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Glaube

Gemeinsam auf dem Weg

6. Januar 2024

Die Heiligen Drei Könige als Wissenschaftler und Gottsuchende geben uns Einblicke in das gemeinsame wissenschaftliche und spirituelle Erbe der drei monotheistischen Religionen. Ein Beitrag der katholischen Kirche.

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Italien | Heilige drei Könige (2.Hlfte 6.Jhdt), Mosaik in Sant Apollinare Nuovo, Ravenna
Bild: Uta Poss/picture alliance

 „Da kamen Sternendeuter aus dem Osten“, so heißt es im Matthäus-Evangelium, zur Geburt Jesu. Die Weisen, die die Tradition später zu „Königen“ werden lässt, waren Gelehrte, Wissenschaftler auf der Höhe ihrer Zeit, die mindestens in der Sternenkunde vertraut waren. Sie machten sich auf den Weg nach Westen, um Gott zu suchen. 
 
 „Als Jesus zur Zeit des Königs Herodes in Betlehem in Judäa geboren worden war, siehe, da kamen Sterndeuter aus dem Osten nach Jerusalem und fragten: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen.“ 
Matthäus-Evangelium, Deutsche Bibel-Einheitsübersetzung 2016 
  
Morgenland und Abendland  

Aus dem Osten kamen sie, aus dem „Morgenland“, weit östlich des Heiligen Landes, aus Persien – eine Gegend, die heute als „Orient“ mit dem Islam gleichgesetzt wird. Nicht nur den – aus unserer Perspektive – Mittleren Osten, sondern auch den Nahen Osten denken wir dabei mit. Das Christentum hingegen identifizieren wir mit dem Abendland. Sprechen wir von „abendländischen Traditionen“ oder einer „abendländischen Kultur“, dann sind in der Regel muslimische Traditionen und Kulturen nicht eingeschlossen, oftmals sogar explizit davon ausgeschlossen. Die christlichen Kulturen und Traditionen werden hingegen als einheitlich und als abendländisch gedacht. 
 
Das Christentum hat – aus europäisch-geographischer Sicht gesprochen – seinen Ursprung jedoch in eben jenem Osten, jenem „Orient“, und ist auch immer noch dort beheimatet. Mehr als 15 Millionen Christinnen und Christen leben in den verschiedenen Ländern des Nahen und Mittleren Ostens, viele davon haben Arabisch als Muttersprache und beten zu „Allah“. Unsere christlichen Wurzeln sind im Morgenland und auch unser Gesicht ist vielfältiger als das, was gemeinhin unter „abendländisch“ verstanden wird.  
 
Wissenschaft und Gottsuche 

Umgekehrt ist der Islam im „Abendland“ verwurzelt – nicht nur durch die Menschen muslimischen Glaubens, die seit Generationen in mitteleuropäischen Ländern leben. Nein, auch die reiche islamische Wissenschaftskultur bildet das Fundament der abendländischen Wissenschaftsgeschichte, auch der christlichen Theologie. Muslimische Gelehrte wie Avicenna und später Averroes beispielsweise sind für christliche Gelehrte wie Thomas von Aquin zentral. Oft wird das Wirken der muslimischen Gelehrten darauf reduziert, das griechische Erbe ins lateinische Mittelalter gerettet zu haben. Doch diese Annahmen sind überholt, heute weiß man ihren wissenschaftlichen Beitrag zu würdigen.  
 
Gelehrte, Weise, im heutigen Sprachgebrauch „Wissenschaftler“, werden zu Königen. 
 
Im biblischen Text wurde die Anzahl der Sterndeuter nicht spezifisch beschrieben. Wahrscheinlich wurden sie entsprechend ihrer drei Geschenke zu einer Gruppe von drei Personen gedacht und schließlich zu den Heiligen Drei Königen. Diese sind den Weg, bzw. mindestens einen bedeutenden Teil davon gemeinsam gegangen, vereint in der gemeinsamen Suche, das gemeinsame Ziel vor Augen. Sie lassen sich auch symbolisch als Vertreter der drei abrahamitischen Religionen Christentum, Judentum und Islam interpretieren; in manchen Deutungen stehen sie sogar für das Menschengeschlecht insgesamt.  
 
Die Heiligen Drei Könige stehen sinnbildlich für das gemeinsame Miteinander unterschiedlicher Menschen. Ausgerechnet sie, die auch für den Ursprungskontext des Christentums das religiös und kulturell Andere und Fremde symbolisierten. Ausgerechnet sie sind es, die sich auf den Weg machten und Gottes Erscheinen in der Welt demütig willkommen hießen. Ausgerechnet sie sind es, deren Gebeine dann im „Abendland“ Anlass zum Bau des Kölner Doms gaben, auch hier verschwimmen die geographischen Ebenen. 
 
Die Heiligen Drei Könige stehen gerade in Zeiten wie diesen für eine Verstärkung des interreligiösen und interkulturellen Dialogs bzw. Trialogs hierzulande. Sie fragen uns, wo wir heute gemeinsame Gotteserfahrungen machen können, wo wir gemeinsam auf dem Weg sind – verschieden, aber im Wissen unserer Gemeinsamkeiten. 
 
 Nora Kalbarczyk
 
Zur Autorin:
Dr. Nora Kalbarczyk, seit 2021 Generalsekretärin des Katholischen Akademischen Ausländer-Dienstes, Stipendienwerk der Katholischen Kirche in Deutschland für Studierende und Nachwuchswissenschaftler/innen aus dem Globalen Süden und aus Osteuropa. Sie ist Islamwissenschaftlerin und hat zur arabischen Philosophie und islamischen Rechtshermeneutik promoviert. 
 
Dieser Beitrag wird redaktionell von den christlichen Kirchen verantwortet.