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Gender-Streit um algerische Olympia-Boxerin Imane Khelif

1. August 2024

Bei der WM 2023 wird Boxerin Imane Khelif wegen eines Geschlechtstests disqualifiziert. Bei Olympia darf die Algerierin starten - und gewinnt ihren Auftaktkampf nach nicht einmal einer Minute.

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Die Boxerinnen Imane Khelif und Angela Carini nach ihrem Kampf
Nach ihrer Niederlage gegen Imane Khelif (r.) verweigert Angela Carini (l.) ihrer Gegnerin den HandschlagBild: John Locher/dpa/picture alliance

Nur 46 Sekunden dauerte der erste Kampf der algerischen Boxerin Imane Khelif bei den Olympischen Spielen in Paris, dann stand sie im Viertelfinale der Klasse bis 66 Kilogramm Körpergewicht. Ihre italienische Gegnerin Angela Carini gab nach zwei harten Treffern Khelifs an den Kopf auf und verweigerte anschließend unter Tränen den Handschlag mit der Boxerin aus Algerien.

"Für mich ist das keine Niederlage", sagte die Italienerin später. "Ich bin eine reife Frau. Der Ring ist mein Leben. Ich habe immer sehr instinktiv gehandelt. Und wenn ich das Gefühl habe, dass etwas nicht richtig ist, heißt das nicht, dass ich aufgebe. Es geht darum, die Reife zu haben, aufzuhören. Es geht darum, die Reife zu haben, zu sagen: 'Okay, das reicht'."

Wegen DNA-Test disqualifiziert

Khelifs Teilnahme an den Spielen in Paris hatte wegen ihrer Disqualifikation bei der Weltmeisterschaft im März 2023 in Neu-Delhi für viel Aufsehen gesorgt. Damals hatte Khelif das Finale um WM-Gold nach einem DNA-Test nicht bestreiten dürfen. Die Begründung des WM-Veranstalters International Boxing Association (IBA): Die Algerierin verstoße gegen die Regel, nach der jemand, der XY-Chromosomen hat, nicht bei den Frauen starten dürfe. Mit derselben Begründung wurde auch die Taiwanesin Lin Yu-Ting, die WM-Bronze gewonnen hatte, nachträglich disqualifiziert. 

Normalerweise haben Frauen zwei X-Chromosomen und Männer ein X- und ein Y-Chromosom. In seltenen Fällen gibt es Frauen, die weibliche Geschlechtsmerkmale haben, aber auch das männliche Y-Chromosom.

IOC-Sprecher Adams: "Es geht um Menschen"

Vor den Spielen in Paris hatte das Internationale Olympische Komitee (IOC) die 25 Jahre alte Khelif und die 29 Jahre alte Lin für die Wettkämpfe dennoch zugelassen. Alle Athletinnen und Athleten, die am Box-Turnier der Olympischen Spiele Paris 2024 teilnähmen, so das IOC, "erfüllen die Teilnahme- und Zulassungsbestimmungen des Wettbewerbs sowie alle geltenden medizinischen Vorschriften."

IOC-Sprecher Mark Adams verteidigte die Zulassung der beiden Boxerinnen. "Es sind Menschen involviert, wir sprechen über das Leben von Menschen", sagte Adams. "Sie sind in Frauenwettbewerben angetreten, sie haben über die Jahre gegen Frauen gewonnen und sie haben gegen Frauen verloren." 

Sowohl Khelif als auch Lin waren bereits 2021 im Frauenboxen der Olympischen Spiele in Tokio angetreten, hatten aber keine Medaillen gewonnen. Die Taiwanesin bestreitet an diesem Freitag (2. August) ihren ersten Kampf in Paris. 

Italiens Regierungschefin Meloni spricht von "ungleichem Kampf"

Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni von der rechtsradikalen Partei Fratelli d'Italia prangerte nach der Niederlage Carinis gegen Khelif einen "ungleichen" Kampf an: "Ich stimme nicht mit dem IOC überein. Ich denke, Athletinnen mit männlichen genetischen Merkmalen sollten nicht an Frauen-Wettbewerben teilnehmen dürfen." 

Das Nationale Olympische Komitee Algeriens dagegen verurteilte die Kritik, die vor allem in den sozialen Medien auf Khelif hereinprasselte. "Diese auf Lügen basierenden Diffamierungsversuche sind völlig unfair", ließ das algerische NOK wissen. "Wir stehen alle hinter dir, Imane. Die ganze Nation steht hinter dir und ist stolz auf deine Leistungen." 

IOC organisiert Box-Wettkämpfe in Paris

Normalerweise sind die Weltverbände der einzelnen Sportarten für die ordnungsgemäße Abwicklung der olympischen Wettkämpfe zuständig. Bei den Spielen in Paris organisiert das IOC jedoch selbst die Boxkämpfe. Der Grund: Die olympische Dachorganisation hatte 2023 dem Box-Weltverband IBA endgültig die olympische Rechte entzogen, unter anderem wegen des Verdachts der Korruption sowie manipulierter Kampfurteile. Der Internationale Sportgerichtshof (CAS) hatte einen Einspruch der IBA gegen die IOC-Entscheidung zurückgewiesen. Ob Boxen auch weiterhin olympische Sportart bleibt, gilt als offen. 

DW Kommentarbild Stefan Nestler
Stefan Nestler Redakteur und Reporter