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Gentleman, der Reggae-Exot

Andreas Zimmer 14. Juni 2013

Reggae ohne Dreadlocks? Südseeflair aus Köln? Der deutsche Musiker und Sänger Gentleman meistert spielend die Gegensätze und hat die Musik der Karibik längst verinnerlicht.

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Gentleman Foto @ Universa
Bild: Universal

Im Alter von 18 Jahren entdeckte Tilmann Otto bei einem Besuch auf Jamaika seine Liebe zur Reggae-Musik. Genauer: zum Roots-Reggae, den auch schon Bob Marley gespielt hat. Noch heute weiß der 39-Jährige zu schätzen, dass er an fernen Gestaden auf den unverfälschten Geschmack gekommen ist. Als Exot zwischen zwei Welten fühlt er sich als deutscher Reggaemusiker aber nicht. "Es gibt mittlerweile ein paar Künstler, die nicht aus Jamaika kommen und dort trotzdem gehört und akzeptiert werden", sagt er und behauptet sogar: "Es gibt in Deutschland viele Künstler, die guten Reggae machen, ohne auch nur einmal in Jamaika gewesen zu sein."

Diese Bescheidenheit nach dem Motto "ich bin nur einer unter vielen" steht Tilmann gut, immerhin firmiert er unter dem Namen "Gentleman". Allerdings ist er viel erfolgreicher als andere Musiker dieses Genres. In Deutschland hatte er zwei Nummer 1-Alben herausgebracht und nennt zahlreiche Auszeichnungen sein eigen. Mit "New Day Dawn" ist kürzlich sein sechstes Album erschienen, und wieder gelingt ihm darauf ein neuer Ansatz. "Ich habe viel mehr in Eigenregie gemacht, und ich wusste von Anfang an, wo es lang geht", sagt er. "Das war bei anderen Projekten nicht immer der Fall."

Dem Flügel sei Dank

Eigens für das neue Album hat der Wahlkölner Gentleman ungeahnte Fähigkeiten entwickelt – und zwar auf dem eigentlich für seine Studiomusiker angeschafften Flügel im heimischen Wohnzimmer. Dort ist nahezu jeder der 16 Songs der neuen Platte entstanden. Mehr aus einer Spielerei heraus, denn sonst wäre das teure Instrument einfach nur im Weg gewesen, lacht Gentleman und schwärmt: "Das hat dazu geführt, dass jeder Song wirklich auf mich zugeschnitten ist. Was die Tonhöhe, Tonlage und das Tempo angeht – alles wie für mich gemacht."

Jamaikanischer Markt in London mit Verkäufer und Fotos von Usain Bolt und Bob Marley Foto: Olivia Fritz (DW)
Jamaika inspiriertBild: DW/Olivia Fritz

Wie um das zu unterstreichen hat der in Osnabrück geborene Tilmann alias Gentleman auf großangelegte Kooperationen mit anderen bekannten Sängern verzichtet. "New Day Dawn" kommt also fast gänzlich ohne an den Zeitgeist angepasste inflationäre Features aus, die sich durch seine letzten Alben zogen.

Gegen den Rat der Fanta 4

Roots-Reggae à la Gentleman ist mittlerweile auch international erfolgreich. Und zwar nicht nur bei den deutschsprachigen Nachbarn, sondern auch in Skandinavien, Polen, Südeuropa und sogar in einigen Ländern Afrikas und den USA.

Gentleman singt auf Englisch, und er hat es nie bereut - obwohl er aus einer Musikergeneration stammt, die sich bewusst für den Gesang in der deutschen Muttersprache entschied. So empfahlen ihm zu Beginn seiner Karriere namhafte Künstler wie beispielsweise Smudo, der bekannte Deutschrapper der Fantastischen 4, unbedingt diesen Weg einzuschlagen. Doch Tilmann blieb damals hart: "Ich versuche auch jetzt noch, so Englisch wie möglich zu singen und bin im Nachhinein extrem froh drüber." Eine frühe und selbstbewusste Entscheidung des jungen Gentleman, die ihn heute immer wieder bestätigt: "Ich muss einfach das machen, worauf ich Bock habe!"

Gentleman auf der Bühne in Alexandria Foto: @ Goethe Institut
Auch in Alexandria begeisterte Gentleman die FansBild: Goethe-Institut

Im Moment hat der Reggae-Gentleman offenbar Bock auf neue Wege, denn auf seinem aktuellen Album verlässt er den strengen Roots-Pfad mehrfach und gibt sich recht poppig. Auch wenn er damit möglicherweise persönliches Neuland betritt, besteht die Gefahr, dass andere schon vor ihm da waren und das musikalische Terrain längst besetzt haben.

Was soll's, mag sich Gentleman denken. Er hat einen guten Namen und erfährt bei ausgedehnten Touren weltweit Anerkennung. Vor allem unvorhergesehene Komplimente freuen den Sänger: "Da werde ich angesprochen: 'Quatsch, du singst das Stück, das in Jamaika laufend im Radio lief? Das glaube ich jetzt nicht!'", plaudert er aus dem Nähkästchen. Und seine Augen leuchten.