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Gene analysieren Krebs

John Blau 13. Oktober 2012

Mit einem neuen genetischen "Strichcode"-Bluttest sollen Ärzte zukünftig feststellen können, wie schwerwiegend der Prostatakrebs bei einem Mann ist und wie dringend er behandelt werden sollte.

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Mikroskopaufnahme eines Prostatagewebes (Foto: Alex_brollo -sa)
Bild: Alex_brollo -sa

Forscher in Großbritannien haben verschiedene genetische Signaturen für Prostatakrebs entdeckt und einen experimentellen Bluttest entwickelt, der die genetischen Veränderungen wie bei einem Strichcode liest. Der Bluttest könnte neben dem bestehenden PSA (Prostataspezifisches Antigen) Test angewendet werden, um zu bestimmen, welche Männer eine sofortige oder aggressivere Behandlung benötigen.

Weniger blutig dank Bluttest

Bei den meisten Männern führt der normale Test dazu, dass Gewebe entnommen werden muss, um Klarheit zu schaffen. Eine sogenannte Biopsie ist derzeit die einzige Möglichkeit, um die Aggressivität von Prostatakrebs vorherzusagen. Der Eingriff sei aber blutig und könne zu möglichen Komplikationen führen, sagt Johann de Bono, Leiter des Prostatakrebs-Forschungsteams am Institute of Cancer Research (ICR) in London. Ein Bluttest, sagt er, wäre für die Patienten deutlich einfacher und möglicherweise auch genauer. Zudem könne man das Krebsgeschwür so während der gesamten Behandlung beurteilen. "Der Bluttest kann auch Informationen liefern, die eine Biopsie nicht bietet, zum Beispiel, wie das Immunsystem eines Patienten das Überleben beeinflusst", sagt de Bono.

Prostatakrebs ist nach Lungenkrebs die zweithäufigste Krebserkrankung bei Männern. De Bono nennt ihn eine "sehr vielfältige Krankheit." Manche Leute könnten über Jahre ohne Symptome mit ihm leben, während es andere mit einer aggressiven, lebensbedrohlichen Form zu tun hätten. Der neue Bluttest würde helfen, die verschiedenen Typen zu unterscheiden, erklärt er. Ärzte könnten die Behandlung dann entsprechend anpassen.

Unterscheidung verschiedener Krebstypen

In einer Londoner Medikamentenentwicklungseinheit, die gemeinsam vom ICR, dem Royal Marsden Hospital und einem Krebs-Zentrum in Glasgow betrieben wird, hat das Team von de Bono Gene in Blutproben von 100 Patienten mit Prostatakrebs gescannt. Die Gruppe bestand aus 69 Patienten mit Krebs im fortgeschrittenen Stadium und 31 Patienten, bei denen von einem Frühstadium mit geringem Risiko ausgegangen wurde.Mithilfe komplexer mathematischer Statistik, teilten die Forscher die Patienten in vier Gruppen, ausgehend von dem Muster der Genaktivität - das ist der "Strichcode". Sie maßen die Genaktivität anhand einer Analyse der Ribonukleinsäure (RNA)-Werte, dem genetischen Material, das dabei hilft, DNS in Proteine umzuwandeln. Als die Entwicklung der Patienten zweieinhalb Jahre später wieder untersucht wurde, fanden die Forscher heraus, dass die Patienten in der einen Gruppe deutlich kürzer überlebt hatten als die in den anderen drei Gruppen. Bei der weiteren statistischen Modellierung identifizierten die Forscher neun entscheidende aktive Gene, die bei allen Patienten in der einen Gruppe vorkamen.

Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos (Foto:dapd)
Prostatakrebs ist häufig bei Männern - Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos hat sich erst kürzlich einer Operation unterzogen, bei der ein Tumor entfernt wurde.Bild: Reuters

Ähnliche Forschungsergebnisse in den USA

Die britischen Wissenschaftler testeten daraufhin 70 weitere Menschen in den USA mit Krebs im fortgeschrittenen Stadium. Sie bestätigten, dass anhand der neun Gene die Patienten identifiziert werden konnten, die schließlich kürzer überlebten - 9,2 Monate im Vergleich zu 21,6 Monaten für Patienten ohne das Genmuster. Dem Forschungsteam zufolge umfasste die Gen-Signatur eine Reihe von Genen, die durch das vom Immunsystem verwendet würden, was darauf hindeute, dass bei Männern, in deren Körper sich der Krebs verbreitet, das Immunsystem unterdrückt werde.

In einem anderen Projekt identifizierte ein US-Forscherteam in einer Gruppe von 62 Patienten einen Satz von sechs Genen, die mit einer aggressiveren Form von Prostatakrebs verbunden sind. Die Gen-Signatur des US-Teams unter der Leitung von Professor William Oh am Tisch Krebsinstitut der Mount Sinai School of Medicine unterteilte die Patienten in zwei Gruppen: eine mit einer durchschnittlichen Überlebenszeit von 7,8 Monaten und die anderen mit 34,9 Monaten. Beide Studien wurden jüngst in der Fachzeitschrift Lancet Oncology veröffentlicht.

"Vorausgesetzt, die Tests werdendurch Ergebnisse bei einer größeren Zahl von Patienten bestätigt, würden sie Ärzten und Patienten unmittelbar helfen, die Aussichten einzuschätzen", sagt Malcolm Mason, Dekan der Forschung in Biowissenschaften und Gesundheit an der Universität Cardiff und Prostatakrebs-Experte der britischen Organisation Cancer Research UK. "In anderen Worten: Welche Patienten könnten für ein paar Jahre und welche nur für weniger als ein Jahr überleben."

"Einfach und preiswert"

Mason weist aber auch darauf hin, dass mit den Bluttests weitere Fragen zur Behandlung aufgeworfen werden: "Würden Patienten mit der schlechtesten Prognose von intensiver Therapie wie Chemotherapie zu einem früheren Zeitpunkt profitieren? Und würde weitere Hormontherapie am besten bei denen mit einer besseren Prognose angewendet werden?" Diese Fragen könne man ohne weitere klinische Studien nicht beantworten.