwili schrieb dazu: "Man hat vor dem Orbeliani-Palast einen Zug aufgestellt, mal sehen, wer mit ihm abfahren wird."

Die Regierung scheint neue Proteste zu fürchten. "Die Organisatoren krimineller Aktionen wollen die Präsidentenwahl in Georgien am 14. Dezember 2024 zum Scheitern bringen und mit allen Mitteln die Wahl eines Präsidenten verhindern", heißt es in einer Erklärung des Staatssicherheitsdienstes vom 10. Dezember. Die Behörde behauptet, die Täter hätten angeblich vor, "die Lage so weit wie möglich zuzuspitzen", was zu "zwei bis drei Todesopfern" führen solle. Man wolle, so der Staatssicherheitsdienst, der Regierung "Mord" vorwerfen, mit dem Ziel, "die Proteststimmung weiter anzuheizen".

Adaption aus dem Russischen: Markian Ostaptschuk