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Geklonter Rhesusaffe - Durchbruch für die Genetik?

16. Januar 2024

Kühe zu klonen funktioniert ganz gut. Bei Primaten ist das komplizierter: Die meisten Embryonen überleben nicht, Jungtiere sterben schnell. In China aber soll ein geklonter Rhesusaffe gesund und munter sein.

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Forschungsgruppe aus China klont Rhesusaffe mit "Dolly-Methode"
Das Interesse an geklonten Primaten für die Forschung ist groß. Allerdings ist Klonen ineffizient und geht häufig schief.Bild: Chinese Academy of Sciences

Dieselbe Technik, die 1996 das Klon-Schaf Dolly erschuf, funktionierte bei Primaten bisher nicht so besonders gut. Mit Hilfe des sogenannten somatischen Zellkerntransfers erschufen Forschende seit Dolly unzählige weitere Klon-Schafe, -Kühe, oder -Schweine. Mehr als 20 verschiedene Säugetierarten sind mittlerweile durch die somatische Zellkerntransfer-Technologie geklont worden.

Die Überlebensrate geklonter Tiere ist allerdings durchweg gering - nur Kühe haben etwas bessere Chancen. Viele Tiere leiden unter schweren Muskel- oder Organschäden, die ihr Leben drastisch verkürzen. Das war bei den wenigen geklonten Primaten, die lebend auf die Welt kamen, nicht anders. Bis die geklonten Äffchen Zhong Zhong und Hua Hua 2017 das Licht der Welt im Institute of Neuroscience of the Chinese Academy of Sciences in Schanghai erblickten.

Die beiden Javaneräffchen, die zur Familie der Makaken gehören, galten als Sensation. Aus demselben Institut kommt nun erneut eine Erfolgsmeldung: Forschende haben es geschafft, einen Rhesusaffen zu klonen. Das männliche Tier sei gesund und munter und bereits zwei Jahre alt. Ihre Untersuchung veröffentlichten die Forschenden im Fachblatt "Nature Communications".

Ein geklonter Rhesusaffe, ein Durchbruch für die Forschung?

"Die Studie und die darin vorgestellte Technik sind eine ganz spezielle und biologisch sehr interessante Geschichte", sagt der Biologe Rüdiger Behr, der sich am Deutschen Primatenzentrum mit Stammzell- und Embryonenforschung befasst. "Dass hier etwas grundlegend Neues gezeigt wurde, das in der Wissenschaftsgemeinschaft eine breite Anwendung finden würde, daran habe ich meine Zweifel."

Die chinesischen Forschenden hätten eine Technik angewandt, die nur wenige Labore auf der Welt nachahmen, also reproduzieren könnten, so Behr. "Hier wurde ein Embryo gemacht, der aus einer Kombination aus einem geklonten und nicht-geklonten Anteil besteht." Dabei sei es schon Herausforderung genug, einen geklonten Embryo zu entwickeln. 

Wie funktioniert Klonen und warum ist es so schwierig?

Wie herausfordernd es ist, eine exakte genetische Kopie, also einen Klon, eines komplexen Lebewesens zu erschaffen, davon zeugt die geringe Lebenserwartung und die schlechte Gesundheit der meisten geklonten Tiere.

Beim somatischen Zellkerntransfer wird der Zellkern einer Körperzelle (somatische Zelle), beispielsweise einer Nervenzelle, in eine Eizelle verpflanzt, deren Zellkern vorher entfernt wurde. "Wenn man den Kern einer Körperzelle in eine entkernte Eizelle transferiert, dann ist die Eizelle grundsätzlich in der Lage, diesen Zellkern der Körperzelle in einen Zustand zurückzuversetzen, dass sich das gesamte Konstrukt wie eine befruchtete Eizelle verhält", erklärt Behr. Ein Embryo kann entstehen.

Die befruchtete Eizelle beginnt sich zu teilen, stellt also zunächst exakte Kopien von sich her. Im Laufe der Entwicklung des Embryos differenzieren sich die Zellen jedoch immer mehr aus: zu Haut-, Herz-, Muskel- oder Nervenzellen. Die Erbinformation in den Zellkernen jeder dieser Zellen ist zwar dieselbe. Allerdings werden nicht alle Gene ausgelesen. Nur dadurch kommt es zur Ausbildung verschiedener Zelltypen.

Die Eizelle reprogrammiert den eingesetzten Körperzellkern nun aber so, dass wieder alle Gene ausgelesen werden können. Wie bei einem Computer, der zurückgesetzt wird, setzt die Eizelle den Zellkern auf Start zurück - zumindest theoretisch. "Das funktioniert manchmal nur sehr schlecht", so der Biologe Behr. Deshalb sei die Effizient des Klonens immer noch sehr gering.

Ist es besonders schwierig, Primaten zu klonen?

Die aktuelle Studie ist, was die Effizienz angeht, keine Ausnahme: Von 484 eingesetzten Embryonen wurde ein Tier lebend geboren. Ob die neuartige Technik der Grund für die Geburt war oder bloßer Zufall, sei kaum festzustellen, sagt Behr. 

Rüdiger Behr glaubt allerdings nicht, dass es grundsätzlich schwieriger ist, Primaten zu klonen als andere Tiere: "Es gibt ganz wenige Institutionen auf der Welt, die überhaupt in der Lage sind, solche Experimente mit Primaten durchzuführen. Dass das Klonen noch immer so schwierig ist, liegt meiner Einschätzung nach daran, dass man bisher wenig Erfahrung mit dem Klonen von Affen hat."

Primaten zu halten sei sehr aufwendig und kostenintensiv, anders als beispielsweise die Erforschung von Mäusen. Entsprechend kleiner seien die Fortschritte, meint Behr.

Warum überhaupt geklonte Affen?

Das Interesse der Forschung an geklonten Affen ist groß. Weil sich nicht menschliche Primaten und Menschen so ähnlich sind, werden sie für die Erforschung vieler Erkrankungen wie beispielsweise Alzheimer oder Parkinson genutzt. Eine Gruppe geklonter und damit genetisch identischer Affen, würde Versuche an ihnen besser vergleichbar und Ergebnisse präziser machen.

"Als Doktorand konnte ich mir nicht vorstellen, dass man Affen klonen sollte", räumt Behr ein. Das schien ihm eine rote Linie zu sein, zu nah an uns Menschen dran, zu schmerzempfindsam.

"Inzwischen sehe ich das etwas differenzierter und denke, dass es Situationen gibt, in denen das Klonen von Affen sinnvoll sein kann: Bei Erkrankungen, bei denen es bisher keine Therapien gibt und die mit großem Leid verbunden sind beispielsweise." Das könnten vor allem Gentherapien gegen Blindheit und Taubheit, aber auch gegen Herzerkrankungen und Stoffwechselstörungen sein, so Behr.

Allerdings weiß natürlich niemand, ob mit Hilfe der Forschung an geklonten Affen solches Leid tatsächlich verringert oder verhindert werden könnte. Deswegen ist Behr vorsichtig und formuliert im Konjunktiv: "Könnte funktionieren, ich weiß es aber nicht."

Julia Vergin
Julia Vergin Teamleiterin in der Wissenschaftsredaktion mit besonderem Interesse für Psychologie und Gesundheit.