Türkischer Außenminister in Berlin
18. September 2014Seine erste Reise nach Europa hat den neuen türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu zum Antrittsbesuch nach Berlin geführt. Doch für ihn und seinen deutschen Gastgeber, Außenminister Frank-Walter Steinmeier, war es nicht das erste Zusammentreffen. Und so konnten beide Politiker gleich in das Gespräch einsteigen. Themen gibt es derzeit genug. Neben den bilateralen Beziehungen, die von beiden Ministern als gut und vertrauensvoll beschrieben wurden, und den EU-Beitrittsverhandlungen ging es hauptsächlich um die brisante Lage im Nahen und Mittleren Osten.
Gemeinsamer Kampf gegen die Terroristen
Die Bedrohung durch die Terrormiliz "Islamischer Staat" sei nicht nur eine Bedrohung für den Irak und für Syrien, sondern für die gesamte Region, sagte Steinmeier. Niemand habe das so früh erfahren müssen wie die Türkei, die mit dem Irak und mit Syrien eine lange Grenze teilt. Im vergangenen Juni waren in der irakischen Stadt Mossul rund 50 Mitarbeiter des türkischen Konsulats und ihre Familienangehörigen von den einrückenden IS-Kämpfern festgenommen worden. Bis heute werden sie von den Terroristen gefangen gehalten. Steinmeier sprach seinem Amtskollegen sein Mitgefühl aus und wünschte ihm Erfolg bei den Bemühungen, die Geiseln freizubekommen.
Ausdrücklich bedankte er sich für das türkische Engagement beim Kampf gegen ausländische Dschihadisten, die versuchen, über die Türkei in das Krisengebiet einzureisen, um auf der Seite der Extremisten zu kämpfen. "Ich habe mit großer Freude zur Kenntnis genommen, dass inzwischen mehr als tausend junge Menschen, die offenbar gewillt waren, den Kampf im Irak oder in Syrien aufzunehmen, von der Türkei zurückgewiesen worden sind", sagte Steinmeier. Mehr als 6000 Männer und Frauen stünden auf der Liste der unerwünschten Personen, die nicht in die Türkei einreisen dürften.
Dschihadisten aus dem Ausland
Auch aus Deutschland sind Hunderte von Extremisten in das Kriegsgebiet gereist. Nach Einschätzung von Sicherheitsexperten sollen mindestens 40 von ihnen getötet worden sein, darunter mehrere Selbstmordattentäter. Auch in der Türkei werden Freiwillige für den Kampf rekrutiert. Nach Angaben türkischer Medien sollen bereits mehr als 1000 junge Männer in den Krieg jenseits der Grenze gezogen sein. Die "New York Times" berichtete vor wenigen Tagen, dass die Werber in den Armen-Vierteln Istanbuls bei den Familien auf offene Ohren stießen.
Der türkische Außenminister unterstrich, dass Ankara die Grenzkontrollen an der mehr als 1200 Kilometer langen Grenze zu Syrien und dem Irak verstärkt habe, um das Durchsickern von Kämpfern zu verhindern. Darüber hinaus würden auch Busbahnhöfe und andere sensible Punkte intensiv kontrolliert. Um die Einreise ausländischer Dschihadisten zu verhindern, sei man aber auf die Kooperation mit den ausländischen Geheimdiensten und Sicherheitsbehörden angewiesen. Sie müssten der Türkei Informationen über ihre verdächtigen Staatsbürger zukommen lassen.
Gleichzeitig wolle die Türkei aber weiterhin ihre Grenzen für die Flüchtlinge offen halten. Erst kürzlich habe sie 38.000 Jesiden aufgenommen, die aus dem Irak geflohen seien. Darüber hinaus versorge die Türkei auch Flüchtlinge jenseits der Grenze, auf irakischem Staatsgebiet. Steinmeier würdigte das Engagement der Türkei bei der Aufnahme von Flüchtlingen aus Syrien und dem Irak. Das Land trage damit einen großen Teil der Last, den der Bürgerkrieg für die Region mit sich bringe.
Wie weiter im Nahen Osten?
Beide Außenminister lehnen es ab, im Kampf gegen den "Islamischen Staat" mit der kurdischen Untergrundorganisation PKK zusammenzuarbeiten, die sowohl in der Türkei als auch in Deutschland als terroristisch eingestuft ist. Man könne eine Terrororganisation, die gegen eine andere kämpfe, nicht deswegen von der Terrorliste streichen, sagte Cavusoglu. "Das würde ja bedeuten, dass es guten und bösen Terror gibt."
Einig sei man sich zudem, dass der Terror nicht nur militärisch bekämpft werden könne. "Wir brauchen einen breiteren politischen Ansatz", erklärte Steinmeier. In Berlin seien daher am Donnerstag mehrere Minister im Bundeskanzleramt mit dem Leiter der Stiftung Wissenschaft und Politik, Volker Perthes, zusammengekommen. In der Diskussion sei es darum gegangen, wie man zu einer Beruhigung der Lage im Nahen Osten beitragen könne.