Geburtshelfer für Bestseller
14. April 2002Briefe und Memoiren von Autoren sind bis zum heutigen Tag voller Klagen über die Behandlung durch Verleger. Selbst Bestseller-Autoren wie einst Goethe und Heine lagen in ständigem Kampf mit ihren Verlegern um die Honorare. Von seiner Schriftstellerei hätte Goethe in den ersten 20 Jahren seiner Laufbahn nicht leben können, trotz des Welterfolgs seines Werther.
England in der Vorreiterrolle
Den Beruf des literarischen Agenten gibt es seit rund 125 Jahren. Der erste hauptberufliche Agent war vermutlich Alexander Pollock Watt, der sich um das Jahr 1875 in Paternoster-Row in London niederließ. Die Gründung dieser Agentur erwies sich für alle Beteiligten - für den Autor, den Verleger und den Agenten selbst - als so vorteilhaft, dass bald an vielen Orten literarische Agenturen entstanden.
Alexander Pollock Watt war auch der erste, der sich nicht genierte, für seine Arbeit von den Autoren ein Honorar zu verlangen. Er etablierte den Provisionssatz von zehn Prozent aller Einkünfte des Autors aus der Unterbringung seines Werkes. In Deutschland sah man zunächst keine Notwendigkeit für literarische Agenten: Etwa zeitgleich mit der Gründung der ersten Londoner Agentur war im wilhelminischen Kaiserreich ein bescheidener Urheberschutz eingeführt worden.
Messen sind Märkte
Neben Buchhändlern, Autoren, Lesern und Journalisten trifft man auf Buchmessen auch die Literaturagenten. Der wichtigste Termin für sie ist zwar noch immer die Frankfurter Buchmesse, aber auch die Leipziger Buchmesse kann sich sehen lassen. Experten schätzen, dass 85 Prozent aller großen Literaturerfolge der letzten Jahre von Agenturen vermittelt wurden. Ihr Spürsinn wird geschätzt. Bei über 1.500 unaufgefordert zugeschickten Manuskripten pro Jahr kann das Lektorat eines Verlags längst nicht alles sichten.
Qualitätskompass Agentur
Durch die Empfehlung einer Agentur aber wird das Lektorat hellhörig. Klaus Eck, Verleger im Hause Bertelsmann, arbeitet gern mit literarischen Agenturen zusammen, weil sie die Manuskripte ihrer Autoren schon im Vorfeld geprüft haben. "Ich denke, jeder Autor ist gut beraten, wenn er sich mit einem Agenten in Verbindung setzt und über diesen den Weg dann in einen bestimmten Verlag findet", verkündet Klaus Eck mit sibyllinischer Zunge.
Agenturen im Aufwind
Der Literaturagent ist der Aufsteiger in der Branche der Buchmacher. Seit gut zehn Jahren nimmt seine Bedeutung in Deutschland zu - und es setzte eine Gründungswelle ein, die immer noch weiter anschwillt. Ein guter Agent verbindet ausgeprägten Geschäftssinn mit sozialen Fähigkeiten. In ihm wohnt das Talent eines Gebrauchtwarenhändlers, Immobilienmaklers und Privatsekretärs.
Eine wichtige Aufgabe des Literaturagenten ist die Betreuung der "Backlist". Das sind alle Bücher, die von einem Autor oder einer Autorin schon auf dem Markt sind. Spätestens, wenn sich ein Buch schlecht verkauft, versucht die Literaturagentur, eine andere "Verwertungsform" für das Werk zu finden. Das heißt im Klartext: Spätestens, wenn die Hardcover-Version in den Regalen der Buchhandlungen verstaubt, wird die Agentur aktiv: Das Buch erscheint stattdessen als Taschenbuch oder wird als sogenannte "Sonderausgabe" verramscht.
Ursula Schwarzer / (arn)